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Hier wird um eine Lösung gerungen: Sachsen-Anhalts Staatskanzlei in Magdeburg.
© dpa

Neue Idee im 86-Cent-Konflikt: So will sich die CDU aus der AfD-Falle befreien

Kenia in Sachsen-Anhalt wackelt, die AfD wartet auf den Knall. Ministerpräsident Haseloff hat kaum noch Optionen - eine birgt Sprengkraft für die SPD.

Der aktuelle Werbe-Slogan Sachsen-Anhalts lautet: „Modern denken“. In dieser Region hätten über Jahrhunderte hinweg kluge Köpfe weltverändernde Ideen entwickelt. Von der Nebra-Himmelscheibe bis zur Bauhaus-Architektur. Ziemlich unorthodoxes Denken ist jetzt auch gefragt, wenn es um die Lösung der kniffligen Frage geht, wie der Streit um die Erhöhung des Rundfunkbeitrags gelöst, eine gemeinsame Abstimmung von CDU und AfD im Landtag gegen die Erhöhung um 89 Cent im Monat verhindert und die Kenia-Koalition von CDU, SPD und Grünen gerettet werden soll. Eine Sitzung jagt die nächste in Magdeburg, bevor es Mittwoch zum Showdown kommen und die AfD tatsächlich zum entscheidenden Faktor werden könnte. Ein Überblick über die möglichen Wege.

Variante 1: CDU und SPD

Lösungsvariante 1: Als „Option, die derzeit diskutiert wird“, bestätigt ein Mitglied des Medienausschusses folgende brisante Überlegung. Das 13-köpfige Gremium muss am Mittwoch ein Votum abgeben, wie sich der Landtag Mitte Dezember zu der Frage verhalten soll. Hier fällt also die Vorentscheidung. 5 Mitglieder stellt die CDU, die AfD 3, die Linke 2, ebenso die SPD 2 und eine Abgeordnete der Grünen. Wenn es dem händeringend nach einer Lösung suchenden Ministerpräsidenten Reiner Haseloff (CDU) gelingen sollte, die  beiden SPD-Abgeordneten zu gewinnen, gäbe es eine Mehrheit für folgende Variante: CDU und SPD votieren auf eine Absetzung der Abstimmung, der Landtag würde sich nicht damit befassen, also käme es nicht zu dem auch im Konrad-Adenauer-Haus gefürchteten Szenario, dass die AfD dem CDU-Ansinnen zur gemeinsamen Mehrheit verhilft, die Erhöhung zu stoppen.

Das Problem: Wird aus der CDU- eine SPD-Krise?

Der neue Rundfunkstaatsvertrag mit der Beitragserhöhung, die rund 1,5 Milliarden Euro über vier Jahre zusätzlich für ARD, ZDF und Deutschlandradio bringen soll, käme erst einmal nicht. Aber diese Gedankenspiele, dass die SPD der CDU aus ihrer Patsche helfen soll, bergen für die Sozialdemokraten Zündstoff - und passen nicht zur Rhetorik von SPD-Chef Norbert Walter-Borjans in Berlin, der mahnt, die CDU müsse in Sachsen-Anhalt ihre staatsbürgerliche Verantwortung ernst nehmen. Es gehe nicht um ein „landespolitisches Scharmützel“, sondern um die Rundfunkgebühren und die Absage an extremistische Kräfte.

Aber wenn nun plötzlich die SPD aus staatsbürgerlicher Verantwortung die Koalition rettet, der CDU eine gemeinsame Sache mit der AfD erspart und damit jedoch die Beitragserhöhung stoppt? Eine SPD-Ministerpräsidentin wie die Rheinland-Pfälzerin Malu Dreyer, die in Mainz den Sitz des ZDF hat, dürfte nicht amüsiert sein.

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Fahren nicht mehr in die gleiche Richtung: Ministerpräsident Reiner Haseloff und der rausgeworfene "Kronprinz", der bisherige Innenminister und CDU-Chef Holger Stahlknecht.
Fahren nicht mehr in die gleiche Richtung: Ministerpräsident Reiner Haseloff und der rausgeworfene "Kronprinz", der bisherige Innenminister und CDU-Chef Holger Stahlknecht.
© imago images/Christian Schroedter

Grüne: Das ist keine Lösung

Holger Hövelmann war früher Innenminister in Sachsen-Anhalt, heute ist er eines von zwei SPD-Mitgliedern des Medienausschusses. Er betont immer wieder, für einen Kompromiss müssten sich alle bewegen. „Am Ende müssen alle drei Koalitionspartner sagen können, über diese Brücke kann ich gehen“. Der Chef der Landes-Grünen, Sebastian Striegel, sieht die Variante aber nicht als Brücke, warnt die SPD vor einem Ausscheren aus der gemeinsamen Linie für die Beitragserhöhung: „Unser Ziel ist, dass der Staatsvertrag als Regierungsvorlage zur Abstimmung kommt und eine Mehrheit bekommt.“ Sachsen-Anhalt müsse hier dringend „in das Konzert der 16 Länder zurückkommen.“

Karlsruhe als "Magdeburger Umweg"?

Aber: Über einen Umweg nach Karlsruhe würde die Erhöhung dann wohl trotzdem, aber zeitverzögert kommen. Denn die Öffentlich-Rechtlichen Sender würden mit Sicherheit vor das Bundesverfassungsgericht ziehen. 2007 kippte Karlsruhe schon einmal einen Eingriff in die Empfehlungen der unabhängigen Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF), weil die Bundesländer bei der Gebührenfestsetzung um 28 Cent unter der von der KEF empfohlenen Gebühr geblieben waren – wenn nur ein Bundesland nun ausscheren würde, noch dazu durch eine Nicht-Befassung des Landtags, könnte Karlsruhe ähnlich entscheiden.

