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Lima, Plaza de Armas.
© Christian Córdova/Wikipedia

Habitat-Konferenz zur Zukunft der Städte: Was Städte bewegt

Eine Antwort auf viele Probleme muss die Habitat-Konferenz der Vereinten Nationen im Oktober finden. Beispiele aus Lima, Chongqing, Kopenhagen, Melbourne und Lagos

Lima: Keine Gletscher, kein Wasser

Perus Hauptstadt ist eine quirlige Metropole mit neun Millionen Einwohnern. Der Blick auf den tiefblauen Pazifik und die gepflegten Parks lassen einen vergessen, dass man sich eigentlich mitten in der Wüste befindet. Doch eine Fahrt in die staubtrockenen Vorstädte, wo die Straßen zu Sandpisten werden und kein Baum Schatten spendet, führt rasch die Gefahr eines drohenden Umweltkollapses vor Augen. Seine Ursachen liegen mehrere hundert Kilometer entfernt, im Herz der Anden. Die Bergkette ist seit Jahrtausenden die Wiege der peruanischen Kultur – und des Wassers. Lebenselixier nicht nur für die Küstenbewohner, sondern auch für die Landwirte, die seit den Inkas in den Anden einen Großteil der heimischen Nahrungsmittel anbauen.

Der Klimawandel schwebt wie ein Damoklesschwert über diesem System, wie Alejo Cochachi warnt, Koordinator der Gletscher-Einheit der nationalen Wasserbehörde. „Wir werden in den nächsten Jahrzehnten 87 Prozent unserer Gletscher verlieren.“ Das bedroht die Trinkwasserversorgung von ganz Südperu, einschließlich Lima. Schon jetzt wird jeder zehnte Einwohner aus Zisternenwagen versorgt. Nicht nur schrumpfende Reservoirs sind ein Problem, knapp 40 Prozent des Wassers gehen durch illegale Entnahme und undichte Leitungen verloren. Die Hauptstädter konsumieren jedoch sorglos weiter, rund 251 Liter pro Kopf und Tag und damit doppelt so viel wie ein Bundesbürger.

Um wenigstens einen Schutzwall gegen die bedrohlichen Schmelzwasserseen unterhalb der Gletscher bauen zu können, hat ein peruanischer Bergführer den deutschen Energiekonzern RWE verklagt. Das Unternehmen sei schließlich für einen Teil der Erderwärmung verantwortlich und solle deshalb auch einen Teil des Damms bezahlen.

Chongqing: Smog und Training

Seilbahnen in Chongqing.
Seilbahnen in Chongqing.
© Issei Kato/Reuters

Chongqing ist eine der Millionenstädte Chinas, deren Namen in Europa kaum jemand kennt. Die offiziellen Stadtgrenzen umfassen ein Gebiet so groß wie Österreich – so kommt die Region auf über 30 Millionen Einwohner. Das Wachstum der Stadt wurde durch den Bau des Dreischluchtenstaudamms am Jangste begünstigt, an dessen oberen Ende Chongqing liegt. Auch große Containerschiffe können die Stadt nun erreichen.

Wie in vielen anderen Regionen Chinas leiden die Bewohner unter einer hohen Luftverschmutzung. Das Problem wird durch die Lage Chonqings zwischen mehreren Bergen verstärkt. Um die Höhenunterschiede in der hügeligen Stadt zu überwinden, fahren im öffentlichen Nahverkehr Seilbahnen.

In Chongqing stand das bekannteste Nagelhaus Chinas. So werden Häuser genannt, deren Besitzer sich weigern, ihr Gebäude für einen Neubau zu räumen – wie ein störrischer Nagel, den man nicht einschlagen kann. Den Bauboom haben nur wenige alte Gebäude überlebt, der Verlust von kultureller Identität ist hoch. Auf der Suche nach einem besseren Leben ziehen aber immer noch viele Bauern in die Stadt. Durch die Eingemeindung der Umgebung haben sie jetzt das Recht, in Chongqing zu wohnen. Um die Menschen zu integrieren, hat die Stadt ein Trainingsprogramm entwickelt. In einem UN-Bericht, der die Anstrengungen für die Lebensqualität der Bewohner vergleicht, schneidet Chongqing deshalb gut ab.

Kopenhagen: Vorbildlich kohlenstofffrei

Am Wasser in Kopenhagen.
Am Wasser in Kopenhagen.
© Lars Halbauer/dpa

Kopenhagen will schon im Jahr 2025 die erste kohlenstoffneutrale Hauptstadt der Welt sein. Es sollen also nicht mehr Emissionen entstehen, als die Stadt etwa in den Grünanlagen binden kann. Das ehrgeizige Ziel rief die Stadt aus, nachdem die Weltklimakonferenz 2009 in Kopenhagen scheiterte. Vom Klimawandel wird die Stadt durch den steigenden Meeresspiegel und häufigere Starkregenereignisse betroffen sein.

