zum Hauptinhalt
US-Präsident Donald Trump
© Jonathan Ernst/REUTERS

Iran-Politik stürzt UN-Sicherheitsrat in die Krise: Trump schnappt gegen den Iran – weil er zu Hause mit dem Rücken zur Wand steht

Donald Trump will den „Snapback“-Mechanismus aktivieren und zu allen UN-Sanktionen gegen Iran zurückkehren. Dann wäre das Atomabkommen erledigt. Eine Analyse.

Donald Trump ist im Wahlkampf. Er kann sich keine Blöße geben, darf keine Schwäche zeigen. Auch deshalb wird der Konflikt zwischen seiner Regierung auf der einen Seite und Russland, China, der EU und der Mehrheit des UN-Sicherheitsrates auf der anderen Seite über das Schicksal des Atomabkommens mit dem Iran höchstwahrscheinlich eskalieren.

Der US-Präsident steht mit dem Rücken zur Wand. Das macht die Sache in den kommenden Tagen brisant, ja explosiv.

Trump will das internationale Atomabkommen, aus dem die USA im Mai 2018 einseitig ausgestiegen waren, möglichst vor der Präsidentschaftswahl am 3. November unwiderruflich zum Scheitern bringen. In der vergangenen Woche wurde eine Resolution der USA zur zeitlich unbegrenzten Verlängerung des UN-Waffenembargos, das im Oktober laut Atomabkommen ausläuft, im UN-Sicherheitsrat abgelehnt. Nur ein Land, die Dominikanische Republik, stimmte mit den USA für die Resolution.

[Mit dem Newsletter „Twenty/Twenty“ begleiten unsere US-Experten Sie jeden Donnerstag auf dem Weg zur Präsidentschaftswahl. Hier geht es zur kostenlosen Anmeldung: tagesspiegel.de/twentytwenty.]

Auf diplomatischer Ebene ist die US-Regierung mit ihrer Iran-Politik ziemlich isoliert. Außerdem sind die erhofften Erfolge, die man sich von der Aufkündigung des Atomabkommens – dem „Joint Comprehensive Plan of Actions“ (JCPOA) - versprochen hatte, ausgeblieben. Weder wurde das Regime in Teheran in die Knie gezwungen, noch konnte ein neues, besseres Abkommen ausgehandelt werden. Stattdessen wurde die internationale Koalition gesprengt, die das Abkommen nach zehn Verhandlungsjahren abgeschlossen hatte.

Pompeo droht mit Konsequenzen

Vor diesem Hintergrund beantragte US-Außenminister Mike Pompeo am Donnerstag beim UN-Sicherheitsrat, einen Mechanismus zur Wiedereinsetzung aller UN-Sanktionen gegen den Iran zu aktivieren. Außerdem drohte er allen Ländern indirekt mit Konsequenzen, die dies versuchen sollten zu verhindern.

Die Grundlage des sogenannten „Snapback“-Mechanismus (Zurückschnappen) sei laut Pompeo, dass der Iran seine Verpflichtungen aus dem Atomabkommen nicht erfülle. Der US-Außenminister spricht von „bedeutenden Verstößen“. Er beruft sich auf die UN-Resolution 2231, die das Abkommen völkerrechtlich in Kraft treten ließ. Eine Klausel darin ermöglicht es allen Unterzeichnerstaaten, auf iranische Regelverstöße mit der Forderung nach einer Wiedereinsetzung aller UN-Sanktionen zu reagieren.

Die Frist dafür beträgt 30 Tage. Kein anderes Mitglied darf dies mit einem Veto verhindern. Der JCPOA hingegen sieht im Konfliktfall Phasen des Dialogs vor, bevor der UN-Sicherheitsrat eingeschaltet wird.

Mike Pompeo, Außenminister der USA, am Donnerstag nach einem Treffen mit Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates.
Mike Pompeo, Außenminister der USA, am Donnerstag nach einem Treffen mit Mitgliedern des UN-Sicherheitsrates.
© Mike Segar/Pool Reuters/AP/dpa

Die Außenminister von Deutschland, Frankreich und Großbritannien erklärten umgehend, die USA seien zur Auslösung des „Snapback“-Mechanismus nicht befugt, weil sie kein „Mitglied“ oder „Teilnehmer“ (participant) des Atomabkommens mehr seien. Der Schritt der USA sei „unvereinbar mit unseren aktuellen Bemühungen“ um das Iran-Abkommen und könne „nicht unterstützt“ werden. Russland und China sehen das ähnlich.

