Bürgerkrieg im Südsudan: UN-Generalsekretär fordert Tribunal für Südsudan
Bürgerkriegs-Rivalen werfen sich gegenseitig Massenmord vor. Der Waffenstillstand hält keinen Tag. Die Opposition diskutiert über das weitere Vorgehen. Präsident Kiir: Ich wurde gezwungen, zu unterschreiben.
Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki Moon, hat ein Sondertribunal gefordert, um die Verbrechen während des rund fünf Monate andauernden jüngsten Bürgerkriegs im Südsudan zu ahnden. Erst am vergangenen Freitag hatten der südsudanesische Präsident Salva Kiir und sein Rivale und ehemaliger Vizepräsident Riek Machar einen Waffenstillstand ausgehandelt, der Basis für weitere Verhandlungen sein sollte. Schon am Wochenende haben beide Seiten das Abkommen gebrochen.
Ende vergangener Woche hatte die UN-Blauhelmmission im Südsudan, Unmiss, einen Bericht über Kriegsverbrechen während des seit fünf Monaten anhaltenden Bürgerkriegs veröffentlicht. Am gleichen Tag hat die Menschenrechtsorganisation Anmesty International einen Report mit ähnlichen Ergebnissen vorgelegt. Demnach haben sowohl die südsudanesischen Sicherheitskräfte, SPLA, die loyal zu Salva Kiir stehen, als auch die Milizen, die für Machar kämpfen, ethnisch motivierte Massaker und Massenvergewaltigungen zu verantworten. Riek Machar sagte dem britischen Sender BBC, er habe seine Truppen „vollständig unter Kontrolle“. Damit übernahm er indirekt die Verantwortung für das jüngste Massaker überwiegend an Angehörigen der Dinka, der Ethnie des Präsidenten, in der Ölstadt Bentiu, auch wenn er im weiteren Verlauf des Interviews sagte: „Ich weiß nicht, ob die Berichte stimmen.“ Machar nannte das Massaker in Bentiu „bedauerlich“. Das werde „überprüft“, sagte er, ohne weiter auf die Vorwürfe einzugehen.
Derweil warf die Regierungsseite Machar vor, seine Truppen nun gerade nicht unter Kontrolle zu haben. So erklärt Juba die Kämpfe nach Beginn des Waffenstillstands.
Zugleich warf Riek Machar dem Präsidenten vor, für ein „Massaker an 20 000 Angehörigen der Nuer“, seiner Ethnie, in Juba verantwortlich zu sein. Er warf Unmiss vor, parteiisch zu sein und das Blutbad von Juba im Dezember zu unterschlagen. Tatsächlich berichtet Unmiss jedoch auch über das erste Massaker der jüngsten Auseinandersetzung in Juba. Machar sagte am Ende des Interviews: „Ich bin hier das Opfer.“
Salva Kiir sagte vor Anhängern in der Hauptstadt Juba, er sei vom äthiopischen Premierminister Hailemariam Desalegn zur Unterzeichnung des Abkommens genötigt worden. Dieser habe ihm und Machar in getrennten Gesprächen gesagt: „Ich werde dich hier einsperren, wenn du das Dokument nicht unterzeichnest.“ Die Onlinezeitung „Sudane Tribune“ zitiert Kiir weiter mit der Aussage, er habe das Papier unterschieben, ohne dass er Riek Machar direkt gesprochen habe. Zugleich kündigte er eine Verschiebung der 2015 geplanten Wahlen an. Das direkte Treffen der beiden Rivalen ist vom amerikanischen Außenminister John Kerry angestoßen worden, der zunächst Kiir in Juba besucht hatte und sich dann an einem geheim gehaltenen Ort mit Machar traf.
Wie und ob die Verhandlungen in Addis Abeba weiter gehen werden, ist derzeit nicht abzusehen. Die Politiker, die an der Seite Machars Anfang Dezember 2013 beim SPLM-Parteikongress für Reformen geworben und Salva Kiir scharf kritisiert haben, sind sich aktuell uneins, ob sie sich der Rebellion Machars anschließen sollen oder nicht. Sieben der damals verhafteten und inzwischen wieder frei gelassenen Politiker haben in Addis Abeba eine eher neutrale Position eingenommen. Auf der Seite Machars gibt es offenbar Unmut darüber, dass die Politiker sich nicht dem bewaffneten Kampf gegen den Präsidenten angeschlossen haben. Ebenfalls am Freitag hat die südsudanesische Regierung einen Friedenspakt mit einem anderen Rebellenführer abgeschlossen. David Yau Yau, der mit seiner Murle-Miliz im Bundesstaat Jonglei seit mehr als zwei Jahren die Regierung bekämpft hatte, will nun mit der Regierung kooperieren. Die Murle und die Luo Nuer bekämpfen sich seit Jahren gegenseitig. David Yau Yau stand zwar gegen die Regierung in Juba, er steht aber auch gegen die Nuer um Riek Machar.
An diesem Freitag will der CDU-Bundestagsabgeordnete Johannes Selle mit Parlamentariern und Hilfsorganisationen über die Krise im Südsudan sprechen. Er fordert von Unmiss ein „entschiedeneres Vorgehen“. Bei der Entscheidung über die Verlängerung des Bundeswehreinsatzes im Rahmen der Blauhelmmission müsse das Unmiss-Mandat überprüft werden, sagt Selle.
Bei den Kämpfen seit Mitte Dezember sind mindestens 20 000 Menschen getötet worden. Mehr als eine Million Menschen sind auf der Flucht. Schon zuvor gab es im Südsudan rund drei Millionen Flüchtlinge, die vor allem im Grenzgebiet zum Sudan Schutz suchen. Mehr als 80 000 Menschen haben sich in die Stützpunkte der UN-Friedenstruppe Unmiss geflüchtet. Die Internationale Migrationsorganisation (IOM) hat begonnen diese Menschen gegen Cholera zu impfen, weil nach Einsetzen der Regenzeit die Grundstücke alle unter Wasser stehen und die Toiletten für Zehntausende Menschen nicht ausreichen.
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