Streit zwischen der Türkei und arabischen Staaten: Boykottaufruf gegen Erdogan
In der arabischen Welt wird der Widerstand gegen Erdogans Machtstreben immer größer. Die Türkei ist zunehmend isoliert.
Die Türkei bringt mit ihrer aggressiven Außenpolitik nicht nur Europa gegen sich auf – auch in der arabischen Welt schlägt Ankara jetzt Gegenwind entgegen. Der Chef der saudischen Handelskammer, Ajlan al Ajlan, rief kürzlich zu einem Boykott der Türkei auf - „ob es nun um Investitionen, Importe oder Tourismus geht“.
Große Supermarkt-Ketten in Saudi-Arabien folgen Ajlans Appell und streichen türkische Waren aus ihrem Sortiment. Auch auf politischer Ebene wächst der Widerstand gegen die türkische Politik, die von führenden Nahost-Staaten als Einmischung in ihre Region abgelehnt wird.
Ankara spielt zwar die Reaktion der Araber herunter. Das ändert aber nichts daran, dass die Türkei in der Region weitgehend isoliert ist.
Präsident Recep Tayyip Erdogan sieht sein Land als Regionalmacht, deren Interessen weit über die eigenen Grenzen hinausreichen. Türkische Truppen sind in vier Regionen im Norden Syriens stationiert und kämpfen im Norden Iraks gegen kurdische Extremisten.
Erdogan beruft sich auf das Erbe des Osmanischen Reichs
Erdogan begründet einige außenpolitische Initiativen im Nahen Osten, wie etwa die Intervention im Libyen-Krieg, mit dem Hinweis auf das Erbe des Osmanischen Reiches, das die Region jahrhundertelang beherrschte.
Über die Golfstaaten, die erst nach dem Ersten Weltkrieg entstanden, äußerte sich Erdogan verächtlich: „Man sollte nicht vergessen, dass es diese Länder gestern noch nicht gab und dass es sie morgen wahrscheinlich nicht mehr geben wird“, sagte er Anfang des Monats.
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Einige arabische Politiker befürchten, dass die Türkei nach einer neo-osmanischen Vormachtrolle strebt. Sie haben es der Führung in Ankara auch nicht verziehen, dass sie in den Aufständen des Arabischen Frühlings vor neun Jahren die islamistische Muslim-Bruderschaft unterstützte, die in manchen Ländern als Terrororganisation verfolgt wird.
Erdogans Anspruch, für die Muslime in aller Welt zu sprechen, verärgert die traditionelle islamische Führungsmacht Saudi-Arabien. Kronprinz Mohammed bin Salman zählt die Türkei mit dem Iran und islamistischen Extremisten zu einem „Dreieck des Bösen“.
Nach dem Mord an dem saudischen Dissidenten Jamal Khashoggi in Istanbul vor zwei Jahren stürzten die türkisch-saudischen Beziehungen noch tiefer in die Krise. Mit Israel, Ägypten und den Vereinigten Arabischen Emiraten liegt Ankara ebenfalls über Kreuz.
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Wie der saudische Boykottaufruf zeigt, verstärken die Gegner der Türkei im Nahen Osten jetzt ihren Widerstand gegen Ankara.
Türkische Exporteure wurden Medienberichten zufolge von ihren saudischen Geschäftspartnern darüber informiert, dass deren Waren im Königreich nicht mehr erwünscht seien.
Mithat Yenigün, Vorsitzender des Bauunternehmer-Verbandes, sagte der Zeitung „Sözcü“, türkische Baufirmen erhielten in Saudi-Arabien und den Emiraten kaum noch Aufträge. Der Rückgang geht demnach weit über den Effekt der Pandemie hinaus.
Der wirtschaftliche Schaden für die Türkei hält sich aber in Grenzen, weil die meisten Exporte des Landes nach Europa und in die USA gehen; unter den zehn größten Abnehmern türkischer Ausfuhren waren im vergangenen Jahr nur zwei Nahost-Staaten.
Die Arabische Liga soll sich mit den türkischen Einmischungen beschäftigen
„Lächerlich“ seien die arabischen Boykottaufrufe gegen die Türkei, sagte denn auch Numan Kurtulmus, ein Vizechef von Erdogans Regierungspartei AKP. Politisch ist die anti-türkische Stimmung im Nahen Osten für Ankara jedoch bedenklich.
Auf Vorschlag Ägyptens richtete die Arabische Liga vor Kurzem einen Ausschuss ein, der sich mit den „türkischen Einmischungen in arabische Angelegenheiten“ befassen soll.
Zusammen mit Saudi-Arabien und den Emiraten wendet sich Ägypten auch gegen die türkische Truppenpräsenz in Syrien. Staatschef Baschar al Assad könnte so zum Nutznießer der anti-türkischen Bewegung werden.
Erdogan-Erzfeind Assad, der wegen des Kriegs in seinem Land bis vor Kurzem ein Pariah im Nahen Osten war, knüpft seit einiger Zeit neue Kontakte mit benachbarten Staaten.
Anfang des Monats schickte Oman als erster Golfstaat seit 2012 wieder einen Botschafter nach Damaskus; die Emirate hatten ihre Botschaft in Syrien bereits vor zwei Jahren unter Leitung eines Geschäftsträgers wieder geöffnet.
Selbst der türkische Partner Katar streckt die Fühler nach Syrien aus. Für die Türkei wird es einsam in der Region.