Beitragserhöhung vor dem Aus?: „Ohne Druck keine Veränderung“
Warum die CDU in Sachsen-Anhalt bei der ablehnenden Haltung zum höheren Rundfunkbeitrag bleibt. Ein Interview mit dem medienpolitischen Sprecher Markus Kurze.
Herr Kurze, sind parlamentarischer Geschäftsführer und medienpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Sachsen-Anhalt. Nach einer Anhörung von vier Intendanten des öffentlich-rechtlichen Rundfunks am Mittwoch im Medienausschuss des Landtags von Sachsen-Anhalt hieß es, die CDU-Fraktion bleibe bei ihrer ablehnenden Haltung zum neuen Rundfunkstaatsvertrag und der für Anfang 2021 geplanten Beitragserhöhung um 86 Cent auf 18,36 Euro. Ist der Beitragserhöhungs-Zug somit abgefahren?
Die Meinungsbildung ist im Großen und Ganzen abgeschlossen. Nach Auswertung der Anhörung wurde festgestellt, dass es nichts substanziell neues gab von den Intendanten. Dann wurden die Mitglieder der CDU-Fraktion gefragt, ob jemand nicht bei dem beschlossenen Abstimmungsverhalten – also der Ablehnung der Novelle und der höheren Rundfunkgebühren – bleiben werde. Da gab es keinen.
Vor der Abstimmung im Landtag tagt der Ausschuss noch einmal am 2. Dezember. Was erwarten Sie von der Sitzung?
An dem Tag haben wir den Rundfunkstaatsvertrag auf der Tagesordnung, der dann Mitte Dezember ins Plenum geht. Vorher kann nichts Endgültiges gesagt werden – auch wenn wir von der CDU relativ festgelegt sind.
Der Osten subventioniert dieses System quer
Was in der ganzen Angelegenheit schwer zu verstehen ist. Der MDR hat mit seinem Regionalprogramm den größten Zuspruch in der ARD, aber gerade in den Ländern Mitteldeutschlands ist die politische Unzufriedenheit mit den öffentlich-rechtlichen Sendern am größten. Wie erklären Sie das?
Wir führen seit Jahren die Debatte zusammen mit unserem Ministerpräsidenten Reiner Haseloff und Staatsminister Rainer Robra. Wir mahnen schon lange an, dass wir uns über Auftrag und Struktur des öffentlich-rechtlichen Rundfunks verständigen müssen, damit er bezahlbar bleibt. Dass er richtig und wichtig ist, haben wir oft genug betont. Aber er ist zu groß und zu teuer geworden – vor allem im Westen. Von den gut 50 Gemeinschaftseinrichtungen der ARD ist mit dem Kika im Grunde nur eine im Osten angesiedelt. Der Osten subventioniert damit dieses System quer. Im gesamtdeutschen Kontext sind wir aber offiziell einsame Rufer geblieben, nur in den inoffiziellen Gesprächen erfahren wir den Wunsch nach Veränderungen.
Welche Zugeständnisse haben die Intendanten der Sender bei dem gestrigen Gespräch gemacht, um dieses Ungleichgewicht zu beheben?
Die Ansage lautet leider immer: gebt uns die Beitragserhöhung, danach fangen wir mit dem Sparen an. Auch die Aussage, dass die geplante Kulturplattform in Mitteldeutschland nun an die Beitragserhöhung gekoppelt wird, ist unfair. Es gab im Diskussionsprozess lange vorher die Einigung, diese unabhängig zu schaffen. Die Vermischung dieser Dinge hat nicht dazu geführt, dass bei uns die Bereitschaft zur Zustimmung der Novellierung gewachsen ist.
Dennoch: Was könnte sich bis zum 2. Dezember noch ändern?
Das ist eine gute Frage, zumal die Beitragserhöhung auch vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie und der wirtschaftlichen Krise derzeit nicht passt. Wir haben als Kompromiss vorgeschlagen, mit der Entscheidung bis zum nächsten Zwischenbericht der KEF in zwei Jahren zu warten. Aber davon wollten die Intendanten nichts wissen.
Der Medienrechtler Bernd Holznagel schreibt in einem Gutachten für den Magdeburger Landtag, ARD und ZDF könnten die Beitragserhöhung zur Not vor dem Bundesverfassungsgericht einklagen. Was soll aus Ihrer Sicht ohne Einigung passieren?
Die Diskussion, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk zukunftsfit ist, die hat man nicht geführt, da muss auch die Politik selbstkritisch sein. Die überfällige Debatte wurde von Intendanten und Ministerpräsidenten verschoben. Wir erwarten nun, dass die Regierungschefs im nächsten Jahr in den eigenen Rundfunkstaatsverträgen mit ihren jeweiligen Sendern die Themen Auftrag und Struktur angehen. So kann es jedenfalls nicht bleiben. Die Akzeptanz bei den Bürgern geht eher zurück als das sie zunimmt. Ich kann die Größe des öffentlich-rechtlichen Systems keinem mehr erklären, das kann sich kein normales Unternehmen leisten. Warum sollte man nicht den Saarländischen Rundfunk mit dem Südwestrundfunk verschmelzen oder Radio Bremen mit dem NDR? Wenn man das nicht will, muss man das Ergebnis hinnehmen, dass wir dagegen stimmen. Ohne Druck keine Veränderung.
"Privatsender können sich auch nicht doppelt aufstellen"
Wo könnte der MDR sparen?
Als einer der jüngeren ARD-Sender hat er im Vergleich geringere Produktions- und Personalkosten. Da sehen wir wenig Einsparmöglichkeiten. Allerdings haben die Radiosender Sputnik und Jump schon eine ähnliche Zielgruppe. Privatsender können sich auch nicht doppelt aufstellen.
Damit der Rundfunkbeitrag zum 1. Januar 2021 steigen kann, müssen alle 16 Landtage Ja sagen. Wenn Sachsen-Anhalt wegen der Haltung der dortigen CDU die Novelle abschmettert, gewinnt vor allem eine Kraft: die AfD. Stört sie der Vorwurf nicht, sie betreiben das Geschäft einer Partei, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk grundsätzlich ablehnt?
Hier wird eine unehrliche Debatte geführt. Die CDU in Sachsen-Anhalt hat ihre Programmatik zur Beitragsstabilität und Bezahlbarkeit seit zehn Jahren in ihren Wahlprogrammen und Koalitionsverträgen. Vor zehn Jahren gab es noch keine AfD. Wir machen unsere eigene Politik, das darf man nicht verknüpfen. Zudem: wir haben uns – auch in der Koalition mit SPD und Grünen – immer zum öffentlich-rechtlichen Rundfunk bekannt. Aber wir haben auch immer gesagt, dass wir über 2020 hinaus die Beitragsstabilität halten wollen.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff hat den neuen Rundfunkstaatsvertrag dennoch unterschrieben - wie auch seine Amtskollegen- und Kolleginnen.
Sie wissen doch aber auch, warum: Damit die ehrliche Debatte in den Parlamenten dazu möglich wurde – auch wenn diese außerhalb von Sachsen-Anhalt nicht in der nötigen Tiefe geführt wurde. Außerdem gibt es zur Unterschrift die Protokollnotiz, dass Reiner Haseloff in seinem Parlament keine Mehrheit für eine Zustimmung hat. Und daran hat sich zumindest bis jetzt nichts geändert.