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Eine Verteidigungsministerin ist eher die Ausnahme: Ursula von der Leyen beim Truppenbesuch in Kabul.
© Michael Kappe/picture alliance

Weltfrauentag: Wir brauchen eine feministische Außenpolitik

Ohne Gleichberechtigung kein Frieden: Staaten agieren umso friedlicher, je gleichgestellter Frauen darin sind. Ein Gastkommentar.

Feministische Außenpolitik beginnt im Inland. Denn in Deutschland sind die Geschlechter nicht gleichberechtigt in entsprechenden Institutionen repräsentiert: Nur knapp 16 Prozent der Führungspositionen in Auslandsvertretungen der Bundesrepublik werden von Frauen bekleidet. Gleichzeitig schränken die Paragrafen 218 und 219 des Strafgesetzbuchs hierzulande noch immer das Selbstbestimmungsrecht von Frauen ein. Das muss sich ändern, wenn Deutschland es ernst damit meint, mehr internationale Verantwortung für Frieden und Menschenrechte übernehmen zu wollen. Denn die Bevormundung ist Ausdruck von patriarchalem Machtmissbrauch.

Die Lage ist noch immer desaströs: Bereits 2007 zeigte ein Bericht der Vereinten Nationen, dass weltweit 163 Millionen Frauen fehlen. Gründe sind die hohe Mütter- und Kindersterblichkeit, Gewalt gegen Frauen, gezielte Abtreibung weiblicher Föten und hohe Selbstmordraten. Kindstötungen von Mädchen, bevorzugte medizinische Versorgung und bessere Ernährung von Jungen führen dazu, dass es 2020 in China und Indien 40 beziehungsweise 30 Millionen mehr Männer als Frauen geben wird. In über 90 Ländern gibt es kein Gesetz, das Vergewaltigung in der Ehe verbietet. Und auch 2019 sind weniger als 25 Prozent aller Parlamentssitze weltweit von Frauen besetzt.

Frieden Gleichberechtigung bedeutet Frieden

Dabei haben wissenschaftliche Untersuchungen längst ergeben, dass Staaten desto friedlicher agieren, je gleichberechtigter Frauen darin sind. Und Regierungen, die sich aktiv dafür einsetzen, dass alle Geschlechter die gleichen Rechte und Möglichkeiten haben, führen seltener Krieg. Zudem halten sich Staaten, in denen physische Gewalt gegen Frauen selten ist und bestraft wird, eher an internationale Verträge und haben bessere Beziehungen zu Nachbarstaaten. Friedensabkommen haben eine höhere Wahrscheinlichkeit länger zu halten, wenn Frauen die vorangegangenen Verhandlungen mitgestaltet haben – auch weil sie oft Aspekte ansprechen, die über die unmittelbaren Waffenstillstandsverhandlungen und Machtverteilung hinausgehen.

Analysen kommen zu dem Schluss, dass die Stellung der Frau innerhalb der Gesellschaft mehr darüber aussagt, wie friedlich ein Staat ist, als das Demokratieniveau oder der Wohlstandsindex.

Die Erklärungen dafür sind komplex und sowohl in der Evolutionsbiologie, der Psychologie und der Friedens- und Konfliktforschung zu finden. Einer dieser Gründe ist, dass patriarchale Strukturen zwischen „uns“ – sogenannten Eigengruppen (zum Beispiel Männer) – und „anderen“ – sogenannte Fremdgruppen (zum Beispiel Frauen) – unterscheiden. Die Fremdgruppe wird als nicht gleichberechtigt anerkannt und durch Gewalt und Exklusion unterdrückt.

Die Diskriminierung von Frauen schafft dabei ein Umfeld, in dem Gewalt und Dominanz eine effektive und legitime Option ist, seine eigenen Interessen durchzusetzen. Was im kleinen, nationalen Rahmen geschieht, wird zum Maßstab dafür, was auf internationaler Ebene als angemessen gilt. Je eher also Gesellschaften bereit sind, Frauen zu unterdrücken, desto eher wird Gewalt gegenüber anderen Staaten als valide Handlungsoption angesehen.

