Sicherheitsratsvorsitz: Deutschland kriegt die Krisen
Am 1. Juli übernimmt die Bundesrepublik den Vorsitz im Sicherheitsrat. Sudan, Syrien und Libyen stehen im Fokus der Diplomatenn
Berlin - Als Deutschland vor acht Jahren zum letzten Mal einer Präsidentschaft des UN-Sicherheitsrates entgegensah, war vielen Diplomaten in Berlin etwas bang: Ausgerechnet unter deutschem Vorsitz sollte das wichtige Gremium im Februar 2003 über den von der Bush-Regierung vorangetriebenen Irakkrieg beraten, den die Bundesregierung strikt ablehnte. Wenn Deutschland als nichtständiges Mitglied am Freitag nun wieder einen Monat lang den Ratsvorsitz übernimmt, droht zwar keine Konfrontation mit einem Verbündeten. Die Bundesregierung sucht seit der Libyen-Enthaltung den engen Schulterschluss mit den Partnern. Gefährliche Weltkrisen muss der Sicherheitsrat trotzdem eindämmen, auch wenn die neuen Konflikte in Deutschland weniger Emotionen wecken als damals Bushs Feldzug gegen Saddam Hussein.
An erster Stelle dürfte die Krise im Sudan stehen, die bei einem schlechten Verlauf auch andere Länder Afrikas destabilisieren könnte. Nach dem positiven Ausgang des Referendums zur Teilung des Landes will sich der Südsudan am 9. Juli für unabhängig erklären und UN-Mitglied werden. Wenige Tage später befasst sich der Sicherheitsrat mit dem Ersuchen und mit der Lage in dem bislang noch größten Land Afrikas. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) reist eigens nach New York, um die Sitzung zu leiten.
Die Spannungen wachsen, seit es in der Region Abyei im Grenzgebiet zwischen Nord- und Südsudan vor wenigen Wochen zu heftigen Gefechten kam. Dort werden reiche Ölvorkommen vermutet. Am Montag beschloss der Sicherheitsrat die Entsendung von 4500 äthiopischen Blauhelmsoldaten in die Provinz. Nun geht es darum, die Interessen der neuen Unabhängigkeitsregierung und des künftigen Nordsudan auszugleichen. Dabei geht es etwa um den Verlauf der künftigen Grenze oder die Verteilung der Einkommen aus dem Ölgeschäft.
Während des deutschen Vorsitzes wird auch der Umbruch in der arabischen Welt, vor allem die Entwicklung in Syrien und Libyen, das Gremium beschäftigen. EU-Staaten haben eine Resolution entworfen, die die Gewalt gegen die Opposition in Syrien verurteilt. Russland und China blockieren den Beschluss, obwohl er noch nicht einmal Sanktionen enthält. Die harte Haltung rührt nach Ansicht von Beobachtern auch daher, dass nach Ansicht der beiden Vetomächte die Interventionsallianz in Libyen die Flugverbots-Resolution beliebig weit auslegt.
Gearbeitet werden dürfte im Juli auch an einer Nachkriegsordnung für Libyen und an der Stabilisierung Afghanistans. Offen ist, ob die Palästinenser bei der UN die Anerkennung eines eigenen Staates ohne israelische Zustimmung beantragen. Weil Paris (eventuell dafür) und Berlin (dagegen) sich schon vorfestgelegt haben, drohen Konflikte auch in der EU.
Neben der Krisendiplomatie steht im Juli auch das auf der Tagesordnung, was UN-Botschafter Peter Wittig die „Kür“ nennt. So will die Bundesregierung Impulse zum Schutz von Zivilisten und insbesondere von Kindern in bewaffneten Konflikten geben. Mitte des Monats ist dazu eine Resolution geplant.
Zudem werden die Deutschen eine Debatte über Sicherheitsfragen im Klimawandel anstoßen. Wenn etwa ganze Landstriche versteppen, kann es zu Verteilungskämpfen um knappe Nahrungsmittel oder gar Massenfluchten über Staatsgrenzen hinweg kommen. Existenzielles Interesse am Thema haben die Inselstaaten. Bei einem Anstieg des Meeresspiegels wäre das Territorium von 45 der 192 UN-Mitglieder teilweise oder ganz von Überflutung bedroht. Viele Inselstaaten dürften Deutschland, den Meinungsführer beim weltweiten Kampf gegen den Klimawandel, deshalb auch unterstützen, wenn es eines fernen Tages um einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat geht.
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