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Trauer in Mpeketoni. Nachdem etwa 50 Angreifer mindestens 48 Männer des Dorfes erschossen haben, ist das Entsetzen in dem kenianischen Küstenort groß.
© dpa
Update

Anschlag in Kenia: Präsident Kenyatta beschuldigt Lokalpolitiker des Terrors

In Kenia haben 50 bewaffnete Männer eine Küstenstadt und ein Dorf nicht weit von der Insel Lamu angegriffen und mindestens 60 Männer getötet. Präsident Uhuru Kenyatta beschuldigt lokale Politiker der Tat und sieht nicht Al Schabaab am Werk.

Der kenianische Präsident Uhuru Kenyatta hat lokale Politiker für den jüngsten Terrorangriff auf eine Küstenstadt und ein Dorf nahe der bei Touristen beliebten Insel Lamu verantwortlich gemacht. Die somalische Terrororganisation Al Schabaab hatte sich zuvor zu den Anschlägen mit mindestens 60 Toten bekannt. Kenyatta wies die Täterschaft der islamitischen Al Schabaab zurück und sprach von "lokalen politischen Netzwerken", denen er die Schuld an den Morden gab. Zudem habe die "lokale Polizei nicht rechtzeitig reagier", sagte Kenyatta weiter.

Am späten Sonntagabend haben nach Augenzeugenberichten etwa 50 schwer bewaffnete Männer das Dorf Mpeketoni nahe der Küste des Indischen Ozeans in Kenia angegriffen. Dabei sind mindestens 50 Menschen getötet worden. Eine Nacht später haben somalische Al-Schabaab-Milizen das benachbarte Dorf Poromoko überfallen und zehn Männer getötet. Al-Schabaab-Sprecher Abdulaziz Abu Musab sagte der Nachrichtenagentur AFP, somalische Kämpfer hätten "20 Polizisten und Wildhüter" getötet. Genaue Polizeiangaben gibt es nicht, zumal der stark kritisierte Innenminister Joseph Ole Lenku den Regionalchef der Polizei in Lamu am Dienstagmorgen entlassen hat. Die Regierung scheint aber der Auffassung zu sein, dass Konflikte zwischen den vom ersten kenianischen Präsidenten in der Region angesiedelten Kikuyu-Bauern und somalischen Viehhirten zu den Massakern geführt hätten. Das widerspricht allerdings sämtlichen Zeugenaussagen, die internationale wie nationale Medien über den Vorfall zitieren.

Mpeketoni liegt gut 30 Kilometer von der bei Touristen beliebten Insel Lamu entfernt, die als Unesco-Weltkulturerbe gelistet ist. Die kenianischen Zeitungen berichten, dass die Todesopfer alle Männer sind. Viele hätten am Abend die Fußballspiele der Weltmeisterschaft verfolgt. Die regierungsnahe Zeitung „The Daily Nation“ berichtet, dass die Angreifer mit drei Fahrzeugen in das Dorf transportiert worden seien. Sie hätten eine Fahne der somalischen Islamistenmiliz Al Schabaab dabeigehabt, somalisch gesprochen und "Allahu Akhbar" (Gott ist groß) gerufen. Am Montag hat sich Al Schabaab zu dem Anschlag bekannt. Er sei eine Revanche für den Militäreinsatz Kenias in Somalia. Zeugen berichteten dem britischen Sender BBC, dass die Angreifer ihre Opfer Koranverse rezitieren ließen, und sie, wenn sie es nicht konnten, erschossen. Sie hätten jedoch Frauen und Kinder verschont. Der Polizeichef Kenias, David Kimaiyo wird von der "Daily Nation" mit den Worten zitiert: "Das ist ein bedauerlicher Vorfall."

