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Polizisten vor dem Kölner Hauptbahnhof.
© dpa

Politik nach Köln: Vor dem Wettbewerb um die härteste Haltung

Union und SPD bringen sich nach Köln für Gesetzesänderungen in Stellung. Der Bund will die Ermittlungen möglicherweise an sich ziehen

Die Union, nervös geworden durch die Silvesterereignisse in Köln und anderen Städten, will in der Koalition zu schnellen Entscheidungen kommen. Die angezeigten sexuellen Übergriffe auf Frauen und die massive Diebstahlkriminalität, an denen mutmaßlich viele Asylbewerber beteiligt waren, haben die Befürchtungen verstärkt, dass die durch die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Teilen ohnehin irritierte Anhängerschaft sich nun gegen die Partei wendet.

Im März stehen wichtige Landtagswahlen an – in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz will die CDU die rot-grünen Regierungen ablösen und die Ministerpräsidenten stellen, in Sachsen-Anhalt will sie an der Macht bleiben. Am Samstag hat sie einen ganzen Katalog von Verschärfungen im Asyl-, Aufenthalts-, Polizei- und Sexualstrafrecht vorgelegt, den sie zügig in Gesetzesform gießen möchte.

Merkel selbst brachte ins Gespräch, Marokko und Algerien in die Gruppe der sicheren Herkunftsländer aufzunehmen, was Abschiebungen erleichtert. Unions-Fraktionsvize Thomas Strobl forderte von der SPD, schon an diesem Montag in die Gespräche einzusteigen. Der Wettbewerb beginnt: Wer ist hart, wer ist härter, wer am härtesten? Und wer reagiert schneller als der andere?

Oppermann: Aufklärung hat Vorrang

Die Sozialdemokraten gingen auf den Vorschlag am Sonntag mit Bedacht ein. Sie wollen sich offenkundig von der Union nicht treiben lassen, zumal führende Politiker der Grünen und Linken ausdrücklich gegen Strafverschärfungen sind und die bestehenden Gesetze jedenfalls im Asyl- und Aufenthaltsrecht für genügend halten. Er sei für eine schnelle Verständigung in der Koalition, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, fügte jedoch hinzu: „Es wäre falsch, wenn die schlimmen Gewaltexzesse zum Gegenstand einer ideologischen Auseinandersetzung in der Koalition werden.“

Die SPD wolle „unvoreingenommen“ prüfen, welche Gesetze geändert werden müssten. Bei der von der Union geforderten Einstellung von mehr Sicherheitspersonal und der stärkeren Nutzung von Videoüberwachung könne aber „schnell entschieden“ werden. Für Oppermann geht zunächst die Klärung der Tatsachen vor: „Wir müssen alle Kraft darauf verwenden aufzuklären, was passiert ist, und wie wir sicherstellen können, dass so etwas nie wieder passiert.“ Bei dem im November grundsätzlich beschlossenen Asylpaket II haben sich CDU, CSU und SPD in Details verhakt, das Gesetzespaket ist deshalb noch nicht umgesetzt.

Dass in Köln nicht zuletzt auch Asylbewerber an den Straftaten beteiligt waren, darauf deuten die Erkenntnisse der im und am Hauptbahnhof eingesetzten Bundespolizei hin, die am Sonntag aktualisiert wurden. Nach einer vom Bundesinnenministerium verteilten Übersicht waren 22 der bislang identifizierten 32 Beschuldigten Asylbewerber, die meisten davon offenbar aus Algerien und Marokko. Fünf waren Iraner, vier Syrer, drei hatten die deutsche Nationalität. Unter den 76 festgestellten Straftaten waren 46 Raub- oder Diebstahldelikte und 15 Körperverletzungen. Dazu gab es sieben sexuelle Nötigungen und fünf Beleidigungen auf sexueller Basis. Wie weit diese in Tateinheit begangen wurden, wurde nicht mitgeteilt. Wie weit sich dieses Bild auf das Gesamtgeschehen am Domplatz übertragen lässt, wird sich erst zeigen, wenn die Kölner Polizei an diesem Montag ihre Erkenntnisse vorstellt.

Maas glaubt an Absprachen, das BKA prüft

Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) scheint offenbar dazu zu neigen, die Ermittlungen an sich zu ziehen und die Bundesanwaltschaft damit zu beauftragen. Schon kurz nach der Silvesternacht war er mit der Einschätzung vorgeprescht, es könne sich bei den Taten möglicherweise um organisierte Kriminalität handeln. Dann dürfte er, wenn sich der Verdacht bundesweiter Verbindungen ergibt, die Aufklärung an den Bund ziehen. Am Sonntag schwächte er seine Einschätzung etwas ab. Er glaube, dass die Straftaten „in irgendeiner Form geplant“ worden seien. Niemand könne ihm erzählen, „dass das nicht abgestimmt oder vorbereitet wurde“, sagte er „Bild am Sonntag“.

Von organisierter Kriminalität (im Polizeijargon „OK“) sprach Maas nicht mehr. Ob die Übergriffe in Köln, Hamburg oder Stuttgart aber unter den OK-Begriff fallen oder einfache Bandenkriminalität dahinter steckt, ist nicht klar. „OK“ ist erst dann gegeben, wenn sie geschäftsmäßig und unter Anwendung von Gewalt oder Einschüchterung in festen Bandenstrukturen über längere Zeit hinweg betrieben wird.

Immerhin hat sich auch das Bundeskriminalamt, für das Innenminister Thomas de Maizière von der CDU zuständig ist, eingeschaltet. Nach einem Bericht der „Welt am Sonntag“ will das BKA ein bundesweites Lagebild erstellen, um das Vorgehen gegen bestimmte Tätergruppen besser abstimmen zu können. Ziel sind bundesweite „Bekämpfungsansätze“. Dass unter den nach Deutschland kommenden Asylbewerbern auch Kriminelle sind, ist keine ganz neue Erkenntnis. Zu deren „Metiers“ gehören neben Einbrüchen auch Geld- und Handydiebstähle. Maas warnte allerdings davor, allgemein Rückschlüsse auf die Gesetzestreue von Migranten zu ziehen: „Aus der Herkunft eines Menschen abzuleiten, ob er eher straffällig wird oder nicht, halte ich für abenteuerlich.“ (mit dpa)

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