Politischer Streit beigelegt: Deutschland und Saudi-Arabien versöhnen sich
Monatelang herrschte zwischen Deutschland und Saudi-Arabien diplomatische Eiszeit. Nun scheint der Streit beendet zu sein. Sind alle Konflikte gelöst?
Zehn Monate sind in der Welt diplomatischer Gepflogenheiten eine kleine Ewigkeit. Insofern ist die jetzt verkündete politische Wiederannäherung zwischen Deutschland und Saudi-Arabien ein Erfolg für Außenminister Heiko Maas. Der SPD-Mann hat es offenbar über informelle Kanäle geschickt verstanden, den Golfstaat zu besänftigen.
Im Sinne halbwegs vernünftiger Beziehungen war das auch nötig. Maas’ Vorgänger Sigmar Gabriel hatte im vergangenen Herbst den Saudis „Abenteurertum“ im Nahen Osten vorgeworfen – und das Königshaus in Riad damit verärgert.
Der saudische Botschafter wurde aus der Bundesrepublik abgezogen, deutsche Firmen gingen bei Auftragsvergaben oft leer aus. Thronfolger Mohammed bin Salman erwartete, so hieß es, eine offizielle Entschuldigung. Nun sollen diese Verwerfungen der Vergangenheit angehören.
Hinter verschlossenen Türen
Ermöglicht wird dies durch eine für beide Seiten gesichtswahrende Formulierung. Maas’ bedauerte am Montag am Rande der UN-Vollversammlung in New York die „Missverständnisse“. „Wir hätten klarer in unserer Kommunikation und in unserem Engagement sein sollen.“ Auf den Anlass des Zerwürfnisses ging Maas nicht ein. Sein Kollege Adel al Dschubair war dennoch zufrieden und kündigte die Rückkehr des Botschafters nach Berlin an.
„Wenn diplomatische Beziehungen wieder aufgenommen werden, ist das für alle Beteiligten sinnvoll“, sagt Saudi-Arabien-Experte Sebastian Sons. Die Golfmonarchie sei nun mal ein wichtiger Partner in der Region. Dass sollte aber nicht bedeuten, strittige Themen wie den Krieg im Jemen oder Menschenrechtsverletzungen künftig außen vor zu lassen.
„Seit dem Abzug des saudischen Botschafters gab es gar keine Gesprächskanäle. Jetzt ist das wieder anders. Das ermöglicht es der deutschen Seite, Heikles anzusprechen – hinter verschlossenen Türen und nicht undiplomatisch in aller Öffentlichkeit.“ Konfliktfrei dürfte sich das Verhältnis dennoch nicht gestalten.
Uneins in Sachen Iran
So liegen das Königreich und die Bundesregierung in Sachen Iran weit auseinander. Aus Sicht des Herrscherhauses sind die Mullahs in Teheran gefährliche Unruhestifter. Wie US-Präsident Donald Trump hält auch Riad vom Atomabkommen herzlich wenig. Diese Übereinkunft wollen wiederum Deutschland und die EU unbedingt retten und Amerikas Sanktionen möglichst aushebeln.
Das halten die saudischen Machthaber für grundfalsch. Insbesondere der ehrgeizige Kronprinz Mohammed bin Salman ist Irans erklärter Feind. So hat der Thronfolger vor Kurzem Teherans Revolutionsführer Ali Chamenei mit Adolf Hitler verglichen und angedeutet, Riad könnte innerhalb der iranischen Grenzen tätig werden, um das gegnerische Regime zu erschüttern.
Prompt machten die Mullahs die Saudis für den Tod von mindestens 25 Menschen bei dem Anschlag auf die iranischen Revolutionsgarden vorige Woche verantwortlich. Außerdem liefert sich Saudi-Arabien einen Machtkampf mit dem kleinen, aber reichen und ambitionierten Katar, der die Spaltung der arabischen und islamischen Welt weiter vertieft. Das Emirat hat sich die Unterstützung des Iran und der Türkei gesichert.
Potenziell folgenreicher für den Machterhalt des Kronprinzen sind interne Rückschläge. Dessen Vater, König Salman, hat den Börsengang des Ölkonzerns Aramco gekippt und damit eine wichtige Geldquelle für ökonomische Reformen versiegen lassen. Zudem hat sein Sohn Mitglieder der Königsfamilie gegen sich aufgebracht.
So ließ bin Salman einige Prinzen unter dem Vorwand der Korruptionsbekämpfung festnehmen und erst nach Zahlung hoher Bußgelder wieder auf freien Fuß setzen. Kürzlich machte ein Onkel des Kronprinzen die Spannungen in der traditionell um Einigkeit bemühten Herrscherfamilie gar öffentlich.
Prinz Ahmed bin Abdulaziz al Saud, Halbbruder des Königs, distanzierte sich angesichts des desaströsen Kriegs im Jemen vom Thronfolger: „Was hat die Familie damit zu tun?“
Christian Böhme, Thomas Seibert