Die Entwicklung der Beiträge für den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk.
Die Entwicklung der Beiträge für den Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk.
© AFP

Variante 2: CDU-Enthaltung, linke Mehrheit für 86-Cent-Plus

Lösungsvariante 2: Die CDU enthält sich. SPD, Grüne und Linke könnten gegen die AfD im Ausschuss eine Zustimmung empfehlen und hätten dann auch bei der Abstimmung im Landtag eine Mehrheit, die den Weg frei machen würde für die Erhöhung des von allen Haushalten zu zahlenden, dann auf 18,36 steigenden Beitrags, es ist die erste Erhöhung seit elf Jahren. Doch zu einer möglichen Enthaltung sagt CDU-Fraktionschef Siegfried Borgwardt laut "Magdeburger Volksstimme": „Da müssten wir bekloppt sein.“ Und die Entlassung von Innenminister Holger Stahlknecht (und sein Rücktritt als Landes-CDU-Chef hat es für Haseloff auch nicht leichter gemacht, die Fraktion zu einem Kompromiss zu bewegen. Hinzu kommt das offene Liebäugeln einiger mit mehr Lockerheit im Umgang mit der AfD. Alternativ könnte man intern verabreden, dass die Mehrheit in der CDU-Fraktion gegen die Erhöhung stimmt, zwölf dagegen dafür, das könnte mit SPD, Linken und Grünen auch eine Mehrheit sichern.

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Variante 3: Nachverhandeln oder Nicht-Einigung, die AfD als Zünglein an der Waage

Lösungsvariante 3: Der Koalitionsausschuss am Dienstagmittag könnte Haseloff auch beauftragen, nachzuverhandeln, was zwar aussichtlos ist, aber Zeit bis zur Landtagswahl im Juni gewinnen lassen könnte. Oder aber der Vertrag wir beschlossen, doch ohne die Beitragserhöhung – die Begründung würde lauten, das sei in der Coronakrise nicht vermittelbar.

Klar ist nur: Wenn bei Nichteinigung der Kenia-Koalition der Ausschuss mit den acht Stimmen von CDU und AfD die Ablehnung der 86-Cent-Erhöhung empfiehlt, könnte auch die Amtszeit von Haseloff ein rasches Ende finden. Hat er die Hartnäckigkeit seiner CDU-Fraktion unterschätzt? Sicher, er hat im Kreise der Ministerpräsidenten in Protokollnotizen auf die unsichere Lage im Landtag, was eine Mehrheit anbelangt, stets hingewiesen. Seine CDU hat das Ziel der „Beitragsstabilität“ seit Jahren verfolgt und im Koalitionsvertrag verankert – Grüne und SPD wiederum haben durch ihr Ausscheren aus dieser Linie und den Koalitionsabsprachen auch eine Mitverantwortung für die Krise.

Kopfschütteln im Adenauer-Haus

In der CDU-Bundesspitze sehen sie die Magdeburger Vorgänge zunehmend mit hilflosem Kopfschütteln. Im Präsidium, berichten regelmäßige Teilnehmer, kam das Thema schon lange vor der Eskalation in Magdeburg immer wieder mal auf die Agenda.

Haseloff habe dort um Verständnis für den Widerstand seiner Leute gegen die Gebührenanhebung für die Öffentlich-Rechtlichen geworben, auch mit Hinweis auf die schwierige Lage der Presse in Sachsen-Anhalt:  In ganzen Landstrichen würden Zeitungen nicht mehr zugestellt, weil das den Verlagen zu teuer geworden sei - da könne er nur schwer vermitteln, weshalb ARD und ZDF mehr Geld bekommen sollten.

Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer telefoniert seit Wochen viel und redet wenig. Sie hat im Streit um den Umgang mit der AfD in Erfurt die Erfahrung gemacht, dass jedes Wort aus Berlin weiter nichts bewirkt, als dass ostdeutsche Parteifreunde sich noch tiefer in ihre Schützengräben verbuddeln. Generalsekretär Paul Ziemiak geißelt folglich SPD und Grüne und versucht nur ganz vorsichtig, auch die Magdeburger CDU-Fraktion an ihre "staatspolitische Verantwortung" zu gemahnen.

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Mischen sich auch in den Konflikt ein: Norbert Röttgen, Armin Laschet, Friedrich Merz.
Mischen sich auch in den Konflikt ein: Norbert Röttgen, Armin Laschet, Friedrich Merz.
© dpa

Merz, Laschet und Röttgen positionieren sich

Die drei Kandidaten für den CDU-Vorsitz sind weniger zurückhaltend. Sie nutzen den Konflikt, um die eigenen Profile zu schärfen. Friedrich Merz bestärkt im Sinne von "CDU pur" diejenigen im Landesverband, die die Gebührenerhöhung ohne Rücksicht darauf ablehnen wollen, dass sie nur zusammen mit der AfD eine Mehrheit hätten.

Armin Laschet unterstützt dagegen Haseloffs Kompromisssuche und fordert "klare Haltung" gegen die Rechtspartei, übrigens in diesem Punkt im Einklang mit CSU-Chef Markus Söder. Norbert Röttgen schließlich wirft am Sonntagabend bei "Anne Will" einerseits SPD und Grünen vor, die Koalitionsvereinbarung verlassen zu haben und jetzt zu versuchen, die AfD gegen die CDU zu "instrumentalisieren".

Andererseits hätten alle - also auch die CDU - die Verantwortung, dafür zu sorgen, dass die Rechtspartei im Landtag keine entscheidende Rolle spiele.

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