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Einen "Kampf für die Rechtsstaatlichkeit in der EU" wolle sie führen, erklärte Katarina Barley beim Europakonvent der SPD in Berlin.
© Odd ANDERSEN / AFP

SPD-Spitzenkandidatin besucht Budapest: Genossin Barley im Feindesland

Katarina Barley ist als SPD-Spitzenkandidatin unterwegs in Europa. In Budapest unterstützt sie die ungarischen Sozialdemokraten, die unter Viktor Orbán leiden.

Für die SPD-Politikerin Katarina Barley ist es so etwas wie Feindesland. Hier in Ungarn, dem Reich des rechtskonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, haben Sozialdemokraten wie sie nichts zu sagen. Zu Hause mag Barleys Partei in der Krise stecken. Doch das ist kein Vergleich zur Lage der ungarischen Genossen. Die stellen nur ein paar Abgeordnete im Parlament, sind meilenweit von einer Regierungsbeteiligung entfernt. Völlig ins Eck gedrängt sind sie von den übermächtigen Rechtspopulisten der regierenden Fidesz-Partei. "Frustrierend", findet Barley.

Davon ist an diesem Montagabend aber nichts zu spüren. Barley hat in einem Konferenzsaal in der Budapester Innenstadt Platz genommen – neben ihr sitzen führende Funktionäre der SPD-Schwesterpartei MSZP, den ungarischen Sozialdemokraten. Der Raum ist mit einem braunen Teppichboden ausgelegt, die Wand ist holzvertäfelt, durch Milchglas werfen Deckenlampen warmes Licht aufs Podium. Im Publikum sitzen viele Ältere, die Stimmung ist freundlich. Die deutsche Justizministerin und Europa-Spitzenkandidatin der SPD wird hier mit offenen Armen empfangen. Barley ist unter Freunden. Sie spricht über das "soziale Europa", Steuerpolitik, den Brexit – Themen, wie sie Sozialdemokraten überall im Europawahlkampf herunterbeten.

Die Botschaft, die sie zusammen mit MSZP-Chef Bertalan Tóth vorträgt: Wählen gehen – am besten sozialdemokratisch!

Es geht um die Bedrohung der Demokratie

Die Schützenhilfe für die ungarischen Genossen ist aber nicht der einzige Grund für Barleys Reise nach Budapest. In Ungarn ist aus Sicht der europäischen Sozialdemokraten die Rechtsstaatlichkeit in Gefahr. Darüber will sich Barley informieren: wie die Presse von der Fidesz-Regierung gegängelt wird, wie Kulturschaffende unter Druck geraten, wie Orbán und seine Getreuen schamlos ihre Macht ausbauen.
Die Bedrohung der Demokratie in Europa will Barley als SPD-Spitzenkandidatin fürs EU-Parlament zum Hauptthema ihrer Kampagne machen. Einen „Kampf für die Rechtsstaatlichkeit in der EU“ wolle sie führen, sagte sie am Wochenende beim Europakonvent der SPD in Berlin – von den Genossen wurde sie dafür gefeiert. Und wo ließe sich dieser Kampf besser austragen als im immer autoritärer werdenden Ungarn?

Dass es in dem Land nicht gerade gut steht um demokratische Grundwerte wie die Meinungsfreiheit, zeigt sich dann auch gleich nach Barleys Ankunft in Budapest. Eine Gesprächspartnerin sagt ein gemeinsames Mittagessen mit der SPD-Politikerin ab – als Mitarbeiterin einer staatlichen Universität fürchte sie den Druck der Regierung, heißt es. Kurz darauf wird eine Veranstaltung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung kurzfristig für die mitgereisten Journalisten gesperrt. Die Begründung: Manche Teilnehmer hätten Angst davor, in der Presse genannt zu werden.

Ist die Demokratie in Ungarn also wirklich in akuter Gefahr? Während ihrer Stippvisite will sich Barley darauf dann doch nicht festlegen. Bei der Frage zuckt sie mit den Schultern, verzieht die Mundwinkel. Die Möglichkeit zum Frontalangriff auf Orbán nutzt sie nicht weder auf dem Podium noch bei der Pressekonferenz mit MSZP-Chef Tóth – auch wenn Barley ausdrücklich nicht als Mitglied der Bundesregierung unterwegs ist, sondern als Wahlkämpferin für die SPD.

Doch Werbung macht Barley bei dieser Reise dann doch mehr für das "soziale Europa" - und weniger für ihren Kampf um die Rechtsstaatlichkeit in allen EU-Staaten. Das „Frühwarnsystem“, das sie am Wochenende noch gefordert hat, sprach Barley nur am Rande an. Es soll nach Barleys Vorstellung auf europäischer Ebene Alarm schlagen, wenn ein Mitgliedstaat die Demokratie untergräbt.

Rechtsstaatlichkeit ist für die Ministerin entscheidend

Bei ihrem Ungarnbesuch klingt Barley nun zurückhaltender. Sie sagt lediglich Sätze wie: "Rechtsstaatlichkeit ist für mich absolut entscheidend." Die harte Attacke auf den politischen Gegner bleibt aus. Sie präsentiert sich dann doch mehr als diplomatische Ministerin und weniger als Wahlkämpferin. Selbst die Entscheidung der Europäischen Volkspartei (EVP), Orbáns Fidesz-Partei unter Beobachtung zu stellen, kritisiert Barley nur mit relativ milden Worten.

Die Strategie der Konservativen sei „nicht Fisch und nicht Fleisch“. Die Union sei nun mal nervös, dass Orbán ihr im Europawahlkampf schade. Deswegen habe die EVP der Fidesz-Partei vorübergehend die Mitgliedschaftsrechte entzogen – "mehr ein taktisches Manöver als eine klare Position", findet Barley.

"Die sollten sich entscheiden." Aber sie sei im Grunde auch gar nicht die Richtige, um das alles zu bewerten. Orbán und die CSU? "Eine lange Geschichte", sagt Barley – und stöhnt kurz auf.
Dann widmet sie sich wieder dem anderen Hauptthema ihrer Wahlkampagne: dem "sozialen Europa".

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