Strukturelle Diskriminierung

Dass Frauen und andere politische Minderheiten noch immer wenig Einfluss auf außenpolitische Entscheidungsprozesse haben, ist Ausdruck einer strukturellen Diskriminierung. Die Abwesenheit von Frauen, ihren Perspektiven und Sicherheitsbedürfnissen, sind ein Grund dafür, warum sich die Überzeugung auf internationaler Ebene noch immer hält, dass Dominanz und militärische Stärke zu mehr Sicherheit und Frieden führen. In der Folge verfestigen sich politische Strukturen, die Ungleichheit aufrechterhalten.

Wie aber sollen Ursachen von komplexen Konflikten erkannt und die Sicherheit aller gewährleistet werden, wenn die Hälfte der Bevölkerung von den Entscheidungsprozessen ausgeschlossen ist? Gerade, wenn Sicherheitsbedürfnisse je nach Geschlecht stark variieren.

Nina Bernarding.
Nina Bernarding.
© Waleria Schüle

Hier setzt die feministische Außenpolitik an. Doch was beinhaltet sie konkret? Zuallererst bedeutet sie anzuerkennen, dass strukturelle Ungleichheiten existieren, und dass Gewalt gegen und Diskriminierung von Frauen und anderen „Fremdgruppen“ Ausdruck patriarchaler Strukturen sind.

Im zweiten Schritt muss eine feministische Außenpolitik darauf abzielen, diese strukturellen Ungleichheiten aktiv zu beseitigen und Normen, Gesetze und Traditionen überwinden, die Fremdgruppen unterdrücken. Dabei berücksichtigt sie, dass politische Entscheidungen Menschen unterschiedlich beeinflussen können, abhängig von Faktoren wie Gender, Alter und Hautfarbe - und, dass sich mehrere Formen von Diskriminierung überlappen, wodurch neue Formen von Diskriminierung entstehen können.

Das bedeutet, dass eine Regierung durch ihre Außenpolitik versucht, die Rechte von Frauen und politischen Minderheiten zu stärken. Vor allem jene Rechte, die Familienangelegenheiten wie Ehe, Scheidung, Erbe und Sorgerecht regeln. Auch setzt sich eine feministische Außenpolitik dafür ein, dass Frauen die gleichen Möglichkeiten und Ressourcen haben, gesellschaftliche Entscheidungsprozesse mitzubestimmen. Und sie kämpft gegen sexualisierte Gewalt. Im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit werden zudem die Verbesserung der weltweiten Müttergesundheit und gleichwertige Bildung priorisiert.

Kristina Lunz.
Kristina Lunz.
© Frédéric Schwilden

Eine feministische Sicherheitspolitik widerspricht der im realpolitischen Diskurs vorherrschenden Annahme, dass sichere Staaten automatisch zu sicheren Menschenleben führen. Die Formel „Mehr Waffen bedeutet mehr Sicherheit“ lehnt sie ab und setzt auf Entmilitarisierung.

Geschlechtergerechtigkeit für den Frieden

Vor allem aber zielt eine feministische Außenpolitik darauf ab, die Unterteilung in Eigengruppe und Fremdgruppe zu überwinden. Statt Unterschiede hervorzuheben und einen Graben zwischen sozialen Gruppen zu ziehen, betont sie die Gemeinsamkeiten aller Menschen. Statt Dominanz und Kontrolle setzt sie auf Kooperation und Gleichberechtigung.

Viel deutet darauf hin, dass die zukünftigen Konflikte nicht zwischen Kulturen stattfinden, sondern zwischen den Ländern, die alle Geschlechter als gleichberechtigt anerkennen und solche, die weiterhin von Geschlechterungerechtigkeit gezeichnet sind. Die Stimmen mehren sich, die vor der kommenden Wahl des Europäischen Parlaments eine feministische Außenpolitik der Europäischen Union fordern. Es ist an der Zeit, dass Deutschland nachzieht.

Außenpolitik muss darauf ausgerichtet sein, die Beziehung zwischen den Geschlechtern grundlegend zu transformieren. Nur so kann der Grundstein für ein sichereres, internationales System gelegt werden – ohne echte Geschlechtergerechtigkeit wird es keinen nachhaltigen Frieden geben.

Nina Bernarding und Kristina Lunz sind Direktorinnen des „Centre for Feminist Foreign Policy“.

Nina Bernarding, Kristina Lunz

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