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Wird Joe Biden einen anderen Kurs einschlagen, wenn er Präsident wird?
© Jim Bourg/AFP

Nahostpoltik von Trump und Biden: Wie der Ausgang der US-Wahl den Nahen Osten verändern könnte

Irankonflikt, Syrienkrieg und der Zwist zwischen Israel und den Palästinensern: Trump und Biden verfolgen eine unterschiedliche Nahostpolitik.

Joe Biden lässt keinen Zweifel daran, dass sich in der Nahost-Politik der USA einiges ändern wird, wenn er die Präsidentschaftswahl am 3. November gewinnt. Anders als unter Amtsinhaber Donald Trump werde Amerika in Zukunft nicht mehr „seine Werte an der Garderobe abgeben, um Waffen zu verkaufen oder Öl zu kaufen“, erklärte Biden kürzlich.

Die Warnung war auf Saudi-Arabien gemünzt, doch sie gilt auch für andere Akteure in der Region. Ein Überblick über die fünf wichtigsten Bereiche, in denen die US-Wahl große Veränderungen bringen könnte.

Iran-Konflikt

Trump fährt einen Kurs des „maximalen Drucks“, um das Mullah-Regime in die Knie zu zwingen. Angefeuert von der amerikanischen Rechten und Verbündeten wie Israel und Saudi-Arabien, stieg Trump vor zwei Jahren aus dem internationalen Atomabkommen mit dem Iran aus.

Mit immer neuen Sanktionen will er seitdem die Teheraner Führung dazu bringen, strikteren Vorschriften für das iranische Nuklearprogramm zuzustimmen und das Raketenarsenal des Landes zu reduzieren. Mit der Ermordung des hochrangigen iranischen Generals Qassem Soleimani im Januar bewies der US-Präsident zudem, dass er auch vor militärischer Gewalt nicht zurückschreckt.

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Biden will die USA wieder ins Atomabkommen zurückführen, wenn Teheran seine Verstöße gegen den Vertrag beendet. Er setzt darauf, dass es besser ist, die Islamische Republik in internationale Verflechtungen einzubinden, um das Regime berechenbarer zu machen.

Der Konflikt mit Teheran – hier testet Irans Armee Raketen – gehört zu den großen Herausforderungen der US-Außenpolitik.
Der Konflikt mit Teheran – hier testet Irans Armee Raketen – gehört zu den großen Herausforderungen der US-Außenpolitik.
© Reuters

Der Iran hofft deshalb auf einen Machtwechsel in Washington. Revolutionsführer Ali Chamenei hat Medienberichten zufolge die pro-iranischen Milizen im benachbarten Irak angewiesen, ihre Angriffe auf US-Einrichtungen einzustellen, um Trump keinen Vorwand für neue Militärschläge zu liefern.

Ein Ende der harten US-Haltung wäre für Biden nicht ohne politisches Risiko, denn eine neue Iran-Politik würde Misstrauen bei amerikanischen Hardlinern und bei Verbündeten wie Israel und Saudi-Arabien wecken, die Trumps Kurs unterstützen.

Israel-Palästina

Für Israels rechtsgerichtete Regierung ist Donald Trump so etwas wie ein überaus großzügiger Onkel aus Amerika. Die Nationalreligiösen im Kabinett werden ihn wohl sogar als Geschenk Gottes betrachten. Denn der US-Präsident hat ihnen all das geschenkt, was sie immer ersehnt hatten.

Da wurde die Botschaft der Supermacht symbolträchtig von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt. An den Siedlungsplänen hatte er nichts groß auszusetzen. Und den Palästinensern machte der „Dealmaker“ von Anfang an klar, dass mit ihm kein Staat zu machen ist. Mehr noch. Trump beendete demonstrativ die finanziellen Zuwendungen für die Autonomiebehörde unter Mahmud Abbas und entzog dem UN-Hilfswerk für Palästina das Geld.

Zudem schmiedete der Republikaner eine arabisch-jüdische Allianz und führte den Palästinensern so vor Augen, dass sie mit der Fürsprache der Brüder und Schwestern in der Region nicht mehr rechnen dürfen. Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu dankte es Trump mit Beifall und Lobeshymnen.

Klare Botschaft: "Israel braucht sie noch ein paar Jahre länger" steht auf diesem Plakat in Tel Aviv.
Klare Botschaft: "Israel braucht sie noch ein paar Jahre länger" steht auf diesem Plakat in Tel Aviv.
© Oded Balilty/AP/dpa

Die Palästinenser dagegen betrachten den Tag, als Trump ins Weiße Haus einzog, als einen der düstersten ihrer Geschichte. Kein Wunder, dass sie all ihre Hoffnung auf Biden setzen. Von ihm wird in Ramallah erwartet, dass er ähnlich entgegenkommend agiert wie einst Barack Obama. Der hatte immer wieder von Netanjahu Kompromissbereitschaft eingefordert und damit Israels Premier in Rage gebracht.

