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Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan facht die Spannungen wieder an – und besorgt auch die EU.
© Francois Lenoir/Reuters

Krach um Geisterstadt auf Zypern: Erdogans Wahlkampfhilfe facht Spannungen an

Der türkische Präsident Erdogan mischt sich in den Wahlkampf im türkischen Teil Zyperns ein. Die griechische Seite fasst das als Provokation auf.

Vor einem halben Jahrhundert war Varosha ein Urlauberparadies mit einem kilometerlangen Traumstrand an der Ostküste Zyperns. Doch seit die griechischen Bewohner der Gegend bei der Teilung der Insel 1974 vor den türkischen Truppen flohen, ist Varosha eine Geisterstadt: Die Hotelbauten sind halb verfallen, auf den Straßen sprießt Gras aus dem Asphalt, das Viertel ist mit Stacheldraht abgesperrt.

Nun gibt es neuen Streit um Varosha. Mit Unterstützung des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan öffneten die Behörden im türkischen Teil von Zypern am Donnerstag den Strand wieder für Besucher. Die Spannungen im östlichen Mittelmeer, die sich gerade etwas gelegt hatten, werden damit neu angefacht.

Nach dem Plan von Ersin Tatar, dem Regierungschef des türkischen Inselteils, werden anderthalb Kilometer des Strandes zugänglich gemacht; die Hotels im griechischen Besitz bleiben vorerst unangetastet, so wie es die UNO vor mehr als 30 Jahren angeordnet hatte.

Tatar verspricht sich von dem freien Zugang zum Strand von Varosha einen Impuls für den Fremdenverkehr in Nordzypern. Zugleich ist die Strandöffnung ein politisches Signal, das den Anspruch der international nicht anerkannten „Türkischen Republik Nordzypern“ auf Varosha unterstreicht.

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Die Aktion soll Tatars Chancen bei der Präsidentenwahl im türkischen Sektor von Zypern an diesem Sonntag verbessern. Tatar ist ein enger Verbündeter der Türkei, während sein Hauptgegner, Amtsinhaber Mustafa Akinci, mit Ankara über Kreuz liegt. Akinci hat seit seiner Wahl 2015 mehrmals den Zorn der Erdogan-Regierung auf sich gezogen, indem er auf die politische Eigenständigkeit der türkischen Zyprer pochte.

Nach Tatars Ankündigung der Strandöffnung beschwerte sich Akinci, der in Umfragen hinter seinem Rivalen liegt, über die Einmischung aus Ankara in den Wahlkampf. Die Türkei erkennt Nordzypern zwar als unabhängigen Staat an, betrachtet den Inselteil aber als ihren Hinterhof. Ankara hat rund 35.000 Soldaten im Norden Zyperns stationiert und finanziert den Staatshaushalt der türkischen Zyprer.

Ersin Tatar, der Regierungschef des türkischen Inselteils auf Zypern
Ersin Tatar, der Regierungschef des türkischen Inselteils auf Zypern
© Harun Ucar/Reuters

Erdogan betonte bei einem Treffen mit Tatar vor wenigen Tagen in Ankara, die Strandöffnung respektiere die Eigentumsrechte der griechischen Hotelbesitzer in Varosha. Dennoch wirkt die Aktion auf die griechische Seite wie eine Provokation.

Der Plan sei völlig unakzeptabel, sagte der zyprische Präsident Nicos Anastasiades. Russland, das enge Beziehungen zu Zypern hat und zugleich mit der Türkei in Syrien kooperiert, nannte die Strandöffnung ebenfalls unannehmbar. Auch UN-Generalsekretär Antonia Guterres und der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell äußerten sich besorgt. Gebraucht werde neues Vertrauen, keine neue Spaltung, erklärte Borrell.

Aus Borrells Bemerkung spricht die Befürchtung, dass der zuletzt etwas entschärfte Gasstreit zwischen der Türkei, Griechenland und Zypern wieder aufflammen könnte. Der ungelöste Konflikt auf Zypern ist dabei ein wichtiger Faktor: Die Insel ist seit einem griechischen Putsch in Nikosia und einer anschließenden türkischen Militärintervention im Sommer 1974 geteilt.

Erdogan erkennt von Zypern beanspruchte Seegebiete nicht an

Erdogans Regierung spricht der international anerkannten griechischen Republik auf der Insel das Recht ab, ganz Zypern zu vertreten. Deshalb erkennt die Türkei die von Zypern beanspruchten Seegebiete um die Insel zum Teil nicht an und schickt eigene Forschungsschiffe dorthin, um nach Gas unter dem Meeresboden zu suchen.

Bisher haben sich Zypern und Griechenland mit ihrer Forderung nach EU-Sanktionen gegen die Türkei nicht durchsetzen können. Nicht zuletzt auf Druck Deutschlands hatte der EU-Gipfel vorige Woche das Thema vertagt.

Der neue Streit auf Zypern dürfte es für Berlin schwieriger machen, zwischen den Konfliktparteien im östlichen Mittelmeer zu vermitteln. Die Bundesregierung, die auf eine diplomatische Lösung setzt und Sanktionen vermeiden will, hat außer der Einigung auf neue Verhandlungen zwischen der Türkei und Griechenland über ihre Gebietsansprüche in Ägäis und Mittelmeer bisher nicht viel erreicht. Einen Termin für den Beginn der Gespräche gibt es noch nicht.

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