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Die Skyline von Abidjan, dem größte städtischen Ballungsraum der Elfenbeinküste. Der Bezirk liegt in der Region Lagunes am Golf von Guinea.
© Imago

Afrika-Konzept der Bundesregierung: Sollen die Deutschen kommen?

Kampfeinsätze in Afrika erwartet kaum jemand von Deutschland. Aber mehr Ausbildung für Soldaten und Polizisten wie für andere Berufe wären auf dem Nachbarkontinent hoch willkommen. Wie ein neues Konzept auch aussehen könnte.

Was Afrikaner von Deutschland erwarten, hat in der zum Teil aufgeregten Debatte darüber, ob und wie Berlin „mehr Verantwortung“ auf dem Nachbarkontinent übernehmen sollte, bisher kaum eine Rolle gespielt. Am Freitag hat Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) bei der Vorstellung seines Afrika-Konzepts im Bundestag zumindest einmal einen „Afrika-Gipfel“ noch ohne Datum angekündigt, „um nicht über unsere afrikanischen Partner zu reden, sondern mit ihnen“. Allerdings hat auch Müller seine Vorschläge für das entwicklungspolitische Engagement in Afrika vorgelegt, ohne dabei Ratschläge aus womöglich betroffenen Regionen oder von in Deutschland lebenden Migranten zu erfragen. Zumindest teilweise trifft er damit sogar die Bedürfnisse, die von Experten aus afrikanischen Thinktanks oder deutschen Afrikaexperten mit Ortskenntnis formuliert werden.

Außenminister Steinmeier will vor allem Frankreich entlasten

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat die Debatte über „mehr Verantwortung“ in Afrika begonnen. Als Motivation dafür nannte er den Wunsch Frankreichs nach Entlastung – auch militärischer Art. Seit etwa einem Jahrzehnt kündigte jeder französische Präsident an, dass Paris sich in Afrika weniger einmischen wolle. Die Truppenstärken sind kleiner geworden, doch aktuell ist Frankreich in zwei komplizierte Militärmissionen in Afrika stark eingebunden: im Norden Malis und in der Zentralafrikanischen Republik. Genau da wollte Steinmeier Frankreich entlasten.

Der Bauboom in der angolischen Hauptstadt Luanda ist ungebrochen. Auf Ausländer ist Luanda eine der teuersten Städte der Welt.
Der Bauboom in der angolischen Hauptstadt Luanda ist ungebrochen. Auf Ausländer ist Luanda eine der teuersten Städte der Welt.
© Reuters

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) griff den Gedanken auf. Sie hatte auch kaum eine andere Wahl, denn Steinmeier hatte diese Gedanken am Vorabend ihres Antrittsbesuchs in Paris geäußert. Am 20. Februar stimmte der Bundestag einer Verlängerung des Mali-Mandats zu und akzeptierte zu dem Leyens Wunsch, bis zu 250 statt 180 Soldaten in die EU-Ausbildungsmission schicken zu dürfen. Bei der Münchener Sicherheitskonferenz legte auch Bundespräsident Joachim Gauck noch einmal nach.

Der Ruf Frankreichs in Afrika ist miserabel

Bei afrikanischen Experten kommt das nicht besonders gut an, obwohl viele den Wunsch äußern, auch mehr Bundeswehr im Einsatz zu sehen. Am deutlichsten warnt Japheth Omojuwa die Deutschen davor, sich vor den französischen Karren spannen zu lassen. Omojuwa gehört zu den jungen Aktivisten, die in Nigeria vor zwei Jahren die Bewegung „#Occupy Nigeria“ angestoßen haben. Der erfolgreiche Jungunternehmer, der sein Geld als Berater für den Einsatz sozialer Medien wie Twitter verdient, sagte dem Tagesspiegel: „Deutschland sollte Frankreich nicht helfen. Denn dann müsste Deutschland die Konsequenzen für Frankreichs fortgesetzte Interventionen in Afrika mittragen.“ Weiter sagt Omojuwa: „Deutschland muss seine eigene Rolle finden.“ Zwar habe Frankreich mehr Ortskenntnis, dennoch müsse Deutschland eine eigene Position entwickeln.

