Brexit, Trump und AfD: Das ist kein Populismus mehr, das ist Ernst
Was Trump, die AfD und Brexit-Befürworter gemeinsam haben? Populismus hat sie groß gemacht und jetzt müssen sie ernst genommen werden. Auch von den eigenen Wählern. Ein Kommentar.
Es ist jetzt kein Spaß mehr und auch kein Protest. Jetzt hat es Folgen. In Europa und den USA sind die Populisten auf dem Vormarsch. Sei es Donald Trump in den Staaten, Frauke Petry mit ihrer AfD in Deutschland oder Nigel Farage mit seiner radikalen Ukip in Großbritannien. Sie alle eint, dass sie dereinst als Polit-Clowns und Krawallmacher belächelt wurden, dann verteufelt und nun in einer Position sind, in der sie ernst genommen werden müssen. Auch – und das ist neu – von den eigenen Wählern.
Am deutlichsten wird das an Farage. Ohne ihn gäbe es das Brexit-Referendum wohl nicht. Seit Langem hetzt er gegen die EU, von 1999 an sogar im europäischen Parlament. Seine Wähler: von den Torys enttäuschte Konservative, Abgehängte. Wir hier unten gegen die da oben – mit dieser Formel begeistern Populisten Menschen überall. Doch seit Kriegsende waren die Konsequenzen nie so greifbar und potenziell fatal wie bei der heutigen Abstimmung im Vereinigten Königreich.
Für die Populisten ist es eine Stunde der Wahrheit
Wie real das Risiko ist, scheint den Wählern klar zu werden. Nachdem die Brexit-Befürworter in Umfragen lange vorne lagen, führte nun zwischenzeitlich das Remain-Lager. Mit dem Schock über den Mord an der pro-europäischen Abgeordneten Jo Cox allein lässt sich das nicht erklären. Und die Buchmacher sehen die Wahrscheinlichkeit eines Verbleibs in der EU ohnehin bei mehr als 70 Prozent. Zu beobachten ist vielmehr eine Stunde der Wahrheit für die Populisten. In den kommenden Tagen und Wochen wird sich zeigen, ob es wirklich die einfachen Antworten auf komplexe Fragen sind, die so viele Wähler zwischen Warschau und San Francisco überzeugten. Oder ob es doch nur ein Denkzettel für das verhasste Establishment werden sollte.
Einiges spricht dafür, dass der Zenit für die Rechtspopulisten erreicht sein könnte. Da ist Donald Trump, der in den Vorwahlen laienhaft, aber effektiv von Erfolg zu Erfolg polterte. Kaum hatte er eine echte Machtperspektive, brach er in den Umfragen ein, liegt nun deutlich hinter der Herausforderin der Demokraten, Hillary Clinton. Ein Mann, der sagt, was das Volk denkt, ohne Rücksicht auf Verluste, das kam an bei vielen US-Bürgern – theoretisch. Aber so jemandem, ganz praktisch, die Codes für das nukleare Waffenarsenal aushändigen, wie Clinton das formulierte?
Das Monster, das sie erschaffen haben, hat keine Chance
Die Populisten stecken in einem Dilemma. Sie werden bewundert, weil sie sich vom politischen Mainstream unterscheiden, doch mit Positionen zu weit rechts der Mitte sind auf Dauer keine Mehrheiten zu holen. Trump hat das erkannt und seinen Wahlkampfmanager Corey Lewandowski gefeuert und von Sicherheitsleuten aus dem Trump-Tower eskortieren lassen.
Lewandowskis Strategie bestand darin, „Trump einfach Trump sein zu lassen“. Seine Entlassung muss als Signal für einen Neuanfang verstanden werden, für einen präsidiableren Trump. Schließlich dämmert den Republikanern gerade, dass das politische Monster, das sie erschaffen haben, keine Chance gegen Clinton hätte. Hunderte Delegierte wollen Trump aus Gewissens-, vor allem wohl aber aus taktischen Gründen beim anstehenden Parteitag nicht wählen, obwohl sie dafür ein Mandat erhalten haben. Es ist die Notbremse, die Angst vor der Angst der Wähler.
Mit der Macht wächst auch das Misstrauen
Auch in Deutschland zeichnet sich eine solche Richtungsentscheidung ab. Die AfD sitzt in der Hälfte aller Landtage, könnte laut Umfragen 2017 mit bis zu 15 Prozent in den Deutschen Bundestag einziehen. Die schiere Präsenz der Partei beeinflusst längst die Politik der Etablierten. Doch mit jedem bisschen Macht, das die Partei dazugewinnt, wächst das Misstrauen der eigenen Anhänger. Zumal die Parteichefs Jörg Meuthen und Frauke Petry sich gerade gegenseitig demontieren.
Die Wutbürger wenden sich den Rechten zu, weil sie die Veränderung hassen, weil sie Angst haben. Die Regierungen haben ihnen zu lange nicht zugehört. Aber deswegen wirklich denen die Macht geben, die am wenigsten Erfahrung haben, die selbst am unsichersten sind? So unvernünftig werden selbst diese Wähler hoffentlich nicht sein.
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