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US-Präsidentschaftsbewerber Bernie Sanders im Wahlkmapf in New Hampshire
© Mike Segar/REUTERS

Sanders siegt in New Hampshire: Kann so einer US-Präsident werden? Ja, durchaus!

Inzwischen ist Sanders Favorit im Rennen gegen Trump, obwohl er als radikal links gilt. Seine Wucht kann kaum unterschätzt werden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Im Oktober hatte er einen Herzinfarkt, jetzt füllt er wieder die Hallen. Insbesondere junge Menschen verehren ihn. Sollte er gegen Donald Trump gewinnen, wäre er mit 79 Jahren der älteste Präsident in der amerikanischen Geschichte: Bernie Sanders ist parteilos, kommt von ganz unten, lehnt Spenden von Großkonzernen ab.

Seine Anhänger sind stark in sozialen Netzwerken vertreten, dort verbreiten sie seine Reden gegen die Macht von Superreichen und die sich immer weiter öffnende Schere zwischen Arm und Reich.

Sanders will ein Sozialsystem wie in Deutschland

Sanders, Senator in Vermont, ist der Sieger bei den Vorwahlen der US-Demokraten um die Präsidentschaftskandidatur in New Hampshire. Auch der moderate Bewerber, Pete Buttigieg, hat erneut gut abgeschnitten, er liegt nur knapp hinter Sanders. Buttigieg und Sanders gehört das Momentum.

Warum Sanders? Ein untypischerer Politik-Typ ist in den USA kaum vorstellbar, zumal bei den Demokraten. Bill Clinton und Barack Obama – da glänzte etwas, da schwangen Aufbruch und Glamour mit. Sanders dagegen besticht vor allem durch die Stringenz seines Programms. Es lässt sich in einem Wort zusammenfassen: Gerechtigkeit.

Sanders will ein Sozialsystem wie in Deutschland, eine allgemeine Krankenversicherung, ein kostenloses Studium, einen Mindesturlaubsanspruch. Um das zu finanzieren, will er die Vermögenden kräftig zur Kasse bitten. Das klingt für europäische Ohren wenig radikal, in den USA indes werden Sanders’ Positionen als extrem links charakterisiert. Ein starker, fürsorglicher Staat, das hat dort den Beigeschmack von Anmaßung, Intervention, Kollektivismus.

[Mehr zu den Vorwahlen in den USA: Pete Buttigieg wird zum Hoffnungsträger]

Das ficht Sanders nicht an. Ähnlich wie Donald Trump es tat, wettert der Outsider gegen eine abgehobene gesellschaftliche Elite. Dazu zählen beide auch die Repräsentanten ihrer jeweiligen Parteien. Trump verachtete die Republikaner, bevor er Präsident wurde. Sanders und das Establishment der Demokraten beäugen sich ebenfalls misstrauisch. Bis heute werfen sie ihm vor, 2016 zu lange gegen Hillary Clinton kandidiert zu haben.

Anti-Parteien-Politiker wie Sanders liegen im Trend

Noch einmal: Warum Sanders? In globaler Perspektive verlaufen die neuen politischen Trennlinien zwischen national und sozialistisch und zwischen Kontrolle und Gerechtigkeit. Weil sich die meisten Parteien darauf noch nicht eingestellt haben, liegen Anti-Parteien-Politiker im Trend.

Bernie Sanders bei einer Wahlkampfveranstaltung in New Hampshire am 10. Februar.
Bernie Sanders bei einer Wahlkampfveranstaltung in New Hampshire am 10. Februar.
© Joseph Prezioso / AFP

Donald Trump und Boris Johnson wollen zum Nationalstaat zurück und dessen Grenzen stärker kontrollieren. Der österreichische Kanzler Sebastian Kurz hatte seinen Wahlsieg gegen die eigene Partei errungen. Emmanuel Macron gründete gar eine neue Partei, die „La République en Marche“, vorbei an Konservativen, Sozialisten und Le Pen.

Und über wen sprechen die Deutschen? Über Friedrich Merz, Hans-Georg Maaßen, Greta Thunberg. Die schwedische Klima-Aktivistin steht außerhalb der Parteien, Merz und Maaßen hadern mit ihrer Partei. Was früher Partei war, ist heute Bewegung.

Einige Parteien haben die Zeichen der Zeit erkannt und ein entsprechend klares Profil entwickelt, die dänischen Sozialdemokraten etwa, die britischen Tories, Fidesz in Ungarn oder die PiS in Polen. Deren Politik richtet sich auch gegen den Zuzug von Ausländern und Flüchtlingen sowie gegen die EU.

Das muss aus humanitärer Perspektive nachdrücklich kritisiert werden. Wer aber nicht sieht, dass diese Themen einen Nerv treffen, sollte sich nicht darüber wundern, wie leicht populistische Parolen verfangen.

Sanders' beeindruckende Konstanz und Integrität

Sanders bildet den Gegenpol zu einer Rhetorik, die die Vorzüge eines nationalstaatlichen Kontrollgewinns preist. Sein Thema ist die Gerechtigkeit, der Ausgleich. Sanders ist anti-militaristisch, anti-elitär, anti-kapitalistisch. Weil er all das schon immer war, strahlt er eine beeindruckende Konstanz und Integrität aus. Er wirkt authentisch.

Viele Wähler sehnen sich nach einem solchen Typ, nach einem, der Klartext redet und tut, was er sagt. Sie wollen, dass etwas passiert. Bloß kein Weiter-so, kein Kompromisslertum, kein Kotau vor Konzernen. Da bricht sich ein Wille zum Wandel Bahn, dessen Wucht kaum überschätzt werden kann.

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