Vor dem Brexit-Referendum: Tausende gedenken ermordeter Jo Cox
Am Tag vor dem Brexit-Votum haben Tausende in London das Wirken der getöteten Labour-Abgeordneten Jo Cox gewürdigt. Die EU-Befürworterin wäre Mittwoch 42 Jahre Jahre alt geworden.
An einem hektischen letzten Wahlkampftag im London, in der David Cameron mit hochgekrempeltem Hemd auftrat, der ehemalige Premier Gordon Brown sich einmischte („Das Großbritannien, das ich liebe, ist besser“) und der Ukip-Führer Nigel Farage aus „familiären Gründen“ einen Auftritt im Fernsehen absagte, stand die Veranstaltung auf dem Trafalgar Square heraus. Am Tag, an dem die vor wenigen Tagen ermordete Labour-Abgeordnete Jo Cox 42 Jahre alt geworden wäre, kamen Freunde und Prominente unter der Nelson-Säule zu einer Gedenkveranstaltung zusammen, um das Leben und Wirken von Cox zu feiern.
„Ich wünschte, ich wäre nicht hier“, sagte Brendan Cox, Jo’s Witwer, der sich während seiner Rede immer wieder die Tränen wegwischen musste. „Jo lebte für das, woran sie geglaubt hat. Am Donnerstag ist sie dafür gestorben.“ Einen Tag vor dem Brexit-Referendum nannte er ihren Tod „einen Terrorakt, der zu Hass gegen andere anstacheln sollte“, er wollte aber auch klarstellen, dass sie nicht 1 Meter 50 groß war, wie überall berichtet wurde, sondern 2,5 Zentimeter größer. Sie sei ein Mensch gewesen, der zu einer Fahrradtour ihr Fahrrad vergessen konnte, und nicht kochen konnte. Vor allem aber sei sie eine wunderbare Mutter gewesen.
Schon tags zuvor hatte Cox in einem bewegenden Fernsehinterview über seine Frau gesprochen und betont, dass seine Frau über den Zustand der Politik beunruhigt gewesen sei: „Die aktuelle Politik stand für sie oft für Spaltung, für Spiele mit Ängsten und nicht für Appelle an die besten Instinkte der Menschen”, sagte er.
Vor rund 10.000 Menschen auf dem Trafalgar spielte die Folk-Band Diddley Dee, die auch bei der Cox-Hochzeit aufgetreten war, Lily Allen sang „Somewhere Only We Know“ und die Menschenrechtlerin Malala Yousafza und die Schauspieler Bill Nighy und Gillian Anderson sprachen und trugen Gedichte vor.
Zugeschaltet aus Batley, Jo Cox’ Heimartort, war auch ihre Schwester Kim Leadbeater. „Jo“, sagte sie, „hätte gewollt, dass die Menschen sich gegen ein Auseinanderdividieren stellen.“
Obwohl die Veranstaltung vor allem den Menschen Cox feiern sollte, war der politische Unterton, so kurz vor dem Referendum unüberhörbar. Die Gedenkveranstaltung vor der National Gallery für Jo Cox war ein Plädoyer für die Einheit der Nation und einen Verbleib Großbritanniens in der EU.
Doch auch das blieb in diesem gespaltenen Land nicht unwidersprochen: Noch während der Veranstaltung flog mehrfach flog ein alter Doppeldecker über den Trafalgar Square hinweg. Es zog ein Banner hinter sich her: „Take control. Vote Leave.“ Es war nicht die Botschaft von Jo Cox.