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Ein Mitarbeiter in Schutzkleidung steht am Fenster des Krankenhauses La Paz in Madrid.
© AFP/PIERRE-PHILIPPE MARCOU

Mehr als 10.000 Neuinfektionen pro Tag in Spanien: Medizinische Versorgung in Madrid steht vor dem Zusammenbruch

Die Zahl der Corona-Fälle steigt in Spaniens Hauptstadt stark an. Die Uniklinik stößt an ihre Grenzen – alle Intensivbetten sind mit Covid-19-Patienten belegt.

Mobilitätsbeschränkungen und volle Intensivbetten: Madrid ist eine der am stärksten von der Corona-Pandemie betroffenen Regionen Europas – schon wieder. Die Bilder von Eishallen als Leichenlager und der wochenlange strenge Lockdown im Frühjahr sind noch nicht vollständig verarbeitet, da holt die spanische Hauptstadt bereits die nächste Welle ein.

Gesundheitsminister Salvador Illa mahnte am Dienstag die Bewohner Madrid zu erhöhter Vorsicht. Jeder solle seine Kontakte und den eigenen Bewegungsradius beschränken, sagte Illa im Radiosender "Cadena Ser". Die Lage in Spanien sei besorgniserregend - "in Madrid aber am meisten".

Auch Madrids Bürgermeister José Luis Martínez-Almeida sprach sich für entsprechende Einschränkungen aus. "Ich würde dasselbe empfehlen wie Ministerin Illa", sagte Martínez-Almeida ebenfalls dem Sender "Cadena Ser". "Beschränken Sie zum jetzigen Zeitpunkt jegliche Mobilität, die nicht unbedingt erforderlich ist."

Seit Wochen steigen die Zahlen der Corona-Infektionen in Spanien stark an. Zuletzt wurden landesweit rund 10.000 tägliche Neuinfektionen und auch mehr registriert. Rund ein Drittel der Neuinfektionen fällt auf den Großraum Madrid. Die Entwicklung macht sich auch zunehmend in den Krankenhäusern bemerkbar.

Rund 40 Prozent der Betten in Madrider Uniklinik mit Corona-Patienten belegt

Das Universitätsklinikum in Madrid ist nach aktuellem Datenstand mit 287 Patienten das Krankenhaus, in dem die meisten Covid-19 Patienten in Spanien behandelt werden. Das berichtet die Zeitung "El Confidencial". Internen Schätzungen zufolge seien rund 40 Prozent der Betten mit Corona infizierten Patienten belegt. Die beiden allgemeinen Intensivstationen sowie die Intensivstation für Patienten mit koronarer Herzerkrankung (KHK) seien vollständig mit Covid-19 Patienten belegt.

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Patienten auf der Intensivstation, die nicht an Covid-19 erkrankt sind, würden demnach auf die noch verfügbaren Reanimationsräume aufgeteilt werden - doch auch dort stößt das Krankenhaus an seine Kapazitätsgrenzen. Aus diesem Grund werden dem Bericht zufolge derzeit nur noch Krebspatienten mit schweren Tumoren oder schwere Notfälle operiert. In der gesamten Region Madrid sind derzeit mehr als die Hälfte der Intensivbetten mit Covid-19-Patienten belegt.

"Das System ist bereits undicht", fasst "El Confidencial" den Lagebericht der Uniklinik zusammen. "Definition des Zusammenbruchs", kommentiert der spanische Journalist Manuel Ángel Méndez den Beitrag der Zeitung auf Twitter.

Die Regionalregierung in Madrid versucht derweil die Lage in den Griff zu bekommen. Am Montag beschloss die konservative Regierung strenge Maßnahmen - und riegelte ausgewählte Viertel für zwei Wochen weitgehend ab. In einigen der betroffenen Wohnviertel war die Zahl der Corona-Fälle zuletzt in die Höhe geschnellt. Die Bezirke verzeichneten mehr als 1000 Corona-Fälle je 100.000 Einwohner in den vergangenen zwei Wochen. Zum Vergleich: Das ist etwa fünf mal höher als der landesweite Durchschnitt in Spanien.

Mit rund 70,9 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in den vergangen sieben Tagen weist der Landkreis Hamm in Deutschland den höchsten Wert auf. Insgesamt liegt der Wert auf sieben Tage gerechnet in Deutschland derzeit bei 13,5.

Von den Maßnahmen sind rund 850.000 Menschen betroffen; vor allem in ärmeren Madrids. Sie dürfen ihre Viertel nicht mehr verlassen. Ausnahmen sind der Weg zur Arbeit, zum Arzt, oder der Weg zur Schule. Von außen dürfen die Bezirke nicht mehr betreten werden - die Polizei kontrolliert Zufahrtswege.

Hohe Corona-Fallzahlen auch in nicht abgeriegelten Vierteln

Doch es sind nicht nur die nun abgeriegelten Bezirke, die hohe Infektionszahlen pro 100.000 Einwohner vermelden. Wie die spanische Zeitung "El Pais" berichtet, weisen 16 Gesundheitsgebiete in Madrid eine Inzidenzrate von mehr als 1000 Fällen pro 100.000 Einwohner auf. Mobilitätsbeschränkungen gelten in diesen Gesundheitsgebieten nicht.

Ein Basisgesundheitsgebiet umfasst mehrere Zentren der primären Gesundheitsversorgung und ist kleiner als ein Stadtviertel. Der regionalen Gesundheitsbehörde zufolge gibt es in der Region Madrid rund 286 derartige Verwaltungseinheiten. Für 37 von ihnen gelten seit Montag für 14 Tage Mobilitätsbeschränkungen.

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Die konservative Regionalpräsidentin Isabel Díaz Ayuso zog in einem Interview mit dem Radiosender "Onda Cero" am Dienstagmorgen in Erwägung, dass die Beschränkungen womöglich auf neue Gebiete erweitert werden sollen - womöglich gar auf die gesamte Region. "Ich bin mir darüber im Klaren, dass (die Maßnahmen) auf weitere Gebiete Madrids und auch auf andere Sektoren ausgedehnt werden müssen", sagte Ayuso.

Wenn erkennbar sei, dass die "Maßnahmen funktionieren" und man sehe, dass es einen "besorgniserregenden Trend in anderen Bereichen" gebe, sollen die Einschränkungen auch für weitere Viertel gelten, erklärte sie am Montag nach einem Treffen mit dem spanischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez.

"Es macht keinen Sinn, Beschränkungen in einigen Vierteln anzuordnen und in anderen nicht", sagte Ayuso spanischen Medien zufolge am Dienstag. Die Beschränkungen könnten womöglich auch auf die gesamte Hauptstadtregion mit 6,6 Millionen Einwohnern ausgeweitet werden, erklärte Ayuso der Zeitung "El Pais" zufolge.

Ein kompletter Lockdown wie im Frühjahr soll jedoch vermieden werden - auch um die ohnehin angeschlagene spanische Wirtschaft nicht weiter zu belasten. Spanien verzeichnet der John Hopkins-Universität zufolge mehr als 670.000 Corona-Fälle und ist derzeit das am stärksten betroffene Land Westeuropas. Mehr als 30.600 Menschen starben in dem südeuropäischen Land an oder in Verbindung mit Covid-19. Das Gesundheitsministerium in Spanien meldete am Dienstag 10.799 Neuinfektionen binnen der vergangenen 24 Stunde. (mit AFP, dpa)

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