Krieg in Syrien: Die Hölle von Ost-Ghouta
Das Assad-Regime will mithilfe eines Arsenals des Schreckens den Widerstand in Ost-Ghouta brechen. Für die Menschen bedeutet das: Angst, Verzweiflung und Tod.
Die Hölle auf Erden hat einen Namen. Sie heißt Ost-Ghouta und befindet sich im Süden Syriens. Aus ihr gibt es kein Entrinnen, keinen Ausweg. Sie kennt nur Angst, Verzweiflung und Tod.
Schätzungsweise bis zu 400.000 Menschen leben dort – unter Bedingungen, die schwer vorstellbar sind. Über die dichtbesiedelte Vorortregion bei Damaskus wurde vor gut vier Jahren eine Blockade verhängt, weil dort 2013 Aufständische die Macht übernommen hatten.
Vor einigen Monaten hat dann das Regime von Machthaber Baschar al Assad den letzten Kontrollpunkt geschlossen, den einzig verbliebenen Schmugglertunnel dichtgemacht. Seitdem mangelt es in der ländlich geprägten Gegend dramatisch an allem, was zum Überleben wichtig ist: Trinkwasser, Lebensmittel, Medikamente, Treibstoff. Hilfslieferungen internationaler Organisationen kommen nur sehr, sehr selten durch. Wenn überhaupt. Es gibt weder Genehmigungen noch Sicherheitsgarantien für die Helfer.
Doch das Aushungern reicht Syriens Despoten offenbar nicht. Er will den Widerstand seiner dortigen Gegner mit aller Macht brechen. Dabei setzt er auf unvorstellbare Brutalität und russische Unterstützung. Seit Tagen fällt der Tod vom Himmel. Fassbomben, Bunkerbrecher, Streumunition – das ganze Arsenal des Schreckens wird aufgeboten, um Ost-Ghouta sturmreif zu schießen, die Einwohner und die sie ebenfalls schikanierenden dschihadistischen Milizen zum Aufgeben zu zwingen.
Aleppo dürfe sich nicht wiederholen, heißt es nun immer wieder beschwörend. Doch in Ost-Ghouta – eigentlich eine sogenannte Deeskalationszone, in der die Waffen schweigen sollen – passiert gerade genau das. Da kann die Weltgemeinschaft noch so wortreich über „Massaker“ klagen oder einen „Feldzug gegen das eigene Volk“ anprangern: Assad kümmert das wenig. Es hat ihn nie gekümmert. Syrien 2018 ähnelt auf fatale Weise dem Syrien von 2017. Oder von 2016. Oder von 2015. Oder 2014.
Schon seit sieben Jahren herrscht dort Krieg. So gut wie nichts ist besser geworden. Vielleicht ist alles heute sogar noch viel schlimmer. Denn die Menschen leiden mehr denn je unter den Konflikten, die fremde Mächte wie die Türkei, der Iran, Russland oder die USA auf syrischem Boden austragen und damit das Land erbarmungslos zu ihrem Schlachtfeld machen. Der dortige Krieg mit seinen mittlerweile vielen kleinen Kriegen erinnert an den Dreißigjährigen und dessen Verheerungen.
Wie im 17. Jahrhundert geht es auch im Syrien von heute um Einfluss und Egoismen. Um Stärkezeigen und darum, auf Kosten der Gegner zu profitieren. Das daraus resultierende Elend und die Not der Zivilbevölkerung schert niemanden. „Wir warten nur darauf, bis wir an der Reihe sind, zu sterben“, sagte ein Einwohner Ost-Ghoutas der Nachrichtenagentur Reuters.
Baschar al Assad rechtfertigt sein Vorgehen, das einem Vernichtungsfeldzug gleicht, mit dem Hinweis, der Beschuss auf die Hauptstadt Damaskus müsse endlich ein Ende haben. Es stimmt, islamistische Extremisten, fanatische „Gotteskrieger“ haben in Ost-Ghouta das Sagen und feuern mit Granaten Richtung Hauptstadt. Aber reicht das als Rechtfertigung aus, um die vielen hilflosen Familien unter Dauerfeuer zu nehmen und damit dem sicheren Tod zu überantworten?
Syriens Grauen spielt sich vor den Augen der Weltöffentlichkeit ab. Das Gemetzel, die Kriegsverbrechen sind durch die sozialen Medien überall sichtbar. Das Sterben findet in Echtzeit statt. Der ganze mörderische Wahnsinn ist dokumentiert. Die Schreie der Kinder, die Tränen der Mütter, die Hilflosigkeit der Ärzte, die aufgebahrten Leichen.
Nur: Es ändert nichts. Niemand wird sich Assad und seinen Vollstreckern in den Weg stellen. In Ost-Ghouta haben die Menschen die Hoffnung aufgegeben. Sie wissen längst, dass ihnen keiner zu Hilfe kommen wird. Und die Welt lässt es geschehen.