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Essen statt Euro - hier allerdings nicht als staatliche Leistung, sondern als erste Hilfe von Freiwilligen, die vor dem überlasteten Landesamt für Gesundheit und Soziales in Berlin-Moabit anpackten.
© F. Boillot/Davids

Debatte um Taschengeld für Flüchtlinge: Sachleistungen funktionieren seit 35 Jahren nicht

Dass man ihnen kein Geld gibt, soll Flüchtlinge abschrecken, nach Deutschland zu kommen. Die Idee ist nicht neu. Dafür ist der Verwaltungsaufwand hoch. Eine kleine Geschichte des Sachleistungsprinzips.

Seit kurzem ist wieder von der Umstellung von Geldzahlungen an Asylbewerber auf Sachleistungen die Rede, es wird über ihr Taschengeld debattiert und darüber, welche Anreize es biete, die eigene Heimat fürs deutsche Schlaraffenland zu verlassen. Neu ist die Debatte um das „Sachleistungsprinzip“ nicht; sie ist vielmehr nun 35 Jahre alt.

Der Begriff schaffte es erstmals im Jahre 1980 in die praktische Politik – mindestens auf diesem neuen Feld. Geläufig war er bis dahin aus der Krankenversicherung und bedeutet, dass Patienten als Versicherungsleistung kein Geld bekommen, sondern Therapie bei Ärzten, die dann die Kasse zahlt. Im Jahre 1980 nun beschloss die sozialliberale Bundesregierung unter Kanzler Helmut Schmidt „Sofortmaßnahmen“ gegen Asylbewerber.

Sozialhilfe für sie sollte, wo immer möglich, als „Sachleistung“ erfolgen, sprich über Lebensmittelpakete, Kleidungslieferungen und Ähnliches. Zuvor schon war ihnen das Arbeiten verboten worden, womit sie eigenes Geld hätten verdienen können. Ein Jahr später, 1981, wurde das Bundessozialhilfegesetz so geändert, dass Hilfe zum Lebensunterhalt für Flüchtlinge hieß, dass sie nur noch das „Unerlässliche“ erhielten.

"Kein Geld in einer Gesellschaft, die auf Geld gebaut ist"

Gesetz wurde die Sache zwölf Jahre später, nur kurz nach dem berühmten „Asylkompromiss“, als die Bundesrepublik per Grundgesetzänderung das Recht auf Asyl einschränkte:  Im Asylbewerberleistungsgesetz wurden 1993 nicht nur die Bedürfnisse von Asylbewerbern unter das Niveau anderer Sozialhilfeempfänger gedrückt. Das neue Gesetz verfügte auch, dass Leistungen an sie „unbar“ auszuzahlen seien, nicht mit Geld also, sondern über Gutscheine oder Essen.

Wer "Lügenpresse" ruft, ist von vornherein nicht an einer Diskussion interessiert, weil eine Diskussion ohne die Medien nicht stattfinden kann. Es gab von Seiten Pegidas kein Gesprächsangebot, weil die "Bewegung" darauf ausgerichtet war, sich zur größeren Öffentlichkeit hin abzuschotten.

schreibt NutzerIn FabMax

„In einer Gesellschaft, die zentral auf dem Tauschmittel und Fetisch des Geldes basiert; in einer Gesellschaft, die stolz darauf ist, dass vermittels des Geldes das effizienteste Austauschverhältnis zwischen Käufer und Verkäufer hergestellt und hierüber auch gesellschaftlicher Fortschritt und allseitiger Nutzen erreicht werden könne; in einer Gesellschaft, in der Statuszuweisung, gesellschaftliche Anerkennung und individuelles Selbstbewusstsein/Wohlbefinden in einem hohem Maße vom Gelde abhängen“, schrieb dazu Thomas Hohlfeld in seiner Doktorarbeit, die dem Thema gewidmet ist, „in dieser Gesellschaft also wird Flüchtlingen zum Zwecke der Abschreckung, der Stigmatisierung und Herabwürdigung die Auszahlung von Bargeld verweigert.“

Die Kommunen meutern

In der Praxis stießen die Bestimmungen immer wieder auf Widerstand – der Betroffenen, aber auch der staatlichen Stellen, die sich damit herumzuschlagen hatten: Es gab Streiks gegen die Essenslieferungen und Proteste, weil sie weder auf kulturelle Tabus Rücksicht nahmen noch immer so zusammengestellt waren, dass sich Mahlzeiten daraus zubereiten ließen.

Vor allem aber stöhnten die Kommunen unter dem Verwaltungsaufwand und den höheren Kosten, die Essenspakete und andere Sachleistungen für sie bedeuteten. Die Novelle des Asylbewerberleistungsgesetzes zog daraus 1997 erste Konsequenzen und lockerte den Vorrang des „Sachleistungsprinzips“. Was manche Länder, darunter damals auch Berlin, nicht abhielt, die kommunalen Stellen weiter zu zwingen, es einzuhalten.

Die schlechten Erfahrungen haben nicht verhindern können, dass das „Sachleistungsprinzip“ in Deutschland sich als ausgesprochen zählebig erwiesen hat. Zuletzt war davon 2009 im Koalitionsvertrag der zweiten Regierung Merkel die Rede: "Das Asylbewerberleistungsgesetz werden wir im Hinblick auf das Sachleistungsprinzip evaluieren", versprachen sich dort Schwarz und Gelb auf Seite 79. Danach ward vorerst nichts mehr von ihm gehört. Nun, sechs Jahre später, ist es wieder da - ob nur als Füllsel im Sommerloch, bleibt abzuwarten.

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