Europaparteitag der AfD: Auf dem Weg nach Brüssel - gegen die EU
Die AfD vergleicht die EU mit der Sowjetunion - dennoch will sie ins EU-Parlament und wählt nun ihre Liste. Ein Bericht vom Parteitag.
Es sind Sätze, die viel verraten über das Europabild der AfD. „Ich will, dass das zentralistische Monster EU zurückgebaut wird“, ruft ein Listenkandidat auf dem AfD-Parteitag in der Magdeburger Messehalle. Ein anderer sagt, als ehemaliger DDR-Bürger wisse er, wie es sei, „von einer fernen Zentrale aus regiert zu werden. Früher war es Moskau, heute ist es Brüssel“. In den Reden der Bewerber ist die Rede von einer „EUdSSR“, immer wieder wird die EU also mit der Sowjetunion verglichen. Das passt ins Narrativ der Partei, deren Chef Alexander Gauland die Bundesrepublik gerne mit der DDR vergleicht.
An diesem Wochenende wählt nun die AfD ihre Kandidatenliste für die Europawahl im kommenden Mai. Es gibt Funktionäre in der Partei, die das sinnlos finden: „Warum Kandidaten für einen Apparat wählen, den man ablehnt?“, fragen sie. