zum Hauptinhalt
Die Gewinner in New Hampshire: Bernie Sanders, Pete Buttigieg und Amy Klobuchar
© Joseph Prezioso / AFP

US-Vorwahlen in New Hampshire: Sanders siegt, doch Buttigieg gelingt die Überraschung

Die zweite Vorwahl der US-Demokraten gewinnt Sanders. Aber auch Buttigiegs Ergebnis ist eine Ansage: Er wird zur moderaten Alternative – weil Biden abstürzt.

Pat Probencher sieht man ihre politische Überzeugung schon von weitem an – und das, obwohl die 89-Jährige wohl keine anderthalb Meter groß ist. An ihrer Zippjacke in den Farben der amerikanischen Flagge prangen zahlreiche Ansteck-Buttons: "Pete 2020" steht da, "Boot Edge Edge", und "We care, we vote", auf anderen sind Pete Buttigieg und sie selbst oder Pete Buttigieg und sein Ehemann Chasten Glezman zu sehen.

Pat Probencher ist ein Super-Fan des 38-Jährigen, 13 Mal hat sie den demokratischen Präsidentschaftsbewerber aus South Bend (Indiana) bereits bei Auftritten gesehen.

Am Dienstagabend wird es das 14. Mal sein, und die 89-Jährige ist fest davon überzeugt, dass sie dieses Mal einen Wahlsieger bejubeln wird. "Unser Land braucht einen jungen Präsidenten."

Und "Pete" werde gewinnen, denn: "Er ist der Mann, der die Kluft zwischen den Demokraten und den Republikanern überbrücken kann – in allen Altersklassen", sagt sie, während sie darauf wartet, in die Sporthalle des Nashua Community College reinzudürfen.

Fühlt sich ermutigt: Der ehemalige Bürgermeister von South Bend, Pete Buttigieg.
Fühlt sich ermutigt: Der ehemalige Bürgermeister von South Bend, Pete Buttigieg.
© Eric Thayer/REUTERS

In wenigen Stunden wird ihr Kandidat hier bei der Wahlparty seiner Anhänger erwartet. 1200 Fans und Unterstützer werden es nach Veranstalterangaben sein, darunter auch der Hollywood-Star Kevin Costner, der für Buttigieg Wahlkampf macht.

New Hampshire: Immer knapper wird es im Verlauf des Abends

Es wird ein langer Abend. Und ein enorm spannender. Immer weiter schiebt sich Pete Buttigieg nach vorne – aber am Ende reicht es für die ganz große Sensation nicht. Bei der zweiten Vorwahl der US-Demokraten in New Hampshire siegt knapp der Favorit: der linke Senator aus dem Nachbarstaat Vermont, Bernie Sanders. Die meisten Wähler in diesem Ostküstenstaat wollen, dass der 78-Jährige im November der Herausforderer von Präsident Donald Trump wird.

And the winner is: Bernie Sanders.
And the winner is: Bernie Sanders.
© TIMOTHY A. CLARY/AFP

Aber dass der vor einem Jahr noch weitgehend unbekannte ehemalige Bürgermeister einer mittelgroßen Stadt als Zweiter ins Ziel kommt, hier, in diesem Staat, den Sanders vor vier Jahren noch mit mehr als 22 Prozent Vorsprung gegen Hillary Clinton gewonnen hat, ist dennoch ein riesiger Erfolg. Vor allem auch deshalb, weil sich Buttigieg damit als die moderate Alternative von Sanders etabliert hat.

In einer landesweiten Umfrage liegt Sanders erstmals vorne

Aber Sanders' Anhänger haben natürlich mehr Grund zum Feiern. Klar ist: Der stärker werdende linke Flügel der Demokraten steht immer geschlossener hinter ihm. Der Hype um den oft so grummelig wirkenden 78-Jährigen, der noch am Montagabend mit einer extrem gut besuchten Konzert-Rallye seine vor allem jungen Anhänger begeisterte, zeigt sich auch zunehmend im Rest des Landes: Erstmals übernahm der als Unabhängiger antretende Sanders in einer Umfrage die landesweite Führung unter den demokratischen Präsidentschaftsbewerbern.

Laut einer neuen Erhebung der Universität Quinnipiac liegt Sanders mit 25 Prozent auf dem ersten Platz. Der bisherige Spitzenreiter, der ehemalige Vizepräsident Joe Biden, kommt nur noch auf 17 Prozent, er stürzt regelrecht ab.

Sanders wartet nicht, bis das Endergebnis vorliegt, um seinen Sieg zu feiern. Das muss er auch nicht, die Medien verkünden ihn schon. "Heute hat New Hampshire eine Botschaft gesandt, dass die Arbeiter bereit sind für eine politische Revolution in diesem Land", erklärt er. So könne Donald Trump geschlagen werden. "Bei diesem Sieg geht es nicht um mich. Es geht um uns."

Biden flüchtet aus New Hampshire

Dagegen steht der große Verlierer des Abends schon lange vor Schließung der Wahllokale fest: Angesichts desaströser Umfragewerte für New Hampshire hat sich Biden quasi selbst aus dem Rennen in New Hampshire genommen. Am Mittag schickt seine Kampagne eine Rundmail: Der 77-Jährige werde noch am selben Tag nach South Carolina fliegen und sich später per Videoschalte bei der Wahlparty seiner Anhänger melden.

