Russlands Kriegseinsatz: Ein Syrien von Putins Gnaden
Vor genau zwei Jahren griff Russland ein - und hielt Assad an der Macht. Der Westen hat dies hingenommen. Das wird sich rächen. Ein Kommentar.
Es kann nur eine politische Lösung geben. Auf dem Schlachtfeld ist dieser Konflikt nicht zu beenden. So lautete jahrelang das Mantra der Diplomaten für Syrien. Bis zum 30. September 2015. An diesem Tag stiegen erstmals russische Kampfjets auf, um massive Angriffe gegen Stellungen der Opposition zu fliegen.
Genau zwei Jahre, abertausende Tote und millionenfaches Leid später ist in Syrien nichts mehr wie es war. Moskaus Militärmaschinerie hat Fakten geschaffen, an denen keiner vorbeikommt. Baschar al Assad kann sich seiner Macht wieder sicher sein.
Das Regime kontrolliert weite Teile des Landes. Für dessen Gegner bleiben nur noch kleine Rückzugsgebiete. Der Krieg mag noch nicht vorbei sein - entschieden ist er. Im geschundenen Syrien herrscht jetzt Friedhofsruhe. Assad verdankt sein Überleben Teheran und Moskau. Am Boden bereiteten vom Iran hoch gerüstete schiitische Milizen wie die Hisbollah das Terrain für den Herrscher. Doch erst Russlands Luftschläge sicherten die Überlegenheit der Assad-Getreuen ab. Von Anfang an war Moskau fest entschlossen, jeden Widerstand mit größtmöglicher Härte zu brechen. Gemäß dem zynischen Motto „Erst bomben, dann reden“.
Die Einwohner Ost-Aleppos haben das zu spüren bekommen. Verheerender Dauer-Beschuss war es, der ihr Schicksal besiegelte. Erst als alles in Trümmern lag, zeigten sich die Sieger vermeintlich gesprächsbereit. Nur: Die Verhandlungen waren und sind nichts anderes als ein Diktat. Sogenannte Waffenruhen, Deeskalationszonen und Flugverbotszonen gibt es nur von des Kremls Gnaden. Erkämpftes wird so abgesichert, der Form halber. Denn in Syrien geschieht nichts mehr gegen den Willen Moskaus.
Washington lässt Putin gewähren
Dass dort heute allein „Russia first“ gilt, dass Wladimir Putin inzwischen auch in anderen Ländern des Nahen Ostens ein gewichtiges Wort mitzureden hat, dafür ist Amerika mitverantwortlich. Wie schon sein Vorgänger Barack Obama lässt Donald Trump den Kremlchef gewähren.
Den US-Präsidenten interessiert allein ein Erfolg über den „Islamischen Staat“. Syriens neue machtpolitische Realitäten kümmern ihn ebenso wenig wie Assads Herrschaft, die allein auf Vernichtung gründet. Geschweige denn die Pein jener Millionen Menschen, die unter der Willkür des Machthabers leiden.
Doch dem Rest der Welt mangelt es ebenfalls an Empathie für die Opfer und Entschlossenheit gegenüber den Tätern. Wo war die viel beschworene Staatengemeinschaft, als in Syrien Krankenhäuser und Schulen dem Erdboden gleichgemacht wurden? Warum zeigt sie sich nach wie vor kleinlaut, wenn es darum gehen müsste, Folterexzesse in Syriens Gefängnissen zu ahnden? Man lässt Assad und seinen Schergen unbehelligt – aus Furcht vor Moskaus vermuteter Gegenwehr. So bleiben schlimmste Kriegsverbrechen ungesühnt. Auch russische.
Die Region militarisiert und radikalisiert sich
Dieses Wegducken wird sich rächen. Längst haben der Iran und Russland damit begonnen, Syrien unter sich aufzuteilen. Auch die Türkei mischt ohne Rücksicht auf Verluste mit. Die Region militarisiert und radikalisiert sich zusehends. Das bedeutet mehr blutige Konflikte, fanatische Islamisten und zu allem entschlossene Flüchtlinge. Daran wird nicht nur der Nahe Osten in den kommenden Jahren schwer zu tragen haben.