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Familienzusammenführung - demnächst schwerer? Ein Mann umarmt Frau und Kind nach der Ankunft auf der griechischen Insel Lesbos an diesem Donnerstag.
© Bülent Kilic/AFP

Wieder ein Asylpaket: Mütter und Kinder sollen draußen bleiben

Zum zweiten Mal binnen weniger Wochen verschärft die Koalition das Asylrecht: Abschiebungen werden leichter, der Familiennachzug schwerer

Pläne, die deutsche Asylgesetzgebung erneut zu verschärfen, haben massive Proteste von Menschenrechtsexperten, der Opposition und Wohlfahrtsverbänden ausgelöst. Deutschlands nationale Menschenrechtseinrichtung, das „Deutsche Institut für Menschenrechte“ (Dimr), erklärte, der jetzt bekannt gewordene neue Gesetzentwurf nehme die derzeit hohen Flüchtlingszahlen „erneut zum Anlass, die Rechte von Flüchtlingen elementar und dauerhaft einzuschränken“.
Nach dem Referentenentwurf aus dem Bundesinnenministerium soll das umstrittene Flughafenverfahren - ein Schnellverfahren im Transitbereich von Flughäfen, das bisher für Asylsuchene aus sogenannten sicheren Herkunftsländern und für die ohne Ausweise gilt - auf weitere Flüchtlingsgruppen ausgeweitet werden. Der Familiennachzug und die Möglichkeiten für Kranke, ihrer Abschiebung zu entgehen, würden ebenfalls eingeschränkt. Wer sich nicht an den Aufenthaltsort hält, den die deutschen Behörden nach dem Königsteiner Verteilungsschlüssel zugewiesen haben, wird mit „Sanktionen im Asylverfahren“ bestraft. Der Text datiert vom Montag dieser Woche.

Caritas protestiert

Begründet werden die neuen Einschränkungen im Entwurf damit, dass „einer Überforderung der Aufnahme- und Integrationssysteme in Staat und Gesellschaft zuvorzukommen“ sei. Sie richten sich nicht nur gegen Menschen aus angeblich sicheren Herkunftsländern, sondern auch gegen solche Flüchtlinge, die bleiben dürften. Da ihretwegen „eine hohe Zahl von Anträgen auf Familiennachzug (zu) erwarten“ sei, müsse der begrenzt werden.
Die Flüchtlingshilfsorganisation Pro Asyl spricht von einem „Frontalangriff auf das individuelle Asylrecht“. Die Pläne bedeuteten, „Aushebelung des Rechtsstaats durch beschleunigte Asylverfahren, völliger Ausschluss vom Asylverfahren wegen Residenzpflichtverstoßes, Familientrennungen, Abschiebungen trotz lebensbedrohlicher Erkrankungen und eine exklusive Beauftragung willfähriger Abschiebeärzte“. Der Präsident des katholischen Caritas-Verbandes, Peter Neher, nannte „das Absenken von Standards im Asylverfahren nicht akzeptabel“, auch wenn die Politik ein berechtigtes Interesse habe, „angesichts der vielen Flüchtlinge handlungsfähig zu bleiben“. Für die Opposition meldeten sich der die Innenpolitiker Ulla Jelpke (Linke) und Volker Beck (Grüne) zu Wort. Jelpke erklärte, die Bundesregierung mache aus dem Asylrecht ein "Anti-Asylrecht", für Beck ist vom Bundesinnenminister nach den jüngsten Einschränkungen „wohl kein Funken Menschenrechtsbewusstsein mehr (zu)erwarten".

Zweite Verschärfung binnen Wochen

Erst im Oktober hatte die Bundesregierung im Schnellverfahren das Asylverfahrensgesetz novelliert und verschärft. Härten, die in den letzten Jahren teils wegen des Widerstands der Städte und Gemeinden abgebaut oder gemildert worden waren, wurden damit wieder aktuell, etwa das Sachleistungsprinzip, wonach Essen und Kleidung statt Geld an Flüchtlinge ausgegeben werden sollen. Asylbewerber müssen nun auch bis zum Abschluss ihres Verfahrens in den Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben. Seit Oktober wandte Deutschland auch wieder die Dublin-Regeln für Syrer an, die ein paar Monate lang für sie ausgesetzt waren. Demnach ist das EU-Land fürs Asylverfahren zuständig, das ein Flüchtling zuerst betritt. Das System scheiterte von Anfang an daran, dass es Europas Südländern den Löwenanteil der Asylbewerber aufbürdete.
Die Caritas wies auch auf die inneren Widersprüche des neuen und des älteren Asylpakets hin: Wen eine „ strenge Residenzpflicht“ treffe, der könne „unmöglich“ noch sein Recht auf Asyl wahrnehmen, weil er keine Anwälte suchen dürfe. Wie der Wohlfahrtsverband verwies auch das Dimr auf neue Gefahren, die die Pläne der Bundesregierung für verletzliche Flüchtlingsgruppen bedeuteten. Frauen mit kleinen Kindern würden dadurch auf lebensgefährliche Fluchten gezwungen, „statt als Familienangehörige sicher und legal einreisen zu können.“

Familien als sozialer Anker

Speziell die Politik gegenüber den Familien von Flüchtlingen war schon in der Vergangenheit von Hilfsorganisationen und Wissenschaft kritisiert worden. Sie betonen neben der moralischen Seite auch die praktische: Das Familienleben ermögliche Integration, ebenso wie das Wohnen bei bereits ansässigen Angehörigen – auch gegen den Königsteiner Schlüssel. Während der Regierungsentwurf davon spricht, einige Regionen in Deutschland seien „von der Dimension des Zuzugs überfordert“, empfehlen sie statt einer Zwangsverteilung Ausgleichszahlungen an diese Regionen. Wer bei Verwandten unterkomme, koste den Staat zudem deutlich weniger.

Andrea Dernbach

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