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„Ich werde das Ergebnis dieser großen und historischen Wahl vollkommen anerkennen - wenn ich gewinne.“ Donald Trump am Donnerstag in Ohio.
© AFP

US-Wahlen: Trump ist eine Axt an der Demokratie

Trumps Weigerung zuzusichern, dass er das Votum akzeptieren werde, wirkt wie ein geistiger Brandanschlag auf das Weiße Haus und den Kongress. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Donald Trumps neueste Entgleisung ist nicht nur ein weiterer Tabubruch der Art, wie wir sie in diesem bizarren Wahljahr zu oft erlebt haben: hässliches Gerede über Frauen, Latinos, Behinderte, das aus dem Mund eines Anwärters auf das höchste Amt im Staat bis vor Kurzem undenkbar gewesen wäre. Seine Behauptung, wenn er verliere, lasse sich das nur durch systematischen Wahlbetrug erklären, zielt auf den Kern der Glaubwürdigkeit einer Demokratie: auf die Legitimation der Regierenden durch eine faire, freie und gleiche Wahl.

Was westliche Demokratien leisten, ist eine zivilisatorische Errungenschaft. Dies sollten wir uns von Zeit zu Zeit in Erinnerung rufen, vor allem jene, die es sich angewöhnt haben, die Demokratie schlechtzureden. Neben der Teilhabe, der Transparenz, dem Wettbewerb konkurrierender Ideen bedeutet sie den Gewaltverzicht. Der Kampf um die Macht wird mit „Ballots“ statt „Bullets“ ausgetragen: mit Stimmzetteln statt Kugeln. Die Unterlegenen akzeptieren ihre Niederlage im sicheren Wissen, dass Macht auf begrenzte Zeit verliehen wird und sie bei der nächsten Wahl eine neue faire Chance auf Sieg erhalten.

Viel zu lange haben die Konservativen diese Rhetorik geduldet

Gewiss haben die real existierenden Demokratien ihre Unzulänglichkeiten. Die Zahl der Nichtwähler wächst. Dennoch bleibt ein himmelweiter Unterschied zu Stammesgesellschaften in der Dritten Welt und zu autoritären Regimen, die in der Tat systematisch Wahlbetrug betreiben, ein nicht genehmes Wahlergebnis ignorieren oder dazu aufrufen, gewaltsam dagegen vorzugehen. Trumps Weigerung in der jüngsten TV-Debatte zuzusichern, dass er das Votum der US-Bürger am 8. November akzeptieren werde, wirkt wie ein geistiger Brandanschlag auf das Weiße Haus und den Kongress.

Zugleich war es beruhigend, wie Amerika darauf reagierte. Medien, die ansonsten sehr unterschiedlich über die Fernsehdebatten berichten, je nach politischen Sympathien, waren sich einig, von der linksliberalen „New York Times“ bis zum rechten Fernsehsender Fox: Ihre Schlagzeilen machten den ungeheuerlichen Tabubruch deutlich. Kein anderes Thema der Debatte – Steuern, Staatsverschuldung, neue Richter für den Supreme Court, Kampf gegen den Terror –, darin bestand Konsens, hat eine ähnlich weitreichende Bedeutung. Vizepräsidentschaftskandidat Mike Pence betonte, dass er das Wahlergebnis selbstverständlich respektieren werde. Wenn Trump mit der Demokratie bricht, soll das heißen, brechen die Republikaner mit ihm.

Es ist auch höchste Zeit. Viel zu lange haben die Konservativen eine Rhetorik in ihren Reihen geduldet, die unverhohlen auf Widerstandsrecht und Waffengewalt anspielte. Niemand kann mit Sicherheit sagen, wie groß das Potenzial derer ist, die aus Trumps Verschwörungstheorien die Aufforderung zur Tat ableiten.

Höchste Zeit – das gilt nicht nur für die USA, sondern auch für weite Teile Europas. Hierzulande wird ebenfalls leichtfertig über die politische Ordnung und das Personal hergezogen, als sei das System verlogen, verdorben, korrupt. Meist geschieht das unter dem Vorwand, man müsse „kritisch“ mit der Macht umgehen. Wer mit dem Spitzenpersonal zu tun hat, weiß eigentlich: Viele zeigen hohes Verantwortungsbewusstsein. Trumps Entgleisung ist eine Mahnung, innezuhalten und den Gegnern Respekt zu bezeugen. Ist die Demokratie erst unterminiert, wird es schwer, sie zu retten.

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