Nachdem er schon in Iowa miserabel abgeschnitten hat, will er offenbar nicht noch mehr negative Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Er betont immer wieder, Iowa und New Hampshire seien lediglich der Anfang eines langen Rennens. Biden will sich nun voll auf South Carolina zu konzentrieren, wo am 29. Februar die vierte Vorwahl (nach Nevada am 22. Februar) stattfindet. In diesem Staat hofft er, seinen ersten Sieg einzufahren und so den Neuanfang zu schaffen.

Zwei Bewerber geben noch am Abend auf

Die Zweifel wachsen allerdings, dass ihm das gelingen wird, ob seine Kraft dafür reicht. Zwar ist er bei der dort enorm wichtigen Gruppe der Afroamerikaner sehr beliebt. Sie stellen mehr als die Hälfte der demokratischen Wählerschaft in South Carolina. Aber auch Bernie Sanders hat hier zuletzt zugelegt. New Hampshire kann der Anfang vom Ende der Präsidentschaftsträume Bidens sein.

Für zwei der zuletzt noch elf Bewerber ist es am Dienstag bereits offiziell zu Ende: Der Tech-Unternehmer Andrew Yang und Utahs Senator Michael Bennet geben noch am Abend auf. Ihre Kampagnen haben einfach nicht gezündet.

New Hampshire: Auch Elizabeth Warren enttäuscht

Enttäuschend ist der Abend auch für Elizabeth Warren, die ebenfalls eher linke Senatorin aus Massachusetts. Die 70-Jährige, die zwischenzeitlich als Favoritin des progressiven Lagers der Demokraten galt, bleibt wie Biden einstellig. Beide können sich keine einzige der insgesamt 24 Delegiertenstimmen für den Nominierungsparteitag der Demokraten im Juli sichern. Dafür wäre ein Ergebnis von mindestens 15 Prozent nötig gewesen. Viele von Warrens Wählern sind offenbar in Sanders' Lager gewechselt.

Dafür schneidet ihre Senatskollegin Amy Klobuchar aus Minnesota überraschend stark ab: Sie kommt auf den dritten Platz. Ein Grund dafür liegt offenbar in ihrem engagierten Auftritt bei der letzten TV-Debatte am vergangenen Freitag, als sie sowohl Sanders als auch Buttigieg hart anging. Danach sind ihre Umfragewerte rasant gestiegen.

Chaos von Iowa dauert an

Nach dem Auszählchaos beim "Caucus" in Iowa am Montag vor einer Woche, als es tagelang kein offizielles Endergebnis gab, hatte die zweite von insgesamt 50 Vorwahlen in New Hampshire enorm an Bedeutung gewonnen.

Buttigieg lag in Iowa am Ende überraschend knapp vor Sanders bei der entscheidenden Zahl der Delegiertenstimmen. Aber für Sanders sprachen sich die meisten Wähler aus – und aufgrund der Berichte über Unregelmäßigkeiten fordert er eine Überprüfung der Ergebnisse. In New Hampshire wurde ein ähnliches Debakel ausgeschlossen, da dort ganz normal mit Stimmzetteln gewählt wird – und nicht wie in Iowa in Bürgerversammlungen mit kompliziertem Auswahlmodus.

Kurioses frühestes Ergebnis

Das allererste Ergebnis aus New Hampshire kam übrigens schon am frühen Dienstagmorgen - und ist trotz völliger Irrelevanz eine kleine Überraschung: In Dixville Notch ganz im Norden des Bundesstaates, wo die abgegebenen Stimmen der fünf Wahlberechtigten direkt nach Mitternacht gezählt werden, gewinnt der Milliardär Michael Bloomberg. Und das, obwohl der ehemalige Bürgermeister von New York hier in New Hampshire gar nicht auf dem Wahlzettel steht. Der 77-Jährige steigt erst zum "Super Tuesday" am 3. März in das Rennen ein, wenn 14 Staaten gleichzeitig Vorwahlen abhalten, darunter das große Kalifornien.

In der landesweiten Quinnipiac-Umfrage konnte Bloomberg zumindest schon mal massiv zulegen: Mit 15 Prozent hat sich der Milliardär bereits auf den dritten Platz vorgeschoben. Er profitiert von Bidens Schwäche, und er hat hunderte Millionen Dollar aus seinem Privatvermögen in den Wahlkampf gesteckt.

Buttigieg zeigt sich entschlossen

In New Hampshire spielt das aber noch keine Rolle. Hier war zuletzt fast nur noch vom Duell Sanders versus Buttigieg die Rede. Nun steht es eins zu eins: Iowa ging an den Jungstar, in New Hampshire gewinnt der Politikveteran.

Während Sanders' Anhänger schon feiern – der US-Sender NBC News hat den Senator als Sieger ausgerufen –, steht Buttigieg auf der Bühne vor amerikanischen Flaggen und begeisterten Fans und hält eine 20-minütige Rede, die auch als Siegesrede funktioniert hätte.

Er spricht davon, dass manche nicht gewollt hätten, dass seine "Bewegung" überhaupt in diesem Rennen an den Start gehe. "Aber wir haben gezeigt: Wir sind gekommen, um zu bleiben!" Die Kampagne zieht jetzt weiter nach Nevada und South Carolina "und den Rest des Landes". Tosender Beifall erklingt. Und es wird klar: Hier steht an diesem Abend kein Verlierer.

Zur Startseite