Doch an den von Trump geschaffenen Tatsachen wird Biden kaum etwas ändern können. Der Nahostkonflikt ist längst im Status quo festgefroren. Mit dem kann Israel gut leben: Verhandeln? Mit wem und vor allem wozu? Die Palästinenser werden das Rad kaum zurückdrehen können – egal, wer im Weißen Haus regiert.

Und wenn Trump es erneut ins Amt schafft? Dann bliebe den Palästinensern nur noch eines, sagte jüngst deren Regierungschef Mohamed Shtayyeh: Gott steh uns bei.

Regionale Konflikte

Eine der wichtigsten Fragen für Freunde und Gegner der USA um Nahen Osten lautet, ob Amerikas Rückzug aus der Region nach einem möglichen Sieg von Biden weitergehen wird. Trump hat seinen Wählern versprochen, US-Soldaten aus Ländern wie Syrien und Afghanistan zurückzuziehen.

Kritiker werfen ihm vor, damit ein Vakuum zu schaffen, das von Akteuren wie Russland, der Türkei oder China gefüllt werden könnte – zum langfristigen Schaden der USA und ihrer Partner in der Region.

Vom Rückzug der USA aus Syrien profitiert Machthaber Baschar al Assad.
Vom Rückzug der USA aus Syrien profitiert Machthaber Baschar al Assad.
© AFP

Eine aktivere US-Politik in Syrien, Libyen oder im Streit zwischen der Türkei und ihren Nachbarn im östlichen Mittelmeer unter Biden könnte deshalb dazu beitragen, den Einfluss von Russland zurückzudrängen und der ganzen Region mehr Stabilität zu verleihen, sagen die Befürworter eines Kurswechsels.

„Die USA müssen eine Führungsrolle bei regionalen Themen übernehmen“, forderte Alan Makovsky, ein früherer Nahost-Spezialist im amerikanischen Außenamt, jüngst bei einer Online-Konferenz der US-Denkfabrik Pomed. 

Die Menschenrechte

Makovsky ist zudem der Auffassung, dass die USA das Thema Menschenrechte wieder mehr ins Zentrum ihrer Nahost-Politik rücken sollten. Trump hat in den vergangenen Jahren mehrfach bewiesen, dass ihm andere Dinge wichtiger sind.

So hielt er nach dem Mord an dem saudischen Dissidenten Jamal Khashoggi vor zwei Jahren seine schützende Hand über den mutmaßlichen Drahtzieher der Gewalttat, den saudischen Thronfolger Mohammed bin Salman. Amerikanische Waffenlieferungen an die Golfmonarchie gingen trotz der vielen zivilen Opfer des Krieges in Jemen weiter.

Millionen Menschen im Jemen leiden Not - vor allem Babys und Kinder.
Millionen Menschen im Jemen leiden Not - vor allem Babys und Kinder.
© Essa Ahmed/AFP

Biden will das nach einem Wahlsieg ändern. Als Präsident werde er die Beziehungen der USA zu Saudi-Arabien auf den Prüfstand stellen, kündigte er am zweiten Jahrestag des Khashoggi-Mordes Anfang des Monats an. Auch die US-Waffenlieferungen für den Krieg im Jemen will er stoppen.

Für Kronprinz Mohammed bin Salman, Saudi-Arabiens De-Facto-Herscher, hätte ein Sieg Bidens deshalb einschneidende Folgen, schreibt der Journalist Anthony Harwood in der britischen Online-Zeitung „The Independent“: Zum ersten Mal müsste der 34-jährige Prinz, der nach seinen Initialen häufig MBS genannt wird, „ohne bedingungslose Unterstützung aus dem Weißen Haus“ zurechtkommen.

Schwerttanz mit dem Verbündeten - 2017 besuchte Trump Saudi-Arabiens König Salman (2.v.l.)
Schwerttanz mit dem Verbündeten - 2017 besuchte Trump Saudi-Arabiens König Salman (2.v.l.)
© Jonathan Ernst/Reuters

Persönliche Beziehungen

Harwoods Einschätzung rührt an einen weiteren wichtigen Punkt, bei dem es nach der Wahl Veränderungen geben könnte. In Trumps Außenpolitik sind persönliche Beziehungen des US-Präsidenten oft wichtiger als Institutionen und Fachleute.

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Im Nahen Osten zeigt sich das unter anderem im engen Verhältnis zwischen Trumps Schwiegersohn Jared Kushner und MBS. Politiker wie Netanjahu oder der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan nutzen den direkten Draht zum Präsidenten. Je härter und schlimmer ausländische Staatslenker seien, desto besser komme er mit ihnen zurecht, sagte Trump laut dem Journalisten Bob Woodward mit Blick auf Erdogan.

Von Biden wird eine Rückkehr zu einer konventionelleren Außenpolitik erwartet. Die Fachministerien in Washington und Gremien wie der Nationale Sicherheitsrat würden damit wieder mehr Einfluss auf die Nahost-Politik der Supermacht erhalten. Machthaber wie MBS oder Erdogan hätten es dann wesentlich schwerer als bisher, die amerikanische Haltung in ihrem Sinne zu beeinflussen.

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