Flüchtlingspolitik der Bundesregierung: Knatsch und Vorwürfe auf dem Weg zum Asylpaket II
SPD und Union wollten ihr zweites Asylpaket in dieser Woche auf den Weg bringen. Doch noch gibt es viel Streit.
Im Herbst ging alles ganz schnell: Im Oktober wurde ein erstes Asylpaket geschnürt und durch den Bundestag gebracht, schon im November lag das zweite auf dem Tisch und vom Asylpaket III, mit dem die große Koalition den Flüchtlingszuzug eindämmen will, ist längst die Rede. Doch Nummer II hängt nun schon seit Wochen. Bisher sind die Streitpunkte zwischen SPD und Union noch nicht beigelegt.
Streit auch über die Schuldfrage
Die Schuld daran wiesen sich die Koalitionspartnerinnen am Montag gegenseitig zu. Es gebe auf Arbeitsebene eine Einigung in der großen Koalition, sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber am Montag in Berlin. Es liege „an der Parteiführung der SPD, diese gemeinsame Entscheidung nun auch umzusetzen“. Wann die Gesetze im Kabinett behandelt werden, ließ Tauber offen. Bisher gab es die Erwartung, dass das Paket am Mittwoch durchs Kabinett und damit auf den Weg gebracht würde.
SPD-Chef und Vizekanzler Sigmar Gabriel sprach von „Propaganda“, die er „langsam leid“ sei. Es gebe klare Verabredungen der Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD. Seit über einem Monat sei die Union aber nicht in der Lage, einen Vorschlag zur Umsetzung dieser Verabredung zu machen. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hatte am Wochenende angemahnt, dass Innenminister de Maizière „endlich den Gesetzentwurf vorlegt“.
Was aus Familien und kranken Flüchtlingen wird
Der seit November diskutierte Entwurf aus dem Innenministerium ist immer wieder verändert worden. Geplant war gleich zu Beginn, das umstrittene Flughafenverfahren – ein Schnellverfahren im Transitbereich von Flughäfen, das bisher für Asylsuchende aus sogenannten sicheren Herkunftsländern und für die ohne Ausweise gilt – auf weitere Flüchtlingsgruppen auszuweiten, den Familiennachzug und die Möglichkeiten für Kranke, ihrer Abschiebung zu entgehen, einzuschränken. Wer sich nicht an den Aufenthaltsort hält, den die Behörden zuwiesen, sollte mit „Sanktionen im Asylverfahren“ bestraft werden.
Die Wohnsitzfrage ist, weil verfassungsrechtlich heikel, ausgeklammert. In der Frage des Familiennachzugs allerdings lagen die Ansichten Medienberichten zufolge schon letzte Woche so weit nicht mehr auseinander. Angeblich soll er zwar generell für Flüchtlinge eingeschränkt werden, die nicht den vollen Status eines Flüchtlings erhalten, aber dennoch bleiben dürfen, zum Beispiel weil in ihrer Heimat Bürgerkrieg herrscht.
Die Einigung soll darauf hinauslaufen, dass Syrer von dieser Regelung ausgenommen werden. Auch davon, dass sie ihre Familien zwar aus Syrien, nicht aber aus einem sicheren Aufnahmeland wie der Türkei holen dürften, war die Rede.
Grüner Beck: Unmenschlich
Ein weiteres Streitthema war die Beteiligung von Flüchtlingen an den Kosten für ihre Integration, etwa an Sprach- und Integrationskosten. Dass auch verschärfte Regeln für kranke Flüchtlinge gelten sollen, die mit einem ärztlichen Attest ihr Bleiben in Deutschland durchsetzen, scheint ebenfalls zwischen den Koalitionspartnerinnen klar zu sein. So ist im Gespräch, sie auszuweisen, wenn sie auch außerhalb Deutschlands angemessen medizinisch versorgt werden.
Die Opposition läuft seit Bekanntwerden der ersten Pläne der Koalition Sturm gegen die neuerlichen Verschärfungen. Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, sprach am Montag von einer „Aushöhlung der Menschenrechte im Schnellverfahren“. Das Asylpaket II nehme Familien die Hoffnung auf einen legalen Nachzug zu ihren als Flüchtlinge anerkannten Verwandten und „treibt sie dadurch in die Hände der Schlepper“. Die Abschiebung auch lebensbedrohlich Kranker sei unmenschlich.
Die Regierung solle lieber die EU-Asylrichtlinien umsetzen und schnelle Asylverfahren ermöglichen. „Das würde die Rechte von Schutzsuchenden wahren, Länder und Kommunen entlasten und die Grundlage für eine erfolgreiche Integration schaffen“ sagte Beck dem Tagesspiegel.
Asyl III ist schon in Arbeit
Schon Mitte Oktober hatte der Bundestag ein erstes Asylpaket beschlossen. Es enthielt unter anderem die Rückkehr zum „Sachleistungsprinzip“ anstelle von Bargeld – wogegen in vergangenen Jahren die Kommunen protestiert hatten. Asylsuchende, deren Antrag abgelehnt wurde und die sich danach weigerten, Deutschland zu verlassen, sollten keinerlei Leistungen mehr erhalten. Gleichzeitig enthielt das Paket Verbesserungen für Flüchtlinge mit guten Bleibechancen, für die schon während des Verfahrens die Sprachkurse geöffnet wurden. Unbegleitete Minderjährige sollten besser aufs Bundesgebiet verteilt werden. Der „Bundesverband Unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ hatte dies kritisiert, weil er viele Länder auf die Bedürfnisse der jungen Leute nicht vorbereitet sah.
Inzwischen ist „Asyl III“ in Arbeit. Dabei geht es darum, Flüchtlingen Auflagen über ihren Wohnsitz zu machen. Da dies Probleme mit dem Grundgesetz aufwerfen könnte, hat die Koalition das heikle Thema aus dem zweiten Paket herausgenommen. Im Ziel sind sich die Koalitionsparteien jedoch weitgehend einig, Vizekanzler Gabriel äußerte sich positiv, Kanzlerin Merkel plädierte für eine Prüfung. Die Vorsitzende des Deutschen Städtetags, Ludwigshafens christdemokratische Oberbürgermeisterin Eva Lohse, sprach sich dafür aus, diese Vorschrift für die Zeit gelten zu lassen, in der Flüchtlinge noch keinen Arbeitsplatz hätten. Integration werde schwer, wenn sie die Sache weniger großer Städte und Ballungsgebiete werde.