An der Passkontrolle abgeführt: Nawalny nach Ankunft in Russland festgenommen
Der Kremlkritiker Alexej Nawalny ist nach seiner Vergiftung nach Moskau zurückgekehrt. Direkt nach der Landung wurde er abgeführt.
Pobeda heißt die Fluggesellschaft, die Alexej Nawalny am Sonntag aus Berlin nach Russland brachte, auf Deutsch: Sieg. Der Kremlkritiker nimmt es mit der Staatsgewalt auf – doch seine Rückkehr am Abend endete zunächst mit einer Niederlage. Der 44-Jährige wurde am Moskauer Flughafen Scheremetjewo nach der Landung festgenommen.
Russlands Strafvollzug hatte ihn zur Fahndung ausgeschrieben, weil er – während er sich in Deutschland vom Giftanschlag erholte – gegen Bewährungsauflagen aus einem früheren Strafverfahren verstoßen habe.
Seit Tagen war spekuliert worden, wie der Kreml auf die Rückkehr reagieren würde. Die Festnahme sofort bei Ankunft galt als möglich, aber nicht zwingend. Zumal sich Offizielle immer wieder bemühten, Nawalnys Bedeutung kleinzureden. Präsident Wladimir Putin spricht nicht einmal den Namen seines Kritikers aus. Im Kreml-Sprech wird der Oppositionspolitiker nur „der Blogger“ oder „Berliner Patient“ genannt. Viele rechneten mit einem weniger aufsehenerregenden Vorgehen der Behörden.
Nawalny wollte unbedingt zurück. Als Politiker könne er nicht im Exil bleiben, hatte es dabei immer wieder geheißen. Denn dort würde ihm die Marginalisierung drohen. Kommentatoren bezeichneten Nawalnys Rückkehrpläne trotz Strafandrohung aus Moskau als mutig und als politischen Sieg.
„Was soll mir Schlimmes in Russland passieren?“
Eine Festnahme sei „unmöglich“, erklärte Nawalny am Sonntag, denn er sei unschuldig und habe das Recht, als russischer Bürger in seine Heimat zurückzukehren. „Was soll mir Schlimmes in Russland passieren?“, hatte er noch kurz vor dem Abflug gefragt.
Doch wurde immer klarer, dass alles auf eine Festnahme hinauslaufen muss. Bereits am Freitag hatten die Behörden darauf hingewiesen, dass größere Menschenansammlungen am Flughafen untersagt seien. Die Polizei fuhr Sondereinheiten auf. Hunderte Unterstützer kamen dennoch, um Nawalny zu begrüßen. Die Beamten drängten die Menschen im Laufe des Tages aus dem Terminal und nahmen viele Wartende fest.
Maschine zu anderem Flughafen umgeleitet
Kurz vor der in Wnukowo geplanten Landung dann eine Finte: die Maschine mit Nawalny, seiner Frau Julia sowie Mitarbeitern drehte auf einen anderen Kurs, landete auf dem weiter nördlich gelegenen Flughafen Scheremetjewo. Die Polizei in Wnukowo sperrte Straßen, damit seine Anhänger das Gelände vorerst nicht verlassen konnten. So verhinderten Sicherheitskräfte zwar ein Zusammentreffen Nawalnys mit seinen Unterstützern am Flughafen.
Videoaufnahmen seiner Festnahme konnten sie jedoch nicht unterbinden. Zahlreiche Journalisten waren in Berlin mit an Bord der Maschine gegangen und übertrugen das Geschehen live.
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Zugriff bei der Passkontrolle
Nawalny konnte noch aus dem Flugzeug aussteigen und mit dem Zubringerbus ans Terminal fahren. Dort wiederholte er vor den Journalisten noch einmal, was er mehrfach verkündet hatte: Er sei froh, zurückkehren zu können. Es sei „der beste Tag seit fünf Monaten“. „Ich habe keine Angst“, sagte er. Bei der Passkontrolle führte man ihn danach ab.
Nawalny wird vorgeworfen, er habe sich nicht ordnungsgemäß bei der Polizei gemeldet – während er sich in Deutschland erholte. Ein Gericht soll nun entscheiden, ob die Bewährungsstrafe in Haft umgewandelt wird. Der Prozess ist für den 29. Januar angekündigt. Bis dahin soll er in Untersuchungshaft bleiben.
Nawalnys Team spricht von einer politischen Inszenierung. Beobachter vermuten, dass der Kreml Nawalnys Einfluss auf die Parlamentswahl im Herbst eindämmen will. In der Vergangenheit hatte er zur strategischen Abstimmung aufgerufen, um das Machtmonopol der Kremlpartei „Einiges Russland“ zu brechen.
Die EU verurteilte die Festnahme als „inakzeptabel“, wie Ratspräsident Charles Michel erklärte. Außenbeauftragter Josep Borrell rief die Behörden auf, Nawalnys „Rechte zu akzeptieren“.
Leonid Wolkow, ein enger Vertrauter Nawalnys, kritisierte das Vorgehen. Niemand wisse, wohin sie ihn gebracht haben, schrieb er auf Twitter. Von einer Festnahme zu sprechen sei falsch – „er wurde entführt“.