Erreichen will Kopenhagen sein ehrgeiziges Ziel unter anderem durch umweltfreundlichen Verkehr. Das Radwegenetz wuchs auf eine Länge von 400 Kilometern, im Winter werden die Radwege noch vor den Straßen von Schnee geräumt. Noch mehr grüne Wellen für Fahrradfahrer sollen deren Reisegeschwindigkeit verbessern. Um den Energieverbrauch im Gebäudebereich zu senken, investiert die Stadt außerdem in die energetische Sanierung.

Gleichzeitig unternimmt sie Anstrengungen, für die Bürger lebenswerter zu werden. So gibt es seit einigen Jahren mehrere Freibäder im Hafen. Das Wasser ist sauber genug zum Baden, weil Kopenhagen in neue Abwasserkanäle für Starkregen investiert hat. Früher hatten die Kanäle nicht genug Volumen, um große Regenmengen aufzunehmen. In den Hafen ergoss sich dann eine schmutzige Brühe. Nun können die Abwässer in Reservoirs und Rohrleitungen gespeichert werden, bis in der Kanalisation wieder Platz ist.

Melbourne: Ein kühles Dach aus Blättern

Die Skyline von Melbourne.
Die Skyline von Melbourne.
© imago/Manngold

Die Stadt Melbourne an der Südspitze Australiens sieht sich angesichts des Klimawandels vor großen Herausforderungen. Um die Folgen der Erderwärmung möglichst gering zu halten, setzt die Stadt auf Begrünung und hat eine Strategie entwickelt, um Melbourne mit einem Blätterdach vor Hitze zu schützen. „Noch sind wir keine besonders grüne Stadt und haben noch einen langen Weg zu gehen“, sagte Ratsmitglied Arron Wood im Dezember bei der Klimakonferenz in Paris.

Das Blätterdach soll im Jahr 2040 rund 40 Prozent der Stadt bedecken, während es heute erst 22 Prozent sind. Viel mehr verschiedene Bäume als heute sollen in Zukunft in Melbourne wachsen und dafür sorgen, dass der Boden mehr Feuchtigkeit halten kann. Das ist sinnvoll, weil Starkregen auch in der australischen Hafenstadt zunehmen wird.

Um sich über die besten Strategien auszutauschen, ist Melbourne Mitglied im Netzwerk der 100 Resilient Cities. Es entstand 2013 auf Initiative der Rockefeller Foundation. Das Netzwerk will Städten helfen, die materiellen, sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen des 21.Jahrhunderts zu bewältigen. „Wir teilen dieselben Werte, legen uns gegenseitig unsere Bücher offen und tauschen uns über die besten Ideen aus“, sagt Wood. Im Rahmen des Netzwerks gibt es ein Projekt zur Datenanalyse, das der Stadt bessere Entscheidungen zu Maßnahmen gegen Wetterextreme ermöglichen soll.

Lagos: Verlassen von der Regierung

Menschen stehen Schlange für einen Platz im Bus im Stadtteil Obalende in Lagos.
Menschen stehen Schlange für einen Platz im Bus im Stadtteil Obalende in Lagos.
© Akintunde Akinleye/Reuters

Lagos ist mit rund 20 Millionen Einwohnern die größte Stadt Afrikas. Sie galt als unregierbar, als Vorhölle, als Kloakenstadt. Der ständige Stau war nur eines ihrer vielen Probleme.

Die Ursachen liegen in den 80er Jahren, als die damalige Militärregierung die Retortenstadt Abuja in der Mitte des Landes zur Hauptstadt erkor. Lagos blieb das wirtschaftliche und kulturelle Zentrum, muss seine Einnahmen aber zum allergrößten Teil an die Zentralregierung abführen. Ein Schicksal, das Lagos mit vielen anderen schnell wachsenden Städten der Entwicklungs- und Schwellenländer teilt.

Infrastrukturell wurde die Stadt am Golf von Guinea von der Regierung vernachlässigt. Inzwischen steuern demokratisch gewählte Gouverneure gegen, haben erfolgreich Investoren angezogen und die Infrastruktur verbessert. Seit 2008 gibt es ein neues Schnellbussystem, für das sogar Busspuren eingerichtet wurden. Jetzt ist ein großes, privat finanziertes Projekt auf dem Weg: Eko Atlantic wird vor der Stadt als schickes neues Viertel auf einer erweiterten Insel gebaut.

Gegenmodell zu solchen Megaprojekte ist eine schwimmende Schule im Slum Makoko. Zunächst wurde sie gegen den Widerstand der lokalen Behörden durchgesetzt. Initiativen vor Ort haben nun einen eigenen Entwicklungsplan für das Viertel vorgelegt, ein bisher seltener Ansatz der Zivilgesellschaft.

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