USA und Iran: Trumps Kampf gegen "Schurkenstaat" Iran alarmiert Europa
US-Präsident Donald Trump will möglicherweise das Atomankommen mit dem Iran kippen. Die Europäer warnen - auch mit Blick auf Nordkorea.
Deutschland und andere Staaten sind alarmiert. US-Präsident Donald Trump hat in seiner Rede vor den UN deutlich gemacht, dass er sich an das Atomabkommen mit dem Iran nicht länger gebunden fühlt. Schon im Wahlkampf hatte er die Übereinkunft als den schlechtesten Deal bezeichnet, den Amerika je geschlossen habe. An dieser Haltung hat sich in den vergangenen Monaten nichts geändert. Im Gegenteil. Trump lässt keine Gelegenheit aus, die Verantwortlichen in Teheran zu attackieren. Der Iran sei ein Feind der USA, stifte im Nahen Osten ohne Unterlass Unruhe. Der „Schurkenstaat“ unterstütze zudem den internationalen Terrorismus und verstoße nicht zuletzt gegen den „Geist“ der Nuklear-Vereinbarung. Dieses Verhalten könne so nicht hingenommen werden. Beobachter schließen daher nicht mehr aus, dass Trump dem Abkommen in der bisherigen Form ein Ende bereitet.
Teherans Versprechen
Dabei hatte die internationale Gemeinschaft jahrelang in zähen Verhandlungen darauf gedrängt, dass die Teheraner Führung einer bindenden Vereinbarung zustimmt. Im Juli 2015 war das historische Abkommen zwischen dem Iran einerseits sowie den USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien, Deutschland und der EU andererseits schließlich unter Dach und Fach. Mit ihm sollte die Sorge vor einer iranischen Atombombe zerstreut werden. Teheran sicherte zu, seine Urananreicherung bis zu 25 Jahre lang einem mehrstufigen System von Beschränkungen und Kontrollen zu unterwerfen. Der Westen erklärte sich im Gegenzug bereit, die Mehrzahl der Wirtschaftssanktionen aufzuheben.
Außer der Regierung in Washington stellt niemand dieses Konstrukt infrage. Denn es funktioniere gut, heißt es immer wieder und einmütig von den anderen Unterzeichnerstaaten. Dabei wird vor allem auf die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) verwiesen. Die UN-Organisation überwacht, ob alle Auflagen erfüllt werden – und hat dem Iran mehrfach bescheinigt, dass er dies tut.
Trumps Ziele
Auch in der US-Regierung gab es wichtige Befürworter des Iran-Deals. Doch diese rücken seit Trumps scharfer Kritik ebenfalls von dem Übereinkommen ab. Unter ihnen ist Außenminister Rex Tillerson, der bisher zwar eine strenge Umsetzung des bestehenden Vertrages forderte, nun aber Änderungen verlangt. Damit schwenkt er auf die Linie seines Chefs ein – was die Zweifel am Fortbestand der Vereinbarung in seiner bisherigen Form verstärkt. Tillersons Sprecherin Heather Nauert benutzte in einem Fernsehinterview über das Abkommen bereits die Vergangenheitsform, ganz so, als sei das Schicksal des Vertrages schon besiegelt.
Trumps Regierung muss dem Kongress bis zum 15. Oktober mitteilen, ob sich der Iran an den Deal hält oder nicht. Der Präsident hat seit seinem Amtsantritt in zwei Berichten an den Kongress bestätigt, dass sich der Iran vertragskonform erhält. Diesmal will er das offenbar nicht mehr tun und damit neue US-Sanktionen gegen Teheran einleiten. Offiziell wäre das internationale Abkommen von dieser Einzelaktion der USA zwar nicht betroffen, faktisch allerdings würde sich Amerika mit neuen Sanktionen aus dem Vertrag zurückziehen. Washington will ihn nur dann erfüllen, wenn nachgebessert wird. Der „New York Times“ zufolge verlangt Trump zum einen, dass die Geltungsdauer des Vertrages verlängert wird: Nach bisherigem Stand werden die ersten Beschränkungen für die Iraner bei der Urananreicherung im Jahr 2025 aufgehoben. Zum anderen will der US-Präsidenten demnach die Entwicklung iranischer Langstreckenraketen bremsen.
Die scharfe Kritik des US-Präsidenten an dem Iran-Vertrag ist ein Mittel, um diese Ziele durchzusetzen: Trump will Druck auf seine europäischen Partner machen, um deren Zustimmung zu einer Erweiterung des Iran-Abkommens oder zu einer ganz neuen Zusatzvereinbarung zu erreichen. Iran lehnt alle Forderung nach Nachverhandlungen kategorisch ab.
Trump ist davon überzeugt, dass die im Abkommen festgelegte Aufhebung der Sanktionen dem Iran viele Vorteile verschafft habe. Von dem erwarteten Wohlverhalten Teherans könne aber keine Rede sein. Der Iran unterstütze Extremistengruppen wie die libanesische Hisbollah, mische in Syrien und im Jemen mit. Anhänger des Deals wie der französische Präsident Emmanuel Macron geben zu, dass die schiitische Großmacht trotz der Vereinbarung ihren Einfluss ausbaut und mit Raketentests Unruhe verursacht. Aber die Befürworter wollen die Probleme lösen, ohne den Vertrag zu kappen.
Macron betont, Trump habe ihm bisher nicht erklären können, was die USA an die Stelle des Iran-Abkommens setzen wollen. Auch andere Vertragspartner wie Russland zeigen keinerlei Bereitschaft, die Vereinbarung aufzukündigen. Ein Rückzug Trumps aus dem Vertrag könne Washington deshalb international isolieren, sagt Michael O’Hanlon, Experte an der Brookings Institution in Washington. Im Falle eines Rückzuges der USA hängt viel vom Verhalten der Iraner ab. Wenn alle Staaten außer den USA bei der Vereinbarung bleiben und auch Iran weiter zu dem Abkommen steht, hat sich Trump ins Abseits manövriert. Sollte Teheran jedoch angesichts neuer US-Sanktionen die Urananreicherung wieder hochfahren und damit den Vertragsrahmen verlassen, könnte dies amerikanische Militärschläge auslösen, sagt O’Hanlon.
Ruhanis Warnungen
Für Irans Präsidenten Hassan Ruhani ist die Sache ganz einfach. Sein Land erfülle alle Vorgaben, beteuert er immer wieder. Und versichert, dass Teheran den Deal von sich aus nicht brechen werde. Warum auch? Das Abkommen gilt als sein größter Erfolg. Er hat es gegen den massiven Widerstand der Hardliner durchgesetzt – in der Hoffnung, die Islamische Republik aus der Isolation zu holen. Was einerseits gelang. Andererseits lässt der erhoffte wirtschaftliche Aufschwung auf sich warten. Die Iraner murren, suchen vergeblich nach Jobs und einem besseren Leben. Diese schlechte Stimmung versuchen sich einflussreiche erzkonservative Kräfte im iranischen Establishment zunutze zu machen. Sie empfinden die Vereinbarung ohnehin als Verrat an den Werten der islamischen Revolution von 1979, als Kuschen vor dem Erzfeind USA. Ebenso wie ihr Gegenspieler Trump fordern die Verfechter einer harten Gangart, alles sofort rückgängig zu machen. Ruhani gerät so mittlerweile in Bedrängnis. Kein Wunder, dass der 68-Jährige mit einer „resoluten“ Antwort droht, sollte Washington sich vom Atomabkommen verabschieden. Das soll wohl heißen, dass der Iran in kurzer Zeit sein Nuklearprogramm wieder aufnehmen würde. Und: Den Vertrag neu zu verhandeln, lehnt Irans Präsident kategorisch ab.
Gabriels Sorgen
Für Deutschlands Außenminister steht fest: Eine „Zerstörung“ des Abkommens wäre nicht nur ein großer Rückschlag für die Diplomatie, sondern ebenfalls eine „große Gefahr für Frieden und Stabilität in der Region“. Sigmar Gabriel (SPD) war 2015 als damaliger Wirtschaftsminister der erste westliche Spitzenpolitiker, der nach Teheran reiste – mit der Absicht, deutschen Unternehmen eine gute Ausgangsposition für ein erhofftes Milliardengeschäft zu verschaffen. Scheitert das Abkommen mit dem Iran jetzt, hätten auch die Firmen das Nachsehen.
Doch Gabriel und die Befürworter der Vereinbarung mit dem Iran treibt noch etwas anderes um: Es könnte wieder zu einem riskanten atomaren Wettrüsten in der Region kommen. Und Nordkorea hätte ein weiteres Argument, sich jedem Gespräch über sein Nuklearprogramm zu entziehen.