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Im russischen Propagandakanal: Die SPD-Spitzenkandidatin bei der Europawahl, Katarina Barley.
© Matthias Meisner/Tagesspiegel
Update

Russischer Propagandasender: Barley irritiert mit Interview für RT Deutsch

Interviews mit RT Deutsch? Besser nicht, sagen viele. Die SPD-Politikerin Katarina Barley hat es dennoch getan. Und bekommt prompt Ärger.

Es war nicht nur ein kurzes Statement. Katarina Barley, SPD-Spitzenkandidatin bei der Europawahl und Bundesjustizministerin, nahm sich Zeit für einen russischen Propagandasender. Siebeneinhalb Minuten dauert ihr Interview mit RT Deutsch in der vom Sender via Youtube verbreiteten Version. Der Interviewer gibt sich mit einem Mikrofon mit dem Logo seines Senders klar zu erkennen. Auf der Homepage des Senders heißt es, es handele sich um ein "RT-Gespräch".

Dass die Politikerin überhaupt mit dem Propagandakanal des russischen Präsidenten Wladimir Putin spricht, überrascht manche im politischen Betrieb. Aber auch, was sie in dem Interview sagt - und was nicht.

Etwa zur Drohung des amerikanischen Botschafters in Deutschland, Richard Grenell, Unternehmen zu sanktionieren, die sich am deutsch-russischen Erdgasprojekt "Nordstream 2" beteiligen: "Nordstream 2 ist eine private Unternehmung", sagt Barley. "Da haben wir als Regierung jetzt auch uns zurückzuhalten. Und ebenso wenig möchte ich da die amerikanischen Vorhaben kommentieren."

Grundsätzlich sieht sie es so, dass Deutschland gegenüber Russland zurecht "ein enges Verhältnis" pflegt - das ist auch die Überschrift, unter der RT Deutsch das Barley-Interview ins Netz stellt. "Russland ist immer unser Partner gewesen, wird es auch bleiben", erklärt die Sozialdemokratin.

"In einigen Punkten" aber sei man "sehr kritisch", versichert sie. "Das macht eine Beziehung eben auch aus, dass man da kritisch ist und bleibt." Auf die Nachfrage des RT Reporters, welche Punkte das seien, erläutert Barley kurz und knapp: "Na ja, bei der Annexion der Krim werden wir nach wie vor unsere Positionen vertreten, beispielsweise." Dann ist das Interview zu Ende.

Im politischen Berlin sind die Reaktionen auf das Interview kontrovers - überwiegend aber kritisch. "Seriously?", fragt Gordon Repinski, Leiter des Hauptstadtbüros des Redaktionsnetzwerks Deutschland, auf Twitter. "Ein Fehler im Wahlkampf", kommentiert die "Rheinische Post".

Die Publizistin Liane Bednarz, die regelmäßig Texte auch im Tagesspiegel-Debattenportal Causa veröffentlicht, schreibt im Kurznachrichtendienst: "Wie Dämme brechen. Und wie wenig glaubwürdig Barley damit künftig die PiS-Partei oder Orbán kritisieren können wird. Sie gibt dem Putin-Propaganda-Kanal ein Interview." Dies sei ist angesichts ihrer Stellung nochmals weitaus gravierender als das Interview des früheren Verfassungsschutz-Präsidenten Maaßen in Orbáns Propagandakanal. Die Kritik des früheren Geheimdienstchefs an Angela Merkels Flüchtlingspolitik in einem Interview mit dem ungarischen Fernsehen war diese Woche ausgestrahlt worden.

Kritik von CDU und Grünen

Nico Lange, politischer Planer für CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, twittert: "Während die CDU um jeden Euro kämpft, um Europas Sicherheit zu stärken, gibt die SPD Europakandidatin Katarina Barley Interviews für die russische Staatspropaganda, die 24/7 sendet, um Europa zu schwächen." Tobias Hans (CDU), Ministerpräsident des Saarlands, twittert: "Wirklich, Frau Barley?! Russia Today ist nichts zu unappetitlich um gegen die EU Stimmung zu machen. Haben Sie da das Mikro verwechselt? Passt nicht zu einer pro-europäischen Partei."

Unverständnis zeigt auch der Grünen-Bundestagsabgeordnete und Osteuropa-Experte Manuel Sarrazin. Er erklärt dem Tagesspiegel: "Wer sich auf ein Interview mit RT oder Sputnik einlässt, muss im Klaren sein, dass er es mit russischen Propaganda-Instrumenten zu tun hat. Dass SPD-Kandidatin Barley vor dem russischen Staatssender von den inneren und äußeren Feinden Europas schwadroniert, aber eben nicht die hybriden russischen Strategien zur Schwächung der EU anspricht, ist gefährlich und realitätsfern." Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner sagt: "Ich hätte es an ihrer Stelle nicht gemacht."

Martin Schirdewan, Linken-Spitzenkandidat bei der Europawahl, hat weniger Probleme mit RT Deutsch an sich. Er sagt dem Tagesspiegel: "Wichtiger als ihre Interviewpartner ist doch zur Zeit, sie für ihr feiges Wegducken bei der Entscheidung zum Uploadfilter zu kritisieren. Ich hätte mich gefreut, wenn Frau Barley ihre Aufmerksamkeit Artikel 13 statt Russia Today gewidmet hätte."

Moritz Rödle, Fernsehkorrespondent im ARD-Hauptstadtstudio, nimmt Barley hingegen in Schutz. Er verschickt auf Twitter Fotos von Kramp-Karrenbauer, Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) und der bayerischen Grünen-Politikerin Katharina Schulze - zu sehen jeweils bei einem Statement für RT. "Man sollte RT Deutsch wirklich kein Interview geben", schreibt er. Und bemerkt ironisch: "Da haben die Kritiker recht." Eine ähnliche Absicht verfolgt SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil, der Fotos twittert, die die CDU-Politiker Kramp-Karrenbauer, Peter Altmaier und Paul Ziemiak zeigen, als sie von RT-Reportern befragt werden. Dazu ein denkender Smiley.

AfD und Linke besonders oft in Putins Kanälen

Nach Angaben aus der SPD entstand das RT-Interview mit Barley am Rande eines Hintergrundgesprächs mit dem Verein der ausländischen Presse, an dem 50 Korrespondenten teilnahmen. Anschließend sei zunächst noch ein slowenischer Reporter beim Statement dabei gewesen, aber nach zwei Fragen gegangen. Bis zum Ende blieb nur der RT-Mann. Ein Sprecher Barleys wollte den Vorgang am Freitag nicht weiter kommentieren.

Ob deutsche Politiker sich von russischen Propagandamedien interviewen lassen sollten, ist seit Jahren Gegenstand von Diskussionen in den Parteien. Überproportional häufig stehen Politiker der Linkspartei und der AfD dem Sender RT Deutsch oder anderen Kanälen Putins zur Verfügung, beispielsweise Linksfraktionschefin Sahra Wagenknecht, ihre Stellvertreterin Sevim Dagdelen oder auch der stellvertretende sächsische AfD-Chef Maximilian Krah, aussichtsreicher Kandidat auf der Liste seiner Partei für die Europawahl.

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