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Flagge zeigen. Auch im Norden Syriens ist das US-Militär (hier mit kurdischen Kämpfern) sichtbar.
© Delil Souleiman/AFP

Neue Phase der Geostrategie: Wie USA und Iran ihren Machtkampf in Syrien austragen

Der Iran will seinen Einfluss ausweiten, Amerika das verhindern. Unter Trump werden die Vereinigten Staaten zur Konfliktpartei.

Der Vorwurf wiegt schwer. Das syrische Regime plane einen weiteren Giftgasangriff auf das eigene Volk. Es drohe somit ein Massenmord. Sollte es tatsächlich dazu kommen, würden Machthaber Baschar al Assad und seine Armee einen hohen Preis zahlen. Das hat Donald Trumps Sprecher Sean Spicer jetzt angekündigt. In einer Mitteilung heißt es, man beobachte Aktivitäten, die den Vorbereitungen glichen, „die das Regime vor seinem Chemiewaffenangriff am 4. April 2017 getroffen hat“.

Damals waren bei einer mutmaßlichen Giftgasattacke auf die Stadt Chan Scheichun mehr als 80 Menschen getötet worden. Die USA machen Assad dafür verantwortlich, der weist die Anschuldigung zurück. Dennoch hatten die USA als Vergeltung Marschflugkörper auf einen Luftwaffenstützpunkt der syrischen Armee abgefeuert. Es war der erste direkte Angriff auf Stellungen des Regimes – und ein klarer Hinweis darauf, dass der US-Präsident es in Syrien wohl nicht allein dabei bewenden lässt, die Terrormiliz IS zu eliminieren.

Training für Rebellen

Anders als im Wahlkampf angekündigt, zeigen die Vereinigten Staaten unter Trump im Syrien-Konflikt ohnehin mehr Präsenz als unter Barack Obama. Die Zahl der im Land operierenden Spezialkräfte soll deutlich gestiegen sein; erst vor wenigen Tagen wurden Raketenwerfer an die jordanisch-irakische Grenze verlegt. Dort werden – auf syrischem Territorium – schon seit Längerem Anti-IS-Kämpfer von US-Militärs trainiert.

Das alles dürfte nicht nur als Abschreckung für Assad gedacht sein. Auch dessen Verbündetem Russland soll klargemacht werden, dass es nicht nach Gutdünken schalten und walten kann. Doch Amerikas verbales und militärisches Aufrüsten gilt nach Einschätzung von Beobachtern vor allem dem Iran. Teheran soll auf keinen Fall gestattet werden, Syrien und damit womöglich auch der Region seinen Stempel aufzudrücken. Laut Experten keine abwegige These.

Denn für den Iran stellt sich die Lage derzeit so dar: Der „Islamische Staat“ ist militärisch auf dem Rückzug, das unausgesprochene Bündnis mit den USA, den gemeinsamen Feind auch gemeinsam zu bekämpfen, damit hinfällig. Und Assads Herrschaft scheint stabiler denn je – dank tatkräftiger Hilfe aus Teheran. Zeit also, den politischen Lohn für den gewaltigen Einsatz einzufahren und die Zukunft Syriens nach eigenem Ermessen zu gestalten.

Ein Korridor bis zum Mittelmeer

Aus Sicht der Islamischen Republik folgt daraus: Syrien muss als geostrategisch wichtiges Land fester Bestandteil des eigenen Einflussgebietes werden. Schließlich gehört es zu den vorrangigsten Zielen der Mächtigen in Teheran, eine schiitisch geprägte Zone vom Iran bis zum Mittelmeer (also bis zum Erzfeind Israel) zu schaffen und diese zu kontrollieren. Ohne Syrien als Brückenpfeiler kann das nicht funktionieren.

Der Osten mit der Provinz Deir al Sor – ein weitgehend menschenleeres, gleichwohl ölreiches Wüstengebiet – spielt dabei eine zentrale Rolle. Dort gibt es bereits einen Machtkampf zwischen den USA und dem Iran. Denn Trump will unter allen Umständen auch dort Teherans Expansionsdrang Einhalt gebieten.

Dafür ist er bereit, einiges zu investieren und zu riskieren. In den vergangenen Wochen ist es denn auch mehrfach zu Zwischenfällen gekommen. Iranische Drohnen wurden abgeschossen, von Teheran ausgerüstete schiitische Milizen beschossen. Die Mullahs wiederum lassen keine Gelegenheit aus, um zu signalisieren: Hier haben wir allein das Sagen. So ließen sich hochrangige Vertreter der paramilitärischen Revolutionsgarden jüngst an der syrisch-irakischen Grenze gezielt öffentlichkeitswirksam fotografieren.

Syrien wird aufgeteilt

Experten werten all dies als eine neue Phase im Syrien-Krieg. Die Aufteilung des in großen Teilen zerstörten Landes hat offenbar begonnen. Jede Konfliktpartei versucht, sich Macht zu sichern. Die Kurden werden den Norden des Landes kaum wieder preisgeben. Assad und ihm loyale Kräfte kontrollieren jetzt die großen Städte Homs, Aleppo, Hama und Damaskus sowie die Mittelmeerküste. Das nutzt dem Iran, der sich darüber hinaus den Osten sichern will.

Was aus den aufständischen Sunniten einschließlich der Islamisten wird, ist dagegen noch völlig unklar. Im Moment haben sie sich in der westlichen Provinz Idlib gesammelt. Womöglich wird Washington darauf drängen, dort Schutzzonen einzurichten. Und Russland will bei derartigen Überlegungen zur Zukunft Syriens ein gewichtiges Wort mitreden. Dass die Aufteilung ohne Konfrontation vonstatten geht, ist daher kaum vorstellbar. Vor allem im Konflikt zwischen Teheran und Washington stehen die Zeichen auf Sturm.

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