Zehn Tage bis zur Amtseinführung: Donald Trumps perfides Spiel mit der Demokratie
Ministeranhörungen ohne komplette Unterlagen, Pressetermine ohne Fragen: Der künftige US-Präsident entzieht sich den gewohnten Regeln öffentlicher Rechtfertigung. Ein Kommentar.
Man muss Donald Trump nicht gleich zum Totengräber der Demokratie erklären. Dass er vieles anders machen will, ist nicht schlecht per se. Wahlen haben Konsequenzen. Er hat damit geworben, dass er die USA umkrempeln werde. Zu unterscheiden ist jedoch zwischen legitimen Kurswechseln in der Sachpolitik und Versuchen, das politische System des Landes auszuhebeln.
Zum Kern einer Demokratie gehören „Checks and Balances“: die Kontrolle der Regierenden durch gewählte Volksvertreter und Gerichte, kurz die Gewaltenteilung. Ebenso Transparenz und die vielen geschriebenen wie ungeschriebenen Regeln, die eine Regierung zwingen, sich gegenüber dem Souverän zu rechtfertigen. Trump zeigt einen beunruhigenden Ehrgeiz, sich ihnen zu entziehen.
Die demonstrative Verachtung der „Checks and Balances“ erreicht nun eine neue Dimension. Im US-System nominiert der Präsident seine Kandidaten für die Regierung, der Senat hört sie an und stimmt zu oder lehnt ab, wenn es ernste Bedenken gibt. Gründe können Interessenkonflikte sein, unethisches Verhalten, die Hinterziehung von Steuern oder Sozialabgaben. Immer wieder sind Ministerkandidaten über diese Hürde gestolpert.
Ethikwächter sprechen von Bruch der Regeln
Ernsthaft prüfen kann der Senat aber nur, wenn er umfassende Informationen über das Vorleben erhält. Trump und die Republikaner wollen die Anhörungen im Senat forcieren, obwohl die „Backgroundchecks“ nicht komplett sind. Die Ethikwächter sagen, so ein Vorgehen habe es seit Jahrzehnten nicht gegeben. Ein weiterer Test wird Trumps erste „Pressekonferenz“ am Mittwoch. Er hält sich offen, ob die Journalisten Fragen stellen dürfen.
Solche Provokationen hebeln nicht gleich die Demokratie aus. Anders als in der Türkei, wo Recep Erdogan sein Präsidialsystem durchboxt, sind die US-Medien frei, Trump zu kritisieren; niemand wandert deshalb ins Gefängnis. Anders als in Polen, wo die Regierung das Verfassungstribunal gezielt entmachtet und damit die Gewaltenteilung untergräbt, sind Amerikas Richter unabhängig. Sie werden freilich erst tätig, wenn es nicht mehr um Wortbruch oder Regelbruch geht. Sondern um Rechtsbruch. Die internationale Häufung zeigt: Die Einschränkung demokratischer Kontrolle wird weltweit zu einem Problem. Was tun, wenn demokratisch gewählte Kräfte ihre Macht missbrauchen, um die Demokratie auszuhöhlen?
Trump erfindet immer neue Ausreden
Es ist zu früh, um Trump eine so weit reichende Absicht zu unterstellen. Er hat aber offenkundig keinen Respekt vor Regeln. Trump geht perfide vor. Er stellt sie nicht infrage, er erfindet immer neue Ausreden, warum er sie gerade nicht einhalten könne. Seine Steuererklärungen hat er nicht veröffentlicht, obwohl alle Präsidentschaftskandidaten das seit Langem tun und auch er es versprochen hatte. Sie hätten gezeigt, ob er so reich ist, wie er behauptet, mit wem und wo er Geschäfte macht, ob er Steuern zahlt. Er werde das „später“ tun, sagte Trump im Wahlkampf. Es laufe eine Steuerprüfung. Auf „später“ wartet die Nation bis heute.
Als Medien die Interessenkonflikte zwischen Präsident Trump und Businessman Trump dokumentierten, kündigte er für Mitte Dezember eine Pressekonferenz an. Da werde er eine Lösung präsentieren. Die Pressekonferenz fand nicht statt. Wird er am Mittwoch Auskunft geben?
Die Republikaner als willige Gehilfen
Das bedenkliche Vorgehen im Senat ist nicht Trumps Schuld allein. Er nutzt die Rachegelüste zwischen Demokraten und Republikanern. Früher hatte die Opposition quasi ein Vetorecht. Für die Bestätigung eines Ministers waren de facto 60 von 100 Senatoren nötig. Als die Obstruktion der Republikaner gegen Obamas Kandidaten den Demokraten zu weit ging, schafften sie die Hürde ab. Nun sind sie machtlos, wenn die republikanische Mehrheit als Trumps willige Helfer auftritt. In einer idealen Demokratie würden die Volksvertreter zusammenstehen, wenn jemand von außen die Parlamentsrechte schmälert. Wann besinnen sich die Volksvertreter darauf, dass die Demokratie über der Partei steht?