Denis Tull, lange Afrikaexperte der Stiftung Wissenschaft und Politik und heute Büroleiter der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Kamerun, schreibt zur deutschen Afrikapolitik nüchterner: „Mit Blick auf die bündnispolitische Dimension muss sich Berlin der extrem negativen Wahrnehmung Frankreichs im Klaren sein.“ Robert Kappel vom Hamburger Giga-Institut weist ebenfalls darauf hin, dass Frankreich „nicht von ungefähr seit vielen Jahren ein weitgehend ungeliebter Akteur in Afrika“ sei.

Der kenianische Entwicklungsökonom James Shikwati formuliert die Anforderungen an militärische Hilfe so: „Ich erwarte eine Haltung, die afrikanische Interessen als wertvoll ansieht, weil sie im langfristigen deutschen Interesse sind.“ Ganz im Gegensatz zum „traditionellen Ansatz der Dominanz und Arroganz, der seitens westlicher Staaten sonst üblich ist“. Mit Blick auf Frankreich sagt er: „Deutschland hat fast überall auf dem Kontinent Botschaften und sollte besser seinen eigenen Weg entwickeln, um in einer sich ändernden Welt eine strategisch bedeutsame Rolle zu spielen.“

Die Deutsche Rolle wird eher im Zivilen gesehen

Zwar sind sich die Experten einig, dass Deutschland in Afrika gerade im Zivilen positive Beiträge leisten könnte und sollte. Aber auch aus dem Militärischen solle sich Deutschland nicht ganz heraushalten, sagt Andrews Atta-Asamoah vom Institut für Sicherheitsstudien (ISS) in Pretoria/Südafrika. Er wünscht sich nicht nur langfristige Finanzierung der afrikanischen Sicherheitsarchitektur – wie etwa das Krisenreaktionszentrum der Afrikanischen Union in Addis Abeba oder die schon lange geplante schnelle AU-Interventionstruppe. Das hält auch die Afrikaexpertin des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE), Julia Leininger, für vernünftig. Atta-Asamoah wünscht sich von Deutschland aber auch mehr Ausbildung von Sicherheitskräften, nicht nur Soldaten, sondern vor allem Polizisten, und eine bessere Ausrüstung für AU-Friedensmissionen. Dabei geht es um eine bessere Bewaffnung und um Hubschrauber, die in afrikanischen Friedenseinsätzen chronisch fehlen.

Farah Mohammed, der lange in Bad Honnef gelebt hat und nun seit einigen Monaten den somalischen Verteidigungsminister in Mogadischu berät, freut sich sehr darüber, dass demnächst 20 Bundeswehrausbilder in der somalischen Hauptstadt eintreffen werden. Er hofft aber, dass es nicht bei den 20 bleibt, sondern dass das nur „die Vorhut“ ist. „Die Bundeswehr tut gut“, sagt er. „Besser als die Armeen anderer Länder.“
Deutschland genießt in Afrika einen guten Ruf. Farah Mohammed sagt: „Die Somalier vertrauen den Deutschen. Irgendwann müssen sie einfach wieder kommen.“ Trotz der brutalen und keineswegs ruhmreichen, dafür aber wenigstens kurzen deutschen Kolonialgeschichte gilt Deutschland als „ehrlicher Makler“ und „verlässlicher Partner“. Atta- Asamoah sieht wie Shikwati und Omojuwa vor allem wirtschaftliche Tätigkeitsfelder für Deutschland. Atta-Asamoah weist beispielsweise darauf hin, dass in Westafrika überwiegend deutsche Autos herumfahren. Das liegt daran, dass deutsche Gebrauchtwagen ihre allerletzte Reise zu Zehntausenden an die westafrikanische Küste antreten – meistens als billige Entsorgungsmöglichkeit. Diese Fahrzeuge, stellt Atta-Asamoah fest, seien nicht „tropentauglich gemacht“. Das böten in Afrika nur japanische Autofirmen an. „Da gibt es ein großes Feld für Kooperation mit deutschen Firmen“, findet er. Auch bei der Energieerzeugung wäre Deutschland in allen Krisenregionen ein gefragter Partner. Denn der Strommangel ist auf dem gesamten Kontinent ein Wachstums- und Entwicklungshemmnis. Zudem wünscht sich Atta-Asamoah mehr Engagement Deutschlands bei der Anpassung an und der Bekämpfung des Klimawandels.

Von Deutschland wird eine werteorientierte Politik erwartet

Die Innenstadt von Nairobi. Links das Kongresszentrum, im Hintergrund Bankentürme und in der Mitte der Uhrturm des Parlaments.
Die Innenstadt von Nairobi. Links das Kongresszentrum, im Hintergrund Bankentürme und in der Mitte der Uhrturm des Parlaments.
© imago

Einig ist sich der ISS-Experte Atta-Asamoah mit Julia Leininger in der Einschätzung, dass „Werte“, „Menschenrechte“ und „gute Regierungsführung“ eine noch größere Rolle in der Zusammenarbeit mit den Regierungen spielen sollten. „Rechenschaft gegenüber der eigenen Bevölkerung, eine unabhängige Justiz und Polizei“ seien von entscheidender Bedeutung für eine friedliche Entwicklung, sagt Atta-Asamoah.

Die Experten sind sich zudem einig, dass Deutschland vorrangig im Sahel und in Zentralafrika gefragt ist. Von Mauretanien bis zum Horn von Afrika liegen die Regionen, die schon immer zu trocken waren und die besonders unter den Folgen des Klimawandels leiden. Es ist zudem die Region mit den meisten bewaffneten Konflikten in Afrika. Es geht dabei um natürliche Ressourcen wie Wasser, Weidegründe oder Ackerland, es geht aber auch um arabisch-nomadische Lebensweisen und eher sesshafte schwarzafrikanische Ethnien, die seit Hunderten von Jahren konfliktreich zusammenleben. Atta-Asamoah hält es, wie FES-Experte Denis Tull, für bedeutsam, vorausschauend auf mögliche neue Konfliktlagen zu reagieren. Tull nennt Länder wie Uganda, Simbabwe oder Kamerun, die seit Jahrzehnten vom gleichen Präsidenten regiert werden, und wo irgendwann ein Machtwechsel unausweichlich sein wird. Atta-Asamoah weist seinerseits auf die fragilen Demokratien in Ghana oder Kenia hin, wo neuerliche Krisen jahrzehntelange Fortschritte schnell wieder zunichte machen könnten.

Vor allem in der Region entlang des Sahel sollte Deutschland mehr tun

Markus Höhne hat lange für das Rift-Valley-Institut in Somalia gearbeitet. Inzwischen lehrt er am Institut für Ethnologie der Universität Leipzig. Er erinnert daran, dass Deutschland vor dem Zusammenbruch Somalias als Staat eine großangelegte Ausbildungsinitiative in dem ostafrikanischen Land finanziert hatte. Sie war ein Ergebnis der Entführung einer Lufthansamaschine nach Mogadischu. „Daran könnte Deutschland anknüpfen“, sagt er. Höhne wünscht sich vor allem, dass das Engagement in Somalia „nicht mehr nur unter dem Anti-Terror-Blickwinkel stattfindet“. Dass von den insgesamt 543 Bundeswehrsoldaten im Afrikaeinsatz 325 an der Anti-Piratenmission Atalanta beteiligt sind, „finden die meisten Somalier disproportional“, kritisiert er.

Michel Thill, Zentralafrikaexperte des Rift-Valley-Instituts, hofft auf mehr deutsches Engagement für den Kongo. Im Osten der Demokratischen Republik Kongo würden zwar tausende junger Männer demobilisiert, doch dann „sitzen die monatelang in Lagern herum und nichts passiert“. Um Jobs auch für ehemalige Kämpfer, vor allem aber intern Vertriebene zu schaffen, hatte Deutschland vor Jahren den sogenannten „Friedensfonds“ Kongo aufgelegt. Die dafür vorgesehenen 50 Millionen Euro hatte die KfW-Entwicklungsbank bis Ende 2012 aufgebraucht. Die Verlängerung des Programms umfasst noch einmal 20 Millionen Euro. Diese „Friedensdividende“ soll schnell sichtbare Ergebnisse liefern. Das wünschen sich die Experten auch in Mali oder Somalia.

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