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Norbert Röttgen will CDU-Chef werden und mischt sich nun die Debatte um die Rundfunkgebühren ein.
© Michael Kappeler/dpa
Update

Koalitionskrise in Sachsen-Anhalt: Im Ringen mit der AfD nimmt Röttgen jetzt SPD und Grüne in die Pflicht

Die Fronten im Gebührenstreit in Sachsen-Anhalt sind verhärtet. CDU-Prominente fordern von SPD und Grünen, sich zu bewegen. Die halten dagegen.

Nun schaltet sich auch Norbert Röttgen (CDU) in die Debatte über den Umgang mit der AfD in Sachsen-Anhalt ein. Der Bewerber um den Parteivorsitz sagte gegenüber dem Tagesspiegel: „Die CDU lässt sich ihre Politikfähigkeit von niemandem nehmen. Was die anderen Parteien wann beantragen, kann für uns nicht entscheidend sein. Und die demokratischen Parteien sollten einen Konsens herstellen, dass der AfD in keiner parlamentarischen Frage eine bestimmende Rolle zuwachsen darf.“

Wegen der Koalitionskrise in Sachsen-Anhalt, die sich an einer Erhöhung der Rundfunkgebühren entzündet, musste am Freitag Innenminister Holger Stahlknecht seinen Posten räumen. Die CDU ist gegen eine Erhöhung. Ebenso wie die AfD. Der Gebührenstreit in dem Bundesland hat bundesweit eine Debatte über den richtigen Umgang mit der rechtsnationalen Partei ausgelöst.

Röttgen schlägt sich mit seiner Äußerung implizit auf die Seite der Landes-CDU in Sachsen-Anhalt. Die Partei betont, sie sei seit Jahren gegen die Beitragserhöhung und lasse sich ihre Position nicht von der AfD diktieren. Außerdem ist aus dem Landesverband der Partei immer wieder zu hören, dass auch im Koalitionsvertrag mit Grünen und SPD "Beitragsstabilität" vereinbart worden sei. Röttgen nimmt Grüne und SPD in die Pflicht, die CDU in der Abstimmung um den Rundfunkbeitrag die AfD nicht zum Zünglein an der Waage werden zu lassen.

SPD und Grüne wollen sich allerdings nicht gegen die Empfehlung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) stellen. 14 Bundesländer haben die Erhöhung bereits abgenickt, in Thüringen ist die Zustimmung wahrscheinlich.

Zusammen hätten CDU und AfD eine Mehrheit, die Gebührenerhöhung zu stoppen - SPD und Grüne drohen für den Fall einer gemeinsamen Abstimmung das Ende der Koalition in Magdeburg an. Am kommenden Mittwoch muss der Landtagsmedienausschuss zumindest eine Vorentscheidung in der Sache treffen.

Grünen-Spitze fordern Unterstützung für Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk

Zuletzt hatte Ministerpräsident Reiner Haseloff versucht, zwischen den Positionen zu vermitteln. Die Landes-CDU und die Fraktion im Landtag wollen aber bisher an ihrer Position festhalten.

Zuvor hatte schon Kramp-Karrenbauer SPD und Grüne in die Pflicht genommen. Haseloff habe Vorschläge für den Erhalt der politischen Stabilität gemacht, hatte sie der Deutschen Presse-Agentur gesagt. „Die Entscheidung liegt jetzt insbesondere bei SPD und Grünen, die sich ihrer staatspolitischen Verantwortung bewusst werden müssen.“

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Die Grünen wiederum haben die Führung der Bundes-CDU aufgefordert, im sachsen-anhaltinischen Koalitionsstreit den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) zu verteidigen.

"Dass die Spitze der Bundes-CDU bei so einer zentralen Frage nicht mit Inbrunst hinter dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk steht und ihrem Ministerpräsidenten Haseloff in schwieriger Lage den Rücken stärkt, erschreckt mich sehr", sagte Parteichefin Annalena Baerbock dem Tagesspiegel: "Es gibt Zeitpunkte, an denen man sich klar entscheiden muss. Das wäre jetzt Aufgabe der Union."

Fordert von der CDU ein starkes Bekenntnis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunkt: Grünen-Chefin Annalena Baerbock.
Fordert von der CDU ein starkes Bekenntnis zum öffentlich-rechtlichen Rundfunkt: Grünen-Chefin Annalena Baerbock.
© dpa

Ähnlich äußerte sich ihr Co-Vorsitzender Robert Habeck: „Die CDU-Führung in Person von Frau Kramp-Karrenbauer fordert implizit Grüne und SPD auf, den Rundfunkstaatsvertrag zu kippen“, sagte er ntv.de. Und mit Blick auf die einhellige Billigung durch die Landesregierungschefs: „Damit fällt sie ihren eigenen Ministerpräsidenten in den Rücken.“

Die Entlassung von Landesinnenminister Holger Stahlknecht (CDU) durch Haseloff löse nicht die Sachfrage um die Ratifizierung des Rundfunkstaatsvertrags, warnt Baerbock. Diese laute, ob die von 16 Bundesländern vereinbarte, nach 12 Jahren erstmalige Erhöhung des Rundfunkbeitrags umgesetzt werde.

Die Corona-Pandemie zeige, wie wichtig gerade in Krisenzeiten eine starke, unabhängige, öffentlich-rechtliche Berichterstattung sei. Die Grünen-Politikerin fügte hinzu: "Denn wir sehen in Demokratien um uns herum, was es bedeutet, wenn der Staat die Axt an die Öffentlich-Rechtlichen und damit an die Pressefreiheit anlegt."

Malu Dreyer warnte vor einem gemeinsamen Veto von CDU und AfD

Auch die Vorsitzende der Länder-Rundfunkkommission, Malu Dreyer, warnte vor einem gemeinsamen Veto von CDU und AfD. „Darüber sind wir in der Länder-Familie sehr einig, wenn CDU und AfD den Medienstaatsvertrag verhindern würden, wäre das ein politischer Dammbruch“, sagte die SPD-Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz der dpa.

In Sachsen-Anhalt werde aktuell nicht nur um eine Anpassung des Beitrags gerungen, „sondern um eine vielfältige Medienlandschaft, zu der der öffentlich-rechtliche Rundfunk dazugehört“.

Die CDU-Landtagsfraktion dringt darauf, dass es wegen der Corona-Pandemie ein Ergänzungsgutachten zum Finanzbedarf der Sender und Nachverhandlungen zur Höhe des Rundfunkbeitrags geben sollte. Die anderen Länder wollen aber beides nicht.

Konkret geht es um eine bundesweite Beitragserhöhung von monatlich 17,50 Euro auf 18,36 Euro. Zum 1. Januar 2021 soll der Staatsvertrag samt Beitragsplus für die öffentlich-rechtlichen Sender in Kraft treten, es wäre erstmals eine Erhöhung seit 2009. Sagt ein Land Nein, fällt das Vorhaben deutschlandweit flach.

Einer muss sich jetzt bewegen

Wie es weitergehen könnte? Sachsen-Anhalts Grünen-Landeschef Sebastian Striegel wünscht sich vom Koalitionspartner CDU ein Signal der Verhandlungsbereitschaft. „Bisher hieß die Ansage „Keine Kompromisse“. Das kann in einer Demokratie kein Ausgangspunkt für Verhandlungen sein“, sagte Striegel, der auch Fraktionsgeschäftsführer der Grünen ist, am Samstag im Deutschlandfunk.

„Wir wollen, dass die Regierungsvorlage eine Mehrheit im Parlament bekommt. Aber wir sind sehr gern bereit über Fragen zu reden, die damit verbunden werden können.“

Striegel sagte weiter: „Wir könnten als Koalition nach vorne schauen, könnten bestimmte Reform-Erfordernisse mal genauer festschreiben in einem Entschließungsantrag.“ Denkbar sei etwa, angesichts der Pandemie-Situation zu schauen, ob eine neue Beitragskalkulation früher als bislang vorgenommen werden könne.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Cornelia Lüddemann forderte die CDU auf, die Abstimmung im Landtag freizugeben. Jeder Abgeordnete müsse Farbe bekennen, ob er den Rundfunkstaatsvertrag wolle und zur Koalition stehe, sagte Lüddemann NDR Info. (mit dpa)

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