Südsudan - das jüngste Land der Welt: Machtkampf ohne Ende
Wegen des Bürgerkriegs hungern jetzt schon 3,8 Millionen Südsudanesen. Knapp zwei Millionen sind auf der Flucht im eigenen Land und in den Nachbarländern. Regierungsberaterin Annette Weber rät zu mehr deutschem Engagement in Juba.
In Bentiu regnet es seit Wochen. Die Regenzeit hat dem Stützpunkt der Blauhelmtruppe der Vereinten Nationen im Südsudan (Unmiss) in der Ölstadt schwer zugesetzt. Vor wenigen Tagen meldete Unmiss den Zusammenbruch der 176 Latrinen des Lagers. Das war kurz bevor ein UN-Transporthubschrauber abgeschossen wurde, der Nachschub zur Versorgung der Flüchtlinge vor dem nunmehr neun Monate anhaltenden Bürgerkrieg im Südsudan hätte liefern sollen. Die Aussichten der rund 100 000 Südsudanesen, die in Unmiss-Stützpunkten Zuflucht vor Massakern gesucht haben, diese wieder zu verlassen, sind gering. Die Nuer haben bei der Unmiss Zuflucht vor den Dinka-dominierten Regierungstruppen des Präsidenten Salva Kiir in Juba gesucht, die Dinka mussten sich dort vor den Nuer-Rebellen-Milizen des Ex-Vize-Präsidenten Riek Machar in Sicherheit bringen.
Die neue Unmiss-Chefin, die Dänin Ellen Margarethe Løj, hat am Dienstag ihren Dienst in Juba angetreten. Sie warb für Frieden, wohl wissend, dass der so schnell nicht Einzug im jüngsten Land der Welt halten wird. Ende August hatte die Regionalorganisation Igad, die seit Januar versucht, den Konfliktparteien zumindest einen Waffenstillstand abzuhandeln, den „Durchbruch“ gemeldet. In einem Protokoll seien die Bedingungen für eine Übergangsregierung festgehalten worden. Unterschrieben haben es allerdings nur Salva Kiir und die Präsidenten der Nachbarstaaten Südsudans – Riek Machar sieht sich von dem Papier unfair aus einer künftigen Regierung nach einer Wahl in frühestens zwei Jahren gedrängt und weigert sich, das Papier zu unterschreiben.
"Da entsteht kein Vertrauen. Das ist offensichtlich", analysiert Emmanuel Kisiangani vom südafrikanischen Thinktank Institute for Security Studies (ISS). Auch deshalb verlangt die Anwaltsvereinigung des Südsudan eine "Wahrheits- und Würdekommission", die die "südsudanesischen Wahrheiten von 1972 bis heute" aufarbeiten solle, um überhaupt eine Basis für zielführende Verhandlungen zu finden.
Drei Feuerpausen sind Stunden nach ihrer Vereinbarung gebrochen worden
Drei Mal haben die zwei verfeindeten Politiker Waffenstillstandsabkommen vereinbart, die schon Stunden später wieder gebrochen wurden. Das Ergebnis des Konflikts sind mehrere Tausend Tote, wie viele es sind, weiß derzeit niemand. Mindestens 1,3 Millionen Menschen sind im Land auf der Flucht, eine weitere halbe Million hat sich in die Nachbarländer Uganda, Kenia, Äthiopien und sogar in die ebenfalls krisengeschüttelte Zentralafrikanische Republik aufgemacht. Derzeit sind nach UN-Angaben 3,8 der lediglich 10,8 Millionen Einwohner des Südsudan auf Lebensmittelhilfe angewiesen. Derzeit erreichen die UN aber rund eine Million Menschen überhaupt nicht.
Das Auswärtige Amt hat 10,44 Millionen Euro dafür eingeplant, im Südsudan Nothilfe zu unterstützten. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des grünen Entwicklungspolitikers Uwe Kekeritz vom Juli hervor. Der Nothilfeeinsatz der Vereinten Nationen ist allerdings völlig unterfinanziert, auch weil der Südsudan über all den anderen aktuellen Krisenherden etwas in Vergessenheit geraten ist.
