Ankaras Aufrüstungspläne: Warum die Türkei selbst Waffen entwickelt
Die türkische Führung setzt auf Militärgerät aus eigener Herstellung – Kampfdrohnen, Sturmgewehre und Schiffe dienen dem Machtausbau in der Region.
In der syrischen Provinz Idlib an der Grenze zur Türkei begann in diesem Frühjahr eine neue Ära in der Militärpolitik des Nahen Ostens. Zum ersten Mal setzte die Türkei dort moderne Kampfdrohnen gegen die Armee eines anderen Staates ein. Die unbemannten Fluggeräte zerstörten bei Gefechten gegen syrische Regierungstruppen viele Panzer und Artilleriestellungen.
Auch in Libyen kommen türkische Drohnen zum Einsatz. Die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan hat sie in das nordafrikanische Land geschickt, um der Einheitsregierung zu helfen, die von den Truppen des Rebellengenerals Chalifa Haftar angegriffen wird. Die Bayraktar TB2 sei international eine der besten Drohnen ihrer Klasse, urteilte die Fachzeitschrift „Israel Defense“.
Waffenlieferungen an Ankara sind im Westen umstritten
Auf den ersten Blick mag dies verwundern. Schließlich war die Türkei im Westen lange als ein Land bekannt, das zwar eine große Armee hat, in Rüstungsfragen aber größtenteils auf Importe angewiesen ist. Im Westen sind Waffenlieferungen an den Nato-Partner umstritten.
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Die Schwierigkeiten, moderne Rüstungsgüter aus dem Westen zu erhalten, sind ein wichtiger Grund dafür, dass sich die Türkei auf die Entwicklung eigener Waffen verlegt. In den vergangenen Jahren hat Ankara den Rüstungssektor systematisch ausgebaut. Heute führt das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri die Türkei auf Rang 14 der weltweit größten Rüstungsexporteure.
Hauptabnehmer türkischer Waffen sind Turkmenistan, Oman und Pakistan. Bis 2023, dem 100. Gründungsjubiläum der türkischen Republik, soll der Waffenexport von derzeit knapp drei Milliarden Dollar auf mehr als zehn Milliarden im Jahr steigen.
Türkische Waffen gehen kampferprobt an die Kunden. Die Entwicklung der Drohnen etwa verschaffte der Armee einen entscheidenden Vorteil im Konflikt mit der kurdischen Terrororganisation PKK. Früher konnten sich kleine Extremisten-Trupps beinahe unbehelligt in den unwegsamen Bergen Südostanatoliens bewegen, doch die Drohnen brachten die PKK in die Defensive.
„Der wichtigste Vorteil der Kampfdrohnen für die Türkei ist, dass die Technologie es den Militärs erlaubt, ein Konfliktgebiet zu überblicken und Ziele zu identifizieren“, sagt Ulrike Franke, Expertin für Kampfdrohnen an der Denkfabrik European Council on Foreign Relations in London.
Mindestens ebenso wichtig sind politische Überlegungen. Unter Erdogan betrachtet sich das Land als eigenständiger Akteur, der seine eigenen Interessen verfolgt – und dabei Krach mit Europa oder Amerika in Kauf nimmt. „Ohne wirksame militärische Abschreckung kann die Türkei ihr Ziel, eine Regionalmacht zu werden, nicht erreichen“, sagt Ali Cinar, Chef der pro-türkischen Denkfabrik Turkish Heritage Foundation in Washington.
Auch die türkische Marine hat große Pläne
Mit einer weiteren Stärkung ihrer Armee will die Türkei diesen Trend in den kommenden Jahren fortsetzen. Die Luftwaffe soll ein selbst entwickeltes Kampfflugzeug erhalten. Die Landstreitkräfte werden mit einem türkischen Sturmgewehr ausgerüstet, das die deutsche G3 ersetzen soll.
Auch die türkische Marine hat große Pläne. In den kommenden drei Jahren soll die Flotte von 112 Schiffen um 24 neue verstärkt werden. Darunter soll die „TCG Anadolu“ sein, der erste Hubschrauberträger der Türkei. Das Schiff, das kommendes Jahr fertig sein soll, wird neben Hubschraubern und Drohnen auch amphibische Landungsschiffe und Geschütze an Bord haben – und damit ein Instrument zur Machtprojektion im ganzen Mittelmeerraum sein.