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Ivan Rodionov im Studio von RT Deutsch am Potsdamer Platz in Berlin
© Thilo Rückeis

Chefredakteur Ivan Rodionov im Interview: RT Deutsch: Wir sind gefährlich

Im November startete der Sender Russia Today (RT) in Deutschland mit einem Online-Auftritt und der Internet-Sendung "Der fehlende Part". Chefredakteur Ivan Rodionov über seine Sicht auf Pegida, den Begriff "Lügenpresse" und den Ukraine-Konflikt.

Herr Rodionov, ist „Lügenpresse“ ein Unwort für Sie?
Es ist eher ein aktueller Ausdruck, der die sich verbreitende öffentliche Meinung zusammenfasst.

Viele Leute denken tatsächlich so über die Medien in Deutschland?
Die Vertrauensbasis der deutschen Medien schrumpft. Aktuell belegen lässt sich das beim Ukraine-Konflikt. Im Medienmagazin „Zapp“ des NDR gab es eine Umfrage, wonach nur 29 Prozent die Ukraine-Berichterstattung der deutschen Leitmedien für glaubwürdig halten.

Sie selbst nehmen in Anspruch, mit der Sendung „Der fehlende Part“ zu berichten, was andere Medien angeblich verschweigen. Wie sieht Ihre Bilanz seit dem Start von RT Deutsch im November aus?
Wir sind ein Teil der deutschen Medienlandschaft und werden durchaus wahrgenommen. Im Alexa-Ranking der meistbeachteten Webseiten liegen wir aktuell auf Platz 882 – da wünsche ich mir als Chefredakteur natürlich mehr. Unsere Sendung „Der fehlende Part“ wird Woche für Woche auf YouTube von rund 20.000 Leuten gesehen. Bei Facebook haben wir inzwischen 80.000 Likes. Gar nicht so schlecht für ein relativ kleines Programm, das ohne Werbung und viel Tamtam an den Start gegangen ist. Wir ecken ziemlich stark an.

Wie wird RT Deutsch finanziert?
Aus dem russischen Staatshaushalt. Ziemlich ähnlich also wie die Finanzierung der Deutschen Welle, die aus dem Bundeshaushalt finanziert wird.

Gerade wird das Geld für RT knapp, Ausbaupläne sind gescheitert. Was heißt das konkret für das deutsche Programm?
Wir betreiben das Programm weiter als Internetprojekt.

Sie geben in Ihrer Sendung oft Vertretern extremer politischer Positionen Raum, laden sie immer wieder ins Studio ein. Einerseits zum Beispiel Bundestagsabgeordnete des linken Flügels der Linkspartei, dann AfD-Politiker wie Alexander Gauland, auch Verschwörungstheoretiker…

Verschwörungstheoretiker, haben Sie dafür Beispiele?

Jürgen Elsässer, ehemaliger Aktivist der „Friedensmahnwachen“.
Jürgen Elsässer hatten wir einmal in der Sendung. Ist er nachgewiesen Verschwörungstheoretiker? Und die Abgeordneten des Deutschen Bundestages halte ich nun nicht unbedingt für extrem. Und natürlich laden wir auch führende Vertreter der Groko oder der Grünen zu uns in die Sendung ein. Aber sie kommen nicht zu uns.

Sie haben im Livestream regelmäßig Pegida-Kundgebungen aus Dresden übertragen, zuweilen auch die des Leipziger Ablegers Legida. Sympathisieren Sie mit dieser Bewegung?
Muss man denn unbedingt mit dem, über den man berichtet, gleich sympathisieren? Eine unbegründete Unterstellung. Pegida wird von keinem anderen Medium live übertragen, damit haben wir hier gerade einen „fehlenden Part“. Damit geben wir dem Zuschauer die ultimative Möglichkeit, sich ein eigenes Bild zu machen, indem wir es unkommentiert ausstrahlen. Unsere Reporter gehen auch zur Gegenkundgebung. Aber für die Liveübertragung haben wir halt nur einen Ü-Wagen.

Warum spitzen Sie in der Berichterstattung über den Ukraine-Konflikt so stark zu?
Die Berichterstattung zur Ukraine und Russland ist ja ohne uns dermaßen zugespitzt, dass man sich das kaum vorstellen kann. Ob Sie jetzt den Tod des Politikers Nemzow nehmen oder was auch immer: Wir zeigen den klassischen fehlenden Part, den anderen Winkel, berichten aus der Perspektive der Menschen im Donbass.

Nach dem Mord am Oppositionspolitiker Boris Nemzow twitterte einer Ihrer Reporter-Kollegen: „Es wird kein Maidan in Russland, auch wenn man hierfür seine eigenen Freunde umlegt, um zu provozieren.“ Ist das auch ihre Auffassung, dass Nemzow von Freunden umgebracht wurde?
Das ist eine sehr zugespitzte Darstellung meines Kollegen, auf die er durchaus sein Recht hat. Zumal auf Twitter. Das war kein redaktioneller Inhalt. In dieser Form würde es RT Deutsch nicht berichten. Aber ich kann zumindest nachvollziehen, warum das mein Kollege so darstellt.

In Kiew, so behaupten Sie das in Ihren Sendungen immer wieder, wird die Politik von Faschisten dominiert.
Das ist jetzt Ihre Formulierung, die ich so nicht teile. Aber richtig ist, dass die rechtsextremen Kräfte in der Ukraine eine ganz große Rolle spielen und einen großen Druck auf den amtierenden Präsidenten ausüben. Er muss mit ihnen geradezu liebäugeln. Fast täglich gibt es Fackelzüge in Kiew und anderen ukrainischen Städten, der Judenmörder Stepan Bandera wird verherrlicht und zum Nationalhelden stilisiert, im ukrainischen Parlament sind sehr wohl die Träger des sozial-nationalistischen Gedankenguts vertreten… Aber viel mehr Druck machen die Rechtsradikalen auf der Straße.

Haben Sie sich mit gleicher Intensität schon einmal mit den Kontakten des Kreml zum rechtsextremistischen Front National in Frankreich befasst?
Wenn schon Front National als rechtsextremistisch eingestuft wird… Die sind doch eher rechtspopulistisch, oder eher national-konservativ. Wollen Sie Front National als rechtsradikale Partei sehen? Aber selbstverständlich berichten wir über rechte Stimmungen in Frankreich, in Deutschland, dass sie sich breit machen in Europa. Speziell über Front National hat RT Deutsch noch nicht berichtet, wir sind ja schließlich ein junges Medium. Wenn man bei Front National oder Pegida wach wird, dann müssen bei den Bandera- und Hitler-Fans, bei den Hakenkreuz-Trägern, die durch die Ukraine bewaffnet ziehen, alle Alarmglocken schrillen. Aber sie werden verniedlicht, weil sie in erster Linie die Russen hassen, und erst in zweiter Juden, Schwule und alle anderen.

Herr Rodionov, kurz nach dem Start Ihres Programms haben Sie in einem Interview gesagt: „Ich bin gefährlich, sehr gefährlich.“ Das war vermutlich ironisch gemeint. Sind Sie dennoch inzwischen jemand gefährlich geworden?
Wir sind gefährlich als RT Deutsch. Nicht ich persönlich als Ivan Rodionov. Wir wagen uns in die tabuisierten Bereiche hinein. Und muss man immer „Vorsicht, Ironie“ ansagen?

Ivan Rodionov (49) ist Chefredakteur von RT Deutsch. Das Interview führte Matthias Meisner.

Matthias Meisner

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