Regierungsberaterin Weber fordert mehr politischen Druck auf Salva Kiir und Riek Machar
Annette Weber von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) traut Kiir und Machar nicht zu, den Südsudan aus der Krise zu führen. Sie sagte dem Tagesspiegel, dass der politische Druck auf beide Seiten erhöht werden müsse, um zumindest ein Ende der Kämpfe zu erreichen. Persönliche Sanktionen gegen beide Seiten, die auch Besitz und Geld in den Nachbarstaaten Kenia oder Uganda treffen würden, hält sie für aussichtsreich.
Allerdings befürchtet Emmanuel Kisiangani, dass Kenia, Uganda und Äthiopien, "die viele Millionen Dollar im Südsudan investiert haben", den Verlust dieser Besitzstände fürchteten, "obwohl sie genau deshalb ein Interesse an Frieden haben müssen", sagte er dem Tagesspiegel. Zumindest offiziell bemühe sich beispielsweise Kenia darum, unparteiisch zu erscheinen, sagt er. Annette Weber dagegen sieht bei den Nachbarländern die Bereitschaft, das vor einem guten Jahr gescheiterte Regierungsbündnis zwischen Kiir und Machar noch einmal zu unterstützten. Deshalb sagt sie, dass "der Sicherheitsrat darüber nachdenken sollte, einen Treuhandfonds für die Öleinnahmen zu gründen.“ Denn mit diesen Einnahmen versorge sich die Regierung derzeit mit neuen Waffen aus China, anstatt die hungernde Bevölkerung zu versorgen, die wegen des Bürgerkriegs keine Chance hatte, ihre Felder zu bestellen. Die Hungerkrise wird nach UN-Einschätzung über Monate anhalten.
Dass die UN „darüber verhandeln muss, Hilfsgüter ins Land zu bringen“, und dass die Elite in Juba „sich dafür auch noch bezahlen lassen will und die Kontrolle über die Verteilung verlangt“, sei skandalös, sagt Weber. Dann würden nur Menschen versorgt, die der eigenen Ethnie, also den eigenen politischen Unterstützern angehörten, „während alle anderen hungern“.
Deutschland sollte eine größere Rolle spielen
Annette Weber würde sich eine aktivere Rolle Deutschlands bei der Lösung des Konflikts im Südsudan wünschen. "Das würde gut zur Neuausrichtung der Afrika-Politik in den neuen Leitlinien passen", sagt sie. Denn eine bessere Sichtbarkeit in der Außenpolitik beschränke sich ja nicht auf eine militärische Sichtbarkeit. Auch mehr diplomatischer Einsatz könne den Anspruch einer aktiveren Außenpolitik einlösen, sagt Weber. Sie erinnert in diesem Zusammenhang auch daran, dass Deutschland den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat inne hatte, als der Südsudan unabhängig und UN-Mitglied wurde. Der damalige Außenminister Guido Westerwelle (FDP) übernahm damals eine "politische Patenschaft" für den neuen Staat. "Daraus leitet sich auch eine Verantwortung ab", findet Weber.
Das sieht die sudanesische Regierung in Khartum nicht anders. Ibrahim Ghandour, der wichtigste Berater des Präsidenten Omar al Baschir, sagte dem Tagesspiegel vor wenigen Tagen in Berlin: "Deutschland könnte eine größere Rolle spielen." Allerdings ist er auch der Meinung, dass die gesamte internationale Gemeinschaft im Südsudan "nicht allzu viel getan hat". Ghandour ist ganz froh, dass zumindest das Erdöl wieder durch die sudanesischen Pipelines fließt und wieder entsprechende Einnahmen an die Regierung in Khartum fließen. Anfang 2013 standen beide Staaten, der Sudan und der Südsudan, vor dem wirtschaftlichen Zusammenbruch, weil im Verlauf der vor der Unabhängigkeit ungelösten Konflikte um die Verteilung der Öleinnahmen dazu führten, dass die Förderung monatelang zum Erliegen kam. In den vergangenen neun Monaten des Bürgerkriegs sei das Öl aber geflossen, sagt er. Dennoch zahle sein Land einen "hohen Preis". Zehntausende Flüchtlinge seien im Land, Studenten seien nicht nach Juba zurückgekehrt. Und die bevorstehende Hungersnot im Südsudan mache die Sache nicht besser.
Dagmar Dehmer
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität