zum Hauptinhalt
Der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte (links) und sein Kontrahent Geert Wilders am Montag beim TV-Duell.
© Phil Nijhuis/HH Pool/AP/dpa

Wahl in den Niederlanden: Warum Rutte der Favorit ist - nicht Wilders

An diesem Mittwoch wählen die Niederlande ein neues Parlament. Die Krawallnacht von Rotterdam und die klare Haltung des Ministerpräsidenten könnten seine VVD zur stärksten Kraft machen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Rolf Brockschmidt

Rotterdam ist von den Nazis in Grund und Boden bombardiert worden. Auf dem Platz, der daran erinnert, eskalierte jetzt die Gewalt. Wie infam ist es da von türkischer Seite, die Niederlande in die Nähe der Nazis zu rücken. Und wie bezeichnend auf der anderen Seite, dass es ein Muslim mit marokkanischen Wurzeln ist, der solche Vorwürfe zurückweist, Rotterdams Bürgermeister Ahmed Aboutaleb.

Die Krawalle vom Wochenende haben damit auch die schicksalhafte Verbindung zwischen den Niederlanden und Deutschland noch einmal verdeutlicht. Bis 1969 hatte sich kein deutscher Politiker getraut, in Rotterdam an die Gräueltaten der Nazis zu erinnern, Bundespräsident Gustav Heinemann war der erste. Jetzt erklärt die Bundesregierung solidarisch, dass die Verunglimpfung „eines unserer engsten Partner und Freunde“ mit Nazivergleichen aufhören müsse.

Nicht nur das Verhältnis der beiden Nachbarländer ist empfindlich berührt worden, es schaut auch ein besorgtes Europa auf die Niederlande, die an diesem Mittwoch ein neues Parlament wählen. Die Niederlande galten als Hort der Liberalität – nun hadern sie mit sich selbst, scheinen ihren Kompass in einer globalisierten und privatisierten Managementkultur verloren zu haben. Zunehmend zweifeln sie an ihrer eigenen Identität, zumal sich viele Türken – wie Rotterdam gezeigt hat – offensichtlich hier nicht zu Hause fühlen. Das belegt auch das Entstehen der neuen Migrantenpartei DENK, die, befeuert durch die Konflikte, vielleicht ein paar Sitze mehr gewinnen wird.

Rotterdams Bürgermeister Ahmed Aboutaleb (hier 2016 beim CHIO Reitturnier in Rotterdam), Sozialdemokrat marokkanischer Herkunft, hat mit seiner Entscheidung am vergangenen Samstag Haltung bewiesen.
Rotterdams Bürgermeister Ahmed Aboutaleb (hier 2016 beim CHIO Reitturnier in Rotterdam), Sozialdemokrat marokkanischer Herkunft, hat mit seiner Entscheidung am vergangenen Samstag Haltung bewiesen.
© Robin Utrecht/ANP/dpa

Das Wochenende könnte ohnehin noch einiges bewegt haben. Vorher schien es, als könnte der lange führende Geert Wilders als stärkste Partei den Auftrag zur Regierungsbildung bekommen, mit gerade einmal 17 Prozent. Das ist keine Zahl, mit der man Wahlen entscheidet. Doch Ministerpräsident Mark Rutte dürfte ihn mit seiner rechtsliberalen VVD noch besiegen. Schon vor der Krawallnacht hatten ihm Umfragen einen Zuwachs von zwei Sitzen und damit die Spitzenposition bestätigt, unter anderem durch seine umstrittene Zeitungskampagne. Die sollte klarmachen: Wem es hier nicht gefällt, der kann ja gehen.

Die Nacht von Rotterdam hat Rutte in die Hände gespielt. Mit seiner klaren und kompromisslosen Haltung hat er bis auf die Piratenpartei Zustimmung von allen Parteien bekommen. Er hat Führung gezeigt, auf die das Land gewartet hatte, er hat Orientierung geboten. Ob das diplomatisch klug war, steht auf einem anderen Blatt. Aber er hat vielen Menschen aus der Seele gesprochen – das wird sich in Stimmen auszahlen.

Es ist eine für Niederländer ungewöhnliche Formel, mit der Rutte punktet: „Wir sind auch ein stolzes Land.“ Das trifft einen Nerv und könnte auch Wilders auf Abstand halten. Dazu kommen die möglichen Folgen des Brexits und der unberechenbaren Politik Donald Trumps, den Wilders bewundert. Dass Wilders die Europäische Union aufgeben will, passt dann nicht mehr ins Bild. Wenn es um das Geld und den Wohlstand geht, verstehen die Niederländer keinen Spaß mehr. Welche Rolle sollte der Welthafen Rotterdam bei einem Nexit noch spielen? Das möchte man sich wirklich nicht vorstellen.

So würde ein Wahlsieger Rutte auch in beide Richtungen wirken: Die Niederlande soll er wieder einen. Und Europa neue Zuversicht geben.

Der Tagesspiegel kooperiert mit dem Umfrageinstitut Civey. Wenn Sie sich registrieren, tragen Sie zu besseren Ergebnissen bei. Mehr Informationen hier.

Zur Startseite