Ein heillos zerstrittener UN-Sicherheitsrat

In Absatz 10 der UN-Resolution 2231 werden als „Teilnehmer“ allerdings sämtliche Unterzeichner des Abkommens genannt. Deshalb behauptet die US-Regierung, trotz der Aufkündigung des Abkommens weiter ein „Teilnehmerstaat“ zu sein. Völkerrechtlich verbindlich klären ließe sich das nur durch eine weitere UN-Resolution, gegen die Washington aber stets ein Veto einlegen könnte.

Deutschland, Frankreich und Großbritannien eint das Ziel, am Atomabkommen bis zur US-Wahl festzuhalten. „Die aktuelle Problematik der systematischen Verstöße Irans gegen seine Verpflichtungen“, schreiben die drei Außenminister in ihrer Erklärung, sollten „im Wege eines Dialogs“ gelöst werden. Der Iran werde „dringend“ dazu aufgerufen, „alle Maßnahmen zurückzunehmen, die mit seinen atomaren Verpflichtungen unvereinbar sind“.

Wie der UN-Sicherheitsrat auf den Antrag der US-Regierung zur Aktivierung des „Snapback“-Mechanismus reagiert, ist offen. Den Vorsitz inne hat derzeit Indonesien. Es ist durchaus möglich, dass der Antrag zunächst unter Verweis auf die divergierenden rechtlichen Positionen ignoriert wird. Russland hat bereits angekündigt, das US-Vorgehen anzufechten.

Die chinesische Regierung prüft Verfahrensanträge, um die Einleitung eines „Snapbacks“ zumindest in die Länge zu ziehen. Das will die US-Regierung verhindern und erhöht den Druck. „Als die US-Sanktionen verletzt wurden, haben wir sie durchgesetzt“, sagte Pompeo in New York. „Wenn die UN-Sanktionen verletzt werden, werden wir alles tun, um auch sie durchzusetzen.“ Das klang nicht nur wie eine Drohung, es war auch eine.

Zunehmende Spannungen in der Region

Die Zeitschrift „Foreign Policy“ skizzierte am Dienstag in einem Essay drei Gruppen innerhalb der „messy scene“ im heillos zerstrittenen UN-Sicherheitsrat. Da sind zum einen die USA und jene Staaten, die der US-Regierung aufgrund des von ihr ausgeübten Drucks folgen. Die zweite Gruppe wird angeführt von China und Russland. Deren Mitglieder bestehen darauf, dass das UN-Waffenembargo im Oktober ausläuft. Außerdem werden sie alle „Snapback“-Anstrengungen blockieren.

Die dritte Gruppe besteht aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Deren vorrangiges Interesse ist es, das Atomabkommen in seiner Substanz zu erhalten. Sie plädieren für ein UN-Waffenembargo für besonders offensive Waffengattungen, ignorieren nicht die Gefahren, die von dem aggressiven und expansiven Regime in Teheran ausgeht. Dieser Position, so heißt es in dem Essay weiter, könnten sich Indien, Südkorea und Japan anschließen.

Der nächste Kollateralschaden der amerikanischen Iran-Politik dürfte neben einem transatlantischen Zerwürfnis und den zunehmenden Spannungen in der Region die Blockade des UN-Sicherheitsrates sein. Die Trump-Getreuen werden dies als weiteren Beweis für die Unfähigkeit und ideologische Verbohrtheit internationaler Organisationen werten.

Sollte der „Snapback“-Mechanismus tatsächlich greifen und die UN-Sanktionen wiedereingesetzt werden, wäre das Atomabkommen mit dem Iran endgültig erledigt. Für diesen Fall hat Teheran bereits seinerseits den vollständigen Rückzug aus dem Abkommen angekündigt.

Zur Startseite