Im Herbst griff Al Schabaab das Westgate-Einkaufszentrum an

Es ist der schwerste Terroranschlag seit dem Westgate-Attentat im vergangenen September in Nairobi, bei dem 67 Menschen starben. Kenia hat 2011 Soldaten nach Somalia geschickt, um Al Schabaab zu bekämpfen. Seither hat sich die Sicherheitslage in Kenia stetig verschlechtert. Das britische Konsulat in Mombasa ist am Montag geschlossen worden. Schon vor Wochen haben Großbritannien, die USA und Frankreich Reisewarnungen für Kenia ausgesprochen. Großbritannien flog sogar Touristen aus den Küstenhotels aus. Das Auswärtige Amt dagegen warnt vor „Menschenansammlungen“ und rät zur Vorsicht. Die Stadt Mpeketoni ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen, weil dort viele Arbeiter leben, die am Bau eines neuen großen Ölhafens vor Lamu beteiligt sind.

Nach einem mehrstündigen Gefecht sind von der Polizeistation, den Restaurants und der einzigen Bank in Mpeketoni nicht mehr allzu viel übrig. Ein Motorradtaxi fährt mit einer Kundin auf dem Gepäckträger an den Trümmern eines Hotels vorbei.
Nach einem mehrstündigen Gefecht sind von der Polizeistation, den Restaurants und der einzigen Bank in Mpeketoni nicht mehr allzu viel übrig. Ein Motorradtaxi fährt mit einer Kundin auf dem Gepäckträger an den Trümmern eines Hotels vorbei.
© AFP

Mpeketoni und Poromoko sind zwar keine Touristenorte, liegen aber beunruhigend nahe an den Touristenorten der kenianischen Küste. Vor einer Nutzung der Küstenstraße wird allerdings schon seit Jahren gewarnt. Die Strecke von Mombasa nach Malindi und weiter nach Lamu gilt als gesetzlose Zone, in der Banditen ungestört ihrer Arbeit nachgehen können. Deshalb sind schon bisher die meisten Touristen dorthin geflogen. Terror ist allerdings ein eher neues Phänomen.

Die Regierung beschäftigt sich vor allem mit sich selbst

Die kenianische Regierung, deren Präsident, Uhuru Kenyatta, und Vizepräsident, William Ruto, vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) angeklagt sind, hat ihre Prioritäten seit ihrem Amtsantritt im März 2013 auf anderes als die Sicherheitslage gerichtet. Kenyatta und Ruto haben viel Energie darauf verwendet, ihre Verteidigung in Den Haag vorzubereiten, beziehungsweise den Prozess zu verhindern, womit zumindest Kenyatta bisher ziemlich erfolgreich war. Dagegen steht Ruto seit fast einem Jahr tatsächlich vor Gericht. Ob die Beweise der Chefanklägering des IStGH, Fatou Bensouda, für eine Verurteilung reichen werden, ist allerdings unklar. Ruto und Kenyatta sind wegen ihrer Verantwortung für die Massaker nach der umstrittenen Wahl 2007/2008 in Den Haag angeklagt.

Vor wenigen Tagen erst ist bekannt geworden, dass die Geheimdienstkapazitäten Kenias stark mit dem Ausspionieren des unterlegenen Präsidentschaftskandidaten Raila Odinga gebunden waren. Raila Odinga hatte sich drei Monate lang in den USA aufgehalten. Offenbar ist er auch dort vom kenianischen Geheimdienst nicht aus den Augen gelassen worden. Kurz vor Raila Odingas Rückkehr nach Kenia inszenierten Aktivisten der Zivilgesellschaft eine Twitter-Aktion mit dem Suchbegriff #BabaWhileYouWereAway, in der sie Odinga all das vortrugen, was sich die Regierung ihrer Ansicht nach in diesem Jahr schon an Fehlleistungen erlaubt hat. Da wären die Bezahlung von Millionen Dollar an Phantomfirmen für Phantomaufträge, die eine der Vorgängerregierungen im Jahr 2005 erteilt hatten. Der Korruptionsskandal ist unter dem Stichwort "Anglo-Leasing" in die kenianischen Geschichtsbücher eingegangen ist. Der frühere Anti-Korruptionsbeauftragte der Regierung, John Githongo, hatte den Skandal damals aufgedeckt, nachdem er aus Kenia geflüchtet war. Begründet hat Uhuru Kenytta, der ironischerweise eine Untersuchungskommission zu diesem Skandal geleitet hatte und festgestellt hatte, dass den Rechnungen keine Leistungen gegenüber standen, die Zahlung mit einem geplanten Eurobond, der am Montag an die Finanzmärkte gebracht worden ist, und tatsächlich mehrfach überzeichnet wurde. Oder ein Vertrag, mit dem Kenyatta China traumhafte Bedingungen für den Einstieg ins Eisenbahngeschäft des Landes ermöglicht hat. Kenyatta muss derzeit jede Chance nutzen, um zu Geld zu kommen, denn die Haushaltsmittel reichen nicht einmal mehr, um die Staatsbediensteten bis zum Ende des Jahres zu bezahlen.

Kenia hat Somalis unter Generalverdacht gestellt

Im April hat die Regierung Kenyatta hunderte Somalis in einem Fußballstadion eingesperrt und alle Menschen ohne gültige Papiere nach Somalia oder in ein Flüchtlingslager abgeschoben. Auch eine Auflösung des größten Flüchtlingslagers der Welt, Dadaab im Nordosten Kenias, wo mehr als 500 000 Menschen leben, wird in der kenianischen Innenpolitik wieder einmal heftig diskutiert. In der Folge dieser staatlichen Kriminalisierung von Somalis ist das wirtschaftliche Leben des überwiegend von Kenianern somalischer Abstammung bewohnten Stadtteils Eastleigh in Nairobi zusammengebrochen. Somalische Geschäftsleute verlagern seither ihre Geschäfte in die Nachbarländer Uganda, Tansania und Ruanda. Zugleich ist wegen der Sicherheitsbedenken das Tourismusgeschäft fast komplett eingebrochen. Daran hat auch die Separatistengruppe MRC ihren Anteil. Die Gruppierung stört sich an den westlichen Touristen, deren Geld in der Region nicht zu einer spürbaren Entwicklung geführt hat. Die Küstenprovinzen sind trotzdem arm geblieben. In den Küstenprovinzen gibt es schwere Konflikte um Land, das von einer kleinen Elite beansprucht wird.

Zwei Männer starren entsetzt auf eine Blutspur, die aus einem Restaurant herausfließt. Dorthin hatten sich die meisten Männer geflüchtet, die von den Al-Schabaab-Milizionären dann erschossen wurden.
Zwei Männer starren entsetzt auf eine Blutspur, die aus einem Restaurant herausfließt. Dorthin hatten sich die meisten Männer geflüchtet, die von den Al-Schabaab-Milizionären dann erschossen wurden.
© AFP

All das trifft auf eine politische Krise, in der Raila Odinga zur Massenmobilisierung aufgerufen hat, wenn die Regierung nicht bis zum 7. Juli einen „nationalen Dialog“ mit der Opposition beginnt. Der 7. Juli (Saba Saba, Suaheli für 7.7.) hat eine hohe symbolische Bedeutung in Kenia, denn am 7. Juli 1990 ließ der frühere autokratische Präsident Daniel arap Moi die demokratische Opposition niederknüppeln, die um ein Mehrparteiensystem kämpfte. Raila Odinga, den Moi insgesamt sechs Jahre lang ohne Prozess im Gefängnis festgehalten hat, war zu der Zeit gerade wieder einmal im Gefängnis. Er war zwei Tage vorher festgenommen worden. Odingas Freilassung war eine der Forderungen der Demonstranten. Diese Terminsetzung ist für Uhuru Kenyatta, Mois politischen Ziehsohn, den dieser schon immer als seinen Nachfolger gesehen hatte, eine schwere Provokation, auf die er nicht eingehen will. Der glücklose Innenminister Joseph Ole Lenku hat sogar insinuiert, dass die Opposition Al Schabaab in Bewegung gesetzt haben könnte. Er schließe nicht aus, dass es bald Erkenntnisse auch über diejenigen gebe, "die die Gewalt angestiftet haben", sagte er. Raila Odinga wehrte sich am Dienstag im Raidosender Capital FM gegen diese Vorwürfe und beteuerte, es gehe ihm um einen politischen Dialog und nicht darum, "die Regierung zu stürzen".

Dagmar Dehmer

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