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Nigel Farage und sein umstrittenes Plakat.
© REUTERS

Nigel Farage: Ohne ihn gäbe es kein EU-Referendum

Der Populist Nigel Farage hat den Brexit zu seinem Lebensthema gemacht - und das Referendum zu einer Abstimmung über Migration. Ein Porträt.

Vor 24 Jahren verließ Nigel Farage die Konservative Partei, weil der damalige Premier John Major den Vertrag von Maastricht unterschrieb. Seitdem kämpft der ehemalige Börsenhändler gegen die EU, meistens im Pub mit einem Pint Bier in der Hand, mal im Europäischen Parlament, dem er seit 1999 angehört. Nach einer Rede des Ratspräsidenten Herman van Rompuy rief er ihm zu, dieser habe „das Charisma eines nassen Lappens“. Und als Premier David Cameron aus Brüssel zurückkam mit dem, was er den übrigen Mitgliedsländern abgehandelt hatte, höhnte Farage über einen "wahrhaft armseligen Deal".

Der mit einer Deutschen verheiratete Farage hat sich in diesen 24 Jahren gewandelt: Aus dem lange belächelten Little Englander, wie die nationalistischen Briten abfällig genannt werden, ist ein erfolgreicher Rechtspopulist geworden. Die von dem 52-Jährigen geführte United Kingdom Independence Party (Ukip) ist mit einem Sitz im Parlament vertreten. Ohne Ukip, die sich jedem europakritischen Tory als neue Heimat anbot, hätte sich David Cameron vermutlich niemals zum Versprechen eines Referendums hinreißen lassen.

Und auch im Vorlauf zu der EU-Abstimmung am Donnerstag war es Farage gelungen, sie zu einer Debatte über Einwanderung zu machen. Die Warnungen über die Kosten und Risiken eines Brexits, die aus der ganzen Welt nach Großbritannien drangen und auf die auch Cameron setzt, fanden so kaum Gehör. Auf die wirtschaftlichen Risiken eines Ausstiegs angesprochen, zuckt Farage gern mit den Schultern: "Na und? Selbst wenn das Pfund ein paar Punkte fallen sollte, sei’s drum: Wir haben eine freie Währung, und es wäre gut für die Exporte." Farage hatte ein Thema, mit dem die Briten nie viel anfangen konnten, aufgeladen - mit Affekten und Ressentiments.

Wie wirkt der Mord an Jo Cox sich auf das Referendum aus?

Auch am vergangenen Donnerstag war das so, als er ein Plakat vorstellte, auf der eine lange Schlange von Migranten zu sehen war. Überschrift: „Die EU hat uns im Stich gelassen.“ Nur kurz darauf wurde die Labour-Abgeordnete Jo Cox ermordet – und damit hatte Farage für einige endgültig seien Unschuld verloren und war zum Hetzer geworden. Auf der Webseite des "Spectator" schrieb der Journalist Alex Massie: "Also, nein, Nigel Farage ist nicht für den Mord an Jo Cox verantwortlich. Und auch die 'Leave'-Kampagne nicht. Aber sie sind verantwortlich für die Art und Weise, wie sie ihre Argumente vorgebracht haben." Und auch die konservative Politikerin Sayeeda Warsi begründet ihre Kehrtwende von "Leave" zu "Remain" mit Farages Plakat: "Wollen wir wirklich Lügen erzählen und Hass und Fremdenfeindlichkeit verbreiten, nur um eine Kampagne zu gewinnen?"

Farage sieht die Verbindung zwischen dem Mord und der Brexit-Kampagne andersherum und beklagt eine Instrumentalisierung durch die EU-Befürworter: "Wir hatten eine Dynamik entwickelt, bevor es zu dieser furchtbaren Tragödie kam", sagte der 52-Jährige. Wie sehr die Stimmung, die sich wieder ein kleines Stück in Richtung Verbleib verschoben hat, überhaupt von dem Mord an Jo Cox beeinflusst wird, ist jedoch umstritten. Die Umfragewerte lassen sich schließlich auch deshalb so schlecht einordnen, weil es keine Vergleichswerte gibt – die letzte EU-Abstimmung ist 40 Jahre her.

Farage hat es bisher nicht ins Unterhaus geschafft

Farage, der seit 24 Jahren nur ein Thema kennt, hat ironischerweise einen großen Trumpf: Das Desinteresse der Briten an seinem Thema, an Europa: Bei der letzten Parlamentswahl gingen von den Über-65-Jährigen, die allgemein besonders europakritisch sind, 78 Prozent wählen, während die Wahlbeteiligung bei den mehrheitlich pro-europäischen 18- bis 24-Jährigen nur bei 43 Prozent lag.

Als sich die Mitglieder des Unterhauses am Montag zu einer Gedenkstunde versammelten, um an Jo Cox zu erinnern, ging es auch darum, Einheit zu demonstrieren. Nigel Farage war nicht dabei: Er hatte bei der Parlamentswahl im vergangenen Jahr nicht genügend Stimmen bekommen.

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