Weltfrauentag 2019: Wie sich Frauen in Berlin vernetzen, um voran zu kommen
Lange taten sich Frauen schwer, durch persönliche Beziehungen vorwärtszukommen. Das ändert sich nun. In Berlin gibt es viele Möglichkeiten zum Austausch.
- Laura Hofmann
- Dr. Elisabeth Binder
Wie sinnvoll ist es, wenn Frauen Netze knüpfen, nicht die zum Einkaufen, sondern die zum Karriere machen? Darüber ist immer wieder diskutiert worden. Inzwischen sind die Blockaden weitgehend überwunden. Frauen galten lange als unfähig, andere Frauen zu fördern, aus gegensätzlichen Gründen. Zickigkeit war einer, der heimliche Wunsch, bessere Menschen als Männer zu sein, ein anderer. Um die Jahrtausendwende gab es eine Phase, in der jüngere Frauen auf gemischte Netzwerke setzten. Auch das hat sich inzwischen wieder geändert. Das eine schließt das andere ja nicht aus.
„Für viele Frauen ist es heute ganz selbstverständlich, dass sie sich in gemischten Netzwerken engagieren“, sagt Claudia Große-Leege, die Geschäftsführerin des Verbandes deutscher Unternehmerinnen. Zusätzlich mache es aber ganz viel Sinn, sich auch noch Frauennetzwerken anzuschließen, weil die Qualität einfach eine andere sei. „Man begegnet sich auf Augenhöhe, was in gemischten Netzwerken leider immer noch nicht selbstverständlich ist. Auch der Wettbewerbsgedanke ist nicht so ausgeprägt.“
Frauen gehen effizient und pragmatisch vor
Sie kennt abwertende Einschätzungen, geht damit aber gelassen um. Von einem „Club der Heulsusen“ könne keine Rede sein. Im Gegenteil, die Frauen gingen effizient und pragmatisch vor, helfen sich etwa auch bei Fragen der Kinderbetreuung oder dabei, Arbeitsräume zu finden. Die Skrupel, Lehren aus den alten „Boys Networks“ zu ziehen, sind deutlich kleiner geworden. Heute herrsche die Haltung vor: „Das können wir auch!“
Und nicht immer geht es „nur“ um die Karriere: In Zeiten, in denen Frauen in den sozialen Medien verstärkt sexistisch angegriffen werden, wird die Unterstützung durch andere Frauen, die sich solidarisieren, digital wie analog, für einige immer wichtiger, vor allem, wenn sie in der Öffentlichkeit stehen. Die Berliner Staatssekretärin Sawsan Chebli gehörte lange zu den Frauen, die sich energisch dagegen wehren, als Feministin bezeichnet zu werden. Und Feministinnen-Netzwerke erlebte die 40-jährige Muslimin häufig als anti-muslimisch. Aber als sie im Oktober 2017 auf Twitter und Facebook einem Ex-Botschafter Sexismus vorwarf und anschließend Opfer eines sexistischen und rassistischen Shitstorms wurde, fühlte sie sich allein, angesichts des Hasses, der da im Netz auf sie einprasselte. Nach diesem Vorfall meldeten sich viele Frauen aus Politik und Medien bei ihr, so entwickelte sich ein informeller Kreis, der den Namen „FC Feminist“ trägt. Feste Mitglieder gibt es nicht, die Treffen finden bei Chebli, die gerne kocht, zu Hause statt. Einladung per Twitter oder SMS. Mittlerweile würden sich die Frauen regelrecht bei ihr bewerben, erzählt Chebli.
Alle zwei Monate eine lockere Runde
Überhaupt sind nicht alle Netzwerke als Verein organisiert. In Berlin gab es in den 80er Jahren einen Kreis von Professorinnen, Juristinnen und Medienfrauen, die sich in Privathäusern trafen und ein gemeinsames Interesse pflegten: die USA. Daraus ging später die gemischt-geschlechtliche Initiative Berlin-USA hervor. Die Frage, ob auch nicht-berufstätige Frauen aufgenommen werden sollten, trug zum Ende dieses Netzwerks ebenso bei wie Zeitnöte der arbeitenden Frauen.
Soll man nur plaudern oder sich mit anspruchsvollen Vorträgen weiterbilden? An dieser Frage scheiterte unter anderem in den 90er Jahren das „International Women’s Forum“. „Meet me in Mitte“, das anfangs im Adlon stattfand, funktionierte besser, weil man in lockerer Runde alle zwei Monate zum Lunch zusammenkam. Schon lange trifft man sich, inzwischen als Verein, an wechselnden Orten, um über aktuelle Themen zu diskutieren, mal im Bundestag, mal in der Suppenküche der Franziskaner, die die Frauen unterstützen, mal einfach im Biergarten, erzählt die Präsidentin Gabriele Wiechatzek. Das E-Magazin „She works!“ bietet einen Überblick über Netzwerke, auch spezielle für Führungsfrauen in der Gastronomie oder im Gesundheitswesen.
Zeit zum Netzwerken fehlt
Viele Frauen haben immer noch den größeren Teil der Familienarbeit zu schultern, diese Zeit fehlt auch beim Netzwerken. Manchmal spielen psychologische Bremsen eine Rolle. Eine Frage wurde oft diskutiert: Ist es in Ordnung, im Berufsleben durch Beziehungen etwas erreichen zu wollen? Was für Männer selbstverständlich ist, hat Frauen Gewissensprobleme bereitet, weil viele dachten, sie müssten es aus eigener Kraft schaffen.
Dass es völlig in Ordnung ist, einander zu helfen, hat sich inzwischen aber herumgesprochen. Und auch, dass die Zauberformel „Ja, ich will“ einem nicht nur vor dem Traualtar einen Ehemann oder eine Ehefrau einbringt, sondern im Berufsleben auch den ersehnten Chefposten. Informelle Business-Netzwerke, bei denen man sich regelmäßig zum Mittagessen trifft, sind nach der Beobachtung von Claudia Große-Leege gerade sehr beliebt und erfolgreich.
Auch die „Fahrradfrauen“, ein loser Zusammenschluss von Berliner Radfahrerinnen, treffen sich regelmäßig zum Mittagessen, aber auch zu Salons. Ihr Anliegen: Die Verkehrswende weiblicher zu gestalten. Am Freitag fahren sie beim Purple Ride, der queer-feministischen Critical Mass mit. Los geht’s um 12 Uhr am Mariannenplatz.
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