Flüchtlingspolitik: Mario Czaja - Pragmator vom Dienst
Mario Czaja (CDU), der Senator für Gesundheit und Soziales, ist in Berlin für Flüchtlinge zuständig. Und musste lernen, dass man sich dabei keine Freunde macht.
Wieso ausgerechnet er? Wenn er wie an diesem Sonntag wieder zu einem Flüchtlingsheim unterwegs ist, wird sich Mario Czaja das immer mal wieder gefragt haben. Er, der mit einer Arbeit über „Betriebswirtschaftliche Chancen und Risiken des Modells Praxisklinik für den niedergelassenen Facharzt“ das Diplom holte? Er, der mit Günther Jonitz, Präsident der Berliner Ärztekammer, einen Spitzenmediziner zum Fan hat? Er, der also wenig lieber wollte, als bei Ärzten, Schwestern und Pflegern als versierter Gesundheitspolitiker in Erinnerung zu bleiben?
Proteste und Skandale
Da demonstrierten Anwohner, aber auch angereiste Rechtsradikale, gegen Asylbewerberheime in Hellersdorf und Köpenick. Da verweigerten sich Lokalpolitiker in Zehlendorf und Reinickendorf bei der Suche nach Heimen. Und da drohte ein wohl nur knapp überstandener Korruptionsvorwurf gegen seinen wichtigsten Amtsleiter zum gefährlichen Politikum zu werden.
Als Mario Czaja – seit 1993 in der CDU, seit 1999 Abgeordneter – im September 2011 Senator für Gesundheit und Soziales wird, ist ihm die Freude anzusehen. Wenige Wochen danach geht es los: Die Aufstände in der arabischen Welt münden in Bürgerkriege, im Nahen Osten sind bald Millionen Menschen auf der Flucht. Schon 2013 haben sich die Asylbewerberzahlen in Berlin mehr als verdoppelt, inzwischen kommen fünfmal so viele Flüchtlinge.
Ärger mit Klaus Wowereit
Czaja merkte schnell, dass im Senat einige das lästige Thema meiden. Als er im vergangenen November anregte, der Senat solle die Flüchtlingsfragen besser zur Chefsache machen, soll sogar Klaus Wowereit – damals Regierender Bürgermeister – sinngemäß gesagt haben: Flüchtlinge seien Aufgabe des Sozialsenators, das müsse er also schon selbst schaffen. Außerdem wird ihm immer wieder deutlich, dass Flüchtlinge noch weniger geeignet sind, um Sympathien zu gewinnen, als sperrige Vorschriften für Kliniken, Arztpraxen und Pflegeheime, mit denen er sich sonst befasst.
Zu Beginn der rot-schwarzen Koalition 2011 waren 3000 Flüchtlinge in Heimen untergebracht. Bis April dieses Jahres mussten Plätze für 15 000 Männer, Frauen und Kinder gefunden werden. Von Ausnahmen abgesehen, hatten die Bezirksämter meist sogenannte Sondertatbestände parat, um weniger Heime in ihren Stadtteilen dulden zu müssen.
Wenig Hilfe aus den Bezirken
Da haben Bezirksbeamte, weiß man intern, von der Gefahr der vielen NPD-Wähler in ihrem Stadtteil geredet, weshalb man – leider, versteht sich – dort besser kein Asylbewerberheim bauen sollte. Da sollen Lokalpolitiker von den Härten gesprochen haben, die beispielsweise die Haftanstalt im eigenen Kiez mit sich bringe, weshalb man – leider, klar! – nicht auch noch Flüchtlinge unterbringen könne. Da haben Bezirksbeamte die Bauvorschriften so lange gelesen, bis sie etwas fanden, um vom Senat favorisierte Immobilien – sorry! – als untauglich zu erklären. Auch der Bund war Czaja keine Hilfe. Vor allem die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben, die in Berlin zahlreiche Areale verwaltet, wurde vom Senator regelmäßig nach Grundstücken und Gebäuden gefragt: Bislang sprechen Beobachter von nur zögerlicher Hilfe.
Czaja hat auch Glück - und macht Druck
Doch Senator Czaja hatte, erstens, auch ein bisschen Glück, und hat, zweitens, schnell gelernt, seinen Mitarbeitern einiges abzuverlangen. Sein Staatssekretär Dirk Gerstle (CDU), der erst 2013 aus Niedersachsen nach Berlin gekommen ist, entpuppte sich bald als Verwaltungsprofi. Gerstle verhandelt geräuscharm und emsig, er arbeitet diszipliniert und loyal für seinen Senator. In Czajas Verwaltung wissen sie inzwischen außerdem: Der Senator erwartet Einsatz und setzt seine Unterschrift lieber dann unter ein Papier, wenn seine Spitzenbeamten, besser aber noch andere Senatoren, es mit ihm zusammen unterzeichnen.
Verhandeln hat Czaja in Mahlsdorf gelernt
Das Aushandeln hat Czaja dort gelernt, wo es CDU-Politiker traditionell schwer haben: im tiefen Osten der Stadt. Czaja, 1975 in der Charité geboren, ist in Marzahn-Hellersdorf, genauer in Mahlsdorf, aufgewachsen. Sein Vater ist Elektriker, seine Mutter Krankenschwester, er selbst war katholischer Messdiener, lernte Versicherungskaufmann, stieg dann schnell bei Gegenbauer auf.
In Marzahn-Hellersdorf bekommt die Linke in der Regel fast doppelt so viele Stimmen wie die CDU. Was Czaja gemacht hat? Er kooperierte im Bezirk mit der damaligen PDS. In der CDU fanden sie das problematisch. Ihm hat es nicht geschadet.