Seit fünf Jahren unterstützt Putin Assad: Welche Folgen Russlands Eingreifen in den Syrienkrieg hatte
Vor fünf Jahren schickte Moskau Kampfjets nach Syrien. Heute gibt der Kreml im Nahen Osten oft die Richtung vor – doch Putin hat nicht alle Ziele erreicht.
Als russische Kampfpiloten vor fünf Jahren ihre ersten Einsätze in Syrien flogen, wurde gleich am ersten Tag deutlich, dass Moskau ganz andere Prioritäten hatte als der Westen. Nur wenige der 20 Luftangriffe am 30. September 2015 zielten auf Stellungen der Terrormiliz „Islamischer Staat“, die damals von den USA und anderen westlichen Staaten aus der Luft bekämpft wurde. Die Raketen und Bomben trafen vor allem syrische Oppositionsgruppen, die Präsident Baschar al Assad stürzen wollten.
Moskaus Militärintervention rettete den syrischen Präsidenten vor der sicheren Niederlage im Krieg, veränderte die Gleichgewichte in der Region und markierte die Rückkehr Russlands in den Nahen Osten.
Die Intervention
Russland greift vor allem mit Kampfflugzeugen und Hubschraubern in die Gefechte in Syrien ein und stützt sich auf die Luftwaffenbasis Hmeimin bei Latakia am Mittelmeer und die Marinebasis im syrischen Tartus, den einzigen russischen Flottenstützpunkt im Mittelmeer. Beide Basen werden für eine langfristige Nutzung ausgebaut. Moskau setzt außerdem Hunderte Militärpolizisten sowie Militärberater ein.
Reguläre Bodentruppen bietet Russland dagegen kaum auf, allerdings kämpfen in Syrien russische Söldner. Im Februar 2018 sterben mehr als ein Dutzend von ihnen bei einem US-Luftangriff östlich des Euphrat. Der biblische Strom bildet eine Trennungslinie zwischen Russland und den Vereinigten Staaten: Westlich des Euphrat hat Russland die Lufthoheit, östlich davon die USA.
Moskaus Motive
Dass Moskau 2015 nach jahrzehntelanger Abwesenheit im Nahen Osten nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion in die Region zurückkehrt, hängt zum einen mit dem Ziel zusammen, eine Heimkehr russischer Extremisten aus Syrien nach Russland zu verhindern. Darüber hinaus nutzt Kremlchef Wladimir Putin das Desinteresse der USA, die ihr Engagement in der Region nach dem desaströsen Irak-Krieg deutlich reduzieren.
Durch das Engagement in Syrien kann Russland auch aus der internationalen Isolation nach dem Krieg in der Ukraine ausbrechen: Putin baut eine enge Zusammenarbeit mit der Türkei und dem Iran auf. Die Führung in Moskau sieht die Staaten des Nahen Ostens zudem als Abnehmer von Waffen und Atomtechnologie.
Syriens Leid
In der ersten Phase des Bürgerkrieges ab 2011 wurde die syrische Armee von Assads Gegnern in die Defensive gedrängt und kontrollierte bei Beginn der russischen Intervention nur noch etwa 25 Prozent des Staatsgebietes. Doch das Eingreifen Russlands vor fünf Jahren veränderte die militärische Lage von Grund auf. Dank Moskaus tatkräftiger Unterstützung gehören heute 70 Prozent des Gebietes wieder zu Assads Machtbereich.
Mit Idlib ist heute nur noch eine – von Islamisten beherrschte – Provinz in den Händen der Aufständischen. Beobachter sind sich aber sicher, dass es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis auch diese Region vom Regime zurückerobert wird. Assad hat nie einen Zweifel daran gelassen, dass er ganz Syrien als sein Herrschaftsgebiet betrachtet. Um dieses Ziel zu erreichen, schreckt er nicht davor zurück, Kriegsverbrechen zu begehen. Dies hat dazu geführt, dass Abertausende ums Leben gekommen sind. Millionen Menschen sind vertrieben worden. Das Land ist in weiten Teilen zerstört.
Umso härter trifft Syrien die Corona-Pandemie. Das Gesundheitssystem ist nicht in der Lage, auf die Ausbreitung des Virus zu reagieren – es existiert kaum noch. Krankenhäuser, sofern überhaupt vorhanden, können Covid-19-Patienten oft weder aufnehmen noch behandeln, heißt es bei den Vereinten Nationen. Hinzu kommt die wirtschaftliche Not. Die Preise für Lebensmittel und Treibstoff haben ein Rekordniveau erreicht. Mehr als 80 Prozent der Syrer leben unter der Armutsgrenze.
Machtfaktor im Nahen Osten
Fünf Jahre nach Beginn der Intervention steht fest, dass es ohne Russland keine Lösung im Syrienkonflikt geben wird. Putin arbeitet eng mit dem türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan zusammen und kann damit die Abkehr des Nato-Mitglieds von seiner traditionellen Westbindung beschleunigen.
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Zudem verbessert Russland seit 2015 seine Beziehungen zu Israel und Ägypten. Für Spitzenpolitiker aus Nahost ist Putin längst ein gefragter Gesprächspartner. So besuchte im Oktober 2017 König Salman als erster Monarch Saudi-Arabiens die russische Hauptstadt. Inzwischen versucht der Kreml, seinen Einfluss auch in Libyen auszuweiten.
Putins Strategie
Allerdings ist Russland nicht stark genug, um die USA vollständig als Nahostmacht zu verdrängen. So kann Moskau die Kosten für den Wiederaufbau Syriens, die auf mindestens 250 Milliarden Dollar geschätzt werden, nicht alleine schultern. Militärisch bleiben die USA mit ihren Marine- und Luftwaffenstützpunkten in der Türkei und am Golf und ihren Zehntausenden Soldaten in der Region bis auf Weiteres wesentlich stärker als Russland.
Deshalb ist es offen, ob Moskau die politischen Gewinne der vergangenen Jahre in eine dauerhafte Nahost-Strategie umwandeln kann. Möglicherweise wird Putin darauf angewiesen bleiben, Gelegenheiten zu nutzen, „die durch regionale Staaten oder durch Fehler des Westens entstehen“, wie die Nahost-Expertin Becca Wasser von der US-Denkfabrik Rand schreibt.