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Greenpeace-Protest: eine Projektion auf der Berliner US-Botschaft in der Nacht zu Freitag.
© Reuters

Trumps Ausstieg aus Klimaabkommen: Die USA gegen den Rest der Welt

Der Ausstieg der USA aus dem Klimaabkommen ruft rund um den Globus große Empörung hervor. Welche Folgen hat dieser Rückzug? Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Die Welt ist geschockt über die Ankündigung des US-Präsidenten Donald Trump, aus dem Pariser Klima-Abkommen auszusteigen. Die USA gesellen sich nun zu Nicaragua und Syrien, die das Abkommen nicht unterzeichnet hatten.

Was bedeutet der Ausstieg der USA aus dem Klimaabkommen?

Die USA haben das Pariser Klimaabkommen von 2015 ratifiziert. Damit ist es auch für die USA völkerrechtlich bindend. Der bei den Vereinten Nationen hinterlegte Klimaschutzplan „Nationally Determined Contributions“ (NDC) dagegen ist freiwillig. Allerdings ist das Ziel des Abkommens, die globale Erhitzung deutlich unter zwei Grad, eher bei 1,5 Grad im Vergleich zum Beginn der Industrialisierung zu halten, nur erreichbar, wenn die Staaten ihre NDCs im Lauf der Jahre immer ehrgeiziger gestalten. Nun dürften die USA ihr NDC einfach nicht einhalten. Damit ist der neue Chef der Umweltbehörde EPA Scott Pruitt seit seinem Amtsantritt beschäftigt.

Er hat von Präsident Donald Trump den Auftrag, den Clean Power Plan der Umweltbehörde zurückzudrehen, der einen anspruchsvollen Kohlendioxid-Grenzwert für Kraftwerke in der Stromproduktion gesetzt hat. 19 Bundesstaaten haben bereits angekündigt, ihn trotzdem umzusetzen. Trumps Haushaltsentwurf stutzt die Umweltbehörde EPA um ein Drittel. „So klein war der Etat nicht einmal zur Zeit der Gründung in den 1970er Jahren durch den damaligen Präsidenten Richard Nixon“, sagt Margo Oge, die 18 Jahre lang die EPA-Abteilung Verkehr und Luftreinhaltung geleitet hatte. Die Klimaforschungsmittel sollen drastisch gekürzt werden.

In Grad Celsius würde der amerikanische Ausstieg aus der Klimapolitik einen Anstieg um bis zu 0,3 Grad bedeuten, haben die Welt-Meteorologie-Organisation (WMO) und einige andere Forschungsinstitute ausgerechnet. Das ist nicht, wie Trump in seiner Rede behauptetete „winzig“. Das entspricht etwa einem Drittel der globalen Erwärmung von etwa 1850 bis 2015, die zusätzlich nur verursacht durch die USA noch dazu kämen.

Was bedeutet der US-Ausstieg für die deutsche und europäische Klimapolitik?

Der Druck auf die europäische und insbesondere die deutsche Klimapolitik steigt. Gelingt es Deutschland nicht, sein Klimaziel für 2020 zu erreichen – bis dahin sollen die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um 40 Prozent sinken –, wird das international als Offenbarungseid aufgefasst werden. Wenn sich der Eindruck festsetzt, dass es nicht einmal die Deutschen schaffen, ihre Klimaziele einzuhalten, könnten sich auch China, Indien oder andere Schwellenländer nicht mehr an ihre Verpflichtungen gebunden fühlen.

Auch der Druck auf die Europäische Union steigt, die Lücke zu füllen, die die USA als Führungsmacht vor allem beim konkreten Klimaschutz hinterlassen. Mit den eher lauwarmen Klimazielen für 2030 dürfte es der EU jedenfalls nicht gelingen, die notwendige Glaubwürdigkeit zu erzielen, um das Pariser Abkommen zusammenzuhalten.

Obwohl es ziemlich lange dauert, bis die USA tatsächlich den Bruch vollziehen können, trägt der Ausstieg zu einer Verunsicherung der Wirtschaft bei. Und das könnte die Folge haben, dass weiterhin viel Geld in die Zerstörung des Klimas durch die Förderung von Kohle, Öl und Gas fließt. Trump soll EPA-Chef Pruitt den Auftrag gegeben haben, die USA aus dem Paris-Abkommen zu lösen, aber Teil der Klimarahmenkonvention von 1992 zu bleiben.

Das Paris-Abkommen kann Trump frühestens im November 2019 – drei Jahre nach Inkrafttreten – kündigen. Ein weiteres Jahr dauert es, bis die USA dann aus dem Abkommen entlassen werden wird. Da Trump angekündigt hat, er wolle ein „viel besseres Abkommen“ aushandeln, dürfte er versuchen, die multilateralen Verhandlungen zu sabotieren. Das könnte dazu führen, dass die aktuell gemeinsam abgehaltenen Weltklimagipfel, in denen die Versammlung der Klimarahmenkonvention (Conference of the Parties, COP) und die Vertragsstaatenversammlung des Paris-Abkommens wieder getrennt stattfinden müssten.

Dass es zu einer Art Massenflucht aus dem Klimaabkommen von 2015 kommen könnte, ist eher nicht zu erwarten. Doch die USA nach einem Regierungswechsel wieder ins Paris-Abkommen zurückzuführen, dürfte mindestens ein Jahrzehnt in Anspruch nehmen – ein Jahrzehnt, in dem im schlechtesten Fall viel zu wenig Klimaschutz umgesetzt wird.

Bringt der Ausstieg wirklich Vorteile für die USA?

Kurzfristig mag der Ausstieg für die Ölindustrie, die Schiefergasindustrie und die Kohlewirtschaft leichte Kostenentlastungen bringen. Doch echte Vorteile bringt der Ausstieg den schmutzigen Technologien nicht. Die amerikanische Kohleindustrie leidet nicht unter der Klimapolitik von Trumps Vorgänger Barack Obama, sondern unter einem Gas-Überangebot, das die Schiefergasindustrie auf den amerikanischen Markt gefördert hat.

Gegen das billige Gas hat die teurere Kohle kaum eine Chance. Deshalb dürften auch die amerikanischen Treibhausgasemissionen zunächst weiter sinken, weil weiterhin Kohlekraftwerke von Gaskraftwerken abgelöst werden. Allerdings warnt der Klimaökonom Ottmar Edenhofer vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung, dass die in den USA nicht mehr verwendbare Kohle nun billig auf den Weltmarkt drängt – und so den Klimanutzen der Gasverstromung in den USA global zunichte macht.

Trumps Standardargument von der „Schaffung von Jobs“ sticht schon lange nicht mehr. Im Januar hat das amerikanische Energieministerium einen Bericht über die Arbeitsplätze in der Energiewirtschaft veröffentlicht, der zeigte: 2016 arbeiteten in der amerikanischen Solarwirtschaft knapp 374.000 Menschen, in der Kohlewirtschaft lediglich 136.000. Selbst in der Öl- und Gasförderung arbeiten zusammengenommen lediglich 180.000 Menschen.

Im gesamten Sektor erneuerbarer Energien sind in den USA sogar 700.000 Arbeitsplätze entstanden. Der Ausbau erneuerbarer Energien wird auch ohne US-Klimapolitik weitergehen, weil Solarstrom und Windstrom viel billiger sind als Atomstrom oder Kohlestrom. Allerdings könnte das Tempo langsamer werden, und das würde nun gerade der Wählerbasis von Trump schaden. Denn die Wind- und Sonnenjobs sind vor allem in Staaten entstanden, die in ihrer Mehrheit Trump gewählt haben.

Wer zahlt in den Grünen Klimafonds ein, wenn die USA ausfallen?

Die USA haben 2014 nach Recherchen der Hilfsorganisation Oxfam 2,6 Milliarden Dollar in den Klimaschutz in armen Ländern investiert. Das entspreche 0,06 Prozent des US-Haushalts, argumentiert Jan Kowalzig von Oxfam. Trumps Vorgänger Barack Obama hatte dem Grünen Klimafonds insgesamt drei Milliarden Dollar zugesagt, eine Milliarde Dollar war bereits gezahlt, als er aus dem Amt schied. Insgesamt haben die Geberstaaten zehn Milliarden Dollar in den Fonds eingezahlt.

Deutschland, Frankreich, Japan gehören zu den großen Zahlern, die alle mehr als eine Milliarde Dollar in den Fonds gezahlt haben. Unter den Gebern sind aber auch Länder wie Indonesien, Peru, Chile oder Vietnam und die Mongolei. Wenn die USA ausfallen, werden vor allem die Europäer, Japaner und Kanadier einspringen müssen.

Hat Trump Recht, dass China und Indien gegenüber den USA bevorteilt werden?

Diese Wahrnehmung ist nur richtig, wenn man voraussetzt, dass die amerikanische und die chinesische sowie die indische Wirtschaft alle auf der gleichen Entwicklungsstufe stehen. Das ist aber nicht der Fall. In den USA begann der Kohlendioxid-Ausstoß Ende des 19. Jahrhunderts, in China oder Indien erst seit den 1970er oder 1980er Jahren. In absoluten Emissionen hat China zwar die USA überholt. Doch beim Pro-Kopf-Ausstoß von CO2 stehen die USA mit rund 16 Tonnen pro Jahr immer noch deutlich vor China mit etwa vier Tonnen. Die Europäer kommen im Schnitt auf rund zehn Tonnen.

Wie sich das Verhältnis der US-Regierung zu den Bundesstaaten ändert

Wieder obenauf im Weißen Haus: Chefstratege Steven Bannon.
Wieder obenauf im Weißen Haus: Chefstratege Steven Bannon.
© Kevin Lamarque/Reuters

Verändert sich das Gefüge zwischen Washington und den Bundesstaaten?

So wie Trumps Politik den krisengeplagten Europäern unabsichtlich einen neuen Ansporn für gemeinsames Handeln gibt, motiviert sie auch seine Gegner zu Hause in den USA. Bisher war schon bei der Einwanderungspolitik zu beobachten, dass sich einige Bundesstaaten und Städte offen gegen den Präsidenten stellen. Nun kommt die Klimapolitik als weitere Bühne für den Widerstand gegen Trump hinzu.

Seit Jahren schon setzt sich der Gouverneur von Kalifornien, Jerry Brown, für einen Plan ein, bei dem sich Länder, Provinzen und Kommunen freiwillig auf ehrgeizige Klimaziele festlegen. Bisher hat er rund 170 Teilnehmer zusammen – darunter sind souveräne Staaten wie Kanada und Mexiko, aber auch Stadtverwaltungen und Provinzregierungen wie beispielsweise Baden-Württemberg. Bei seiner Reise nach China wolle Brown nun ebenfalls die Werbetrommel für die Initiative rühren, meldete das Magazin „Politico“.

Während Brown von der US-Westküste aus in Richtung China aufbricht, öffnet Michael Bloomberg an der Ostküste seine Geldbörse. Der Milliardär und frühere New Yorker Bürgermeister will 15 Millionen Dollar aus den Mitteln seiner Wohlfahrtsorganisation Bloomberg Philanthropies an die Vereinten Nationen überweisen und damit den Betrag ausgleichen, den das UN-Klimasekretariat in Bonn durch Trumps Ausstiegsbeschluss verliert.

Bloomberg ist zudem die treibende Kraft hinter einer Bewegung aus Bundesstaaten, Großstädten, Unternehmen und Akademikern, die Amerika auf Klima-Kurs halten will. Bisher sind nach Angaben der „New York Times“ mehrere Dutzend Bürgermeister, drei Gouverneure, mehr als 100 Firmen und 80 Universitätsrektoren an Bord. Die Gruppe will Klimadaten sammeln und diese bei den Vereinten Nationen melden. Damit wird Trumps Rückzug aus dem Klimapakt schlicht und einfach ignoriert. „Wir tun alles, was Amerika getan hätte, wenn wir beim Vertrag geblieben wären“, sagte Bloomberg.

Brown und Bloomberg werden damit zu Gesichtern einer Spaltung der amerikanischen Klimapolitik. Nur etwa die Hälfte der CO2-Ziele der USA kann von Trumps Zentralregierung beeinflusst werden, etwa durch landesweite Vorschriften zum Benzinverbrauch von Autos, hat die „New York Times“ ermittelt. Allerdings müssen die Staaten sich eine Genehmigung in Washington holen, um ihre Luftreinhalte-Grenzwerte selbst zu setzen. Der neue Chef der amerikanischen Umweltbehörde, Scott Pruitt, hat bereits angekündigt, dass er Kalifornien dieses Recht entziehen wolle. Viele andere Maßnahmen sind Sache von Bundesstaaten oder Kommunen.

Was bedeutet Trumps Klimabeschluss für den Machtkampf im Weißen Haus?

Auf der anderen Seite der Klima-Spaltung in den USA steht Stephen Bannon. Der populistische Chefstratege Trumps im Weißen Haus arbeitete laut Presseberichten wochenlang daran, den Präsidenten zur Aufkündigung des Klimavertrages zu bewegen. Bannon habe Trump immer wieder mit Zahlen und Statistiken versorgt, die drohende Arbeitsplatzverluste in den USA und andere Nachteile für das Land aufgrund des Pariser Abkommens vorhersagten, berichtete die „Washington Post“. Andere Präsidentenberater hätten die Angaben als falsch, überholt oder einseitig bezeichnet, doch Trump zeigte sich beeindruckt.

Bannon, der zuletzt einige Niederlagen im Machtkampf gegen die Realpolitiker im Weißen Haus einstecken musste, kann damit einen wichtigen Erfolg verbuchen. Er hat gezeigt, wie radikal der Präsident den Schlachtruf „Amerika zuerst“ auslegt. Ober-Realo und Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster hatte noch kürzlich erklärt, „Amerika zuerst“ bedeute nicht „Amerika allein“. Die Klima-Entscheidung, mit der sich die USA gegen den Rest der Welt stellt, demonstriert nun aber, dass „Amerika zuerst“ eben doch auch das „allein“ einschließt.

Diese Maxime könnte sich demnächst auch in anderen Feldern der Politik zeigen. Trump hat Nachverhandlungen für andere internationale Verträge angekündigt und Deutschland und anderen Staaten indirekt gedroht. Für den Präsidenten geht es vor allem darum, seine rechtsgerichtete, globalisierungsfeindliche und nationalistische Wählerbasis zu bedienen.

Wie reagieren Wirtschaft und Märkte?

An den Börsen profitierten am Freitag Autowerte. Die Titel von VW, BMW und Daimler stiegen um jeweils rund zwei Prozent und waren unter den gefragtesten Werten im Dax. Auch die Kurse von Renault, Peugeot und Fiat zogen an. „Die Nachrichten aus den USA sind grundsätzlich gut für die Autobauer, möglicherweise werden nun auch Abgas-Vorschriften gelockert“, sagte Analyst Jürgen Pieper von der Privatbank Metzler.

Hunderte US-Unternehmen kritisierten derweil die Entscheidung in einem offenen Brief an den US-Präsidenten. Technologiefirmen wie Intel, HewlettPackard und Tesla sowie große Lebensmittelkonzerne und Kleidungsunternehmen unterzeichneten den Brief. Die Firmen unterstrichen, sie fühlten sich dem Klimaschutz weiterhin „zutiefst verpflichtet“. Ihr Ziel sei eine energieeffiziente und wenig Treibhausgase ausstoßende US-Wirtschaft. „Kosteneffiziente und innovative Lösungen können uns dabei helfen, diese Ziele zu erreichen“, heißt es in dem Brief. „Sich vom Ziel einer emissionsarmen Wirtschaft zu verabschieden, setzt den amerikanischen Wohlstand aufs Spiel.“

Zuvor hatten der Chef des Unterhaltungskonzerns Walt Disney, Robert Iger, und Tesla-Chef Elon Musk ihre Tätigkeit als Berater Trumps beendet. Kritik kam auch aus der Finanzbranche. Der Vorstandschef der Investmentbank Goldman Sachs, Lloyd Blankfein, schrieb bei Twitter, Trumps Entscheidung sei ein „Rückschritt für die Umwelt und für die Führungsposition der USA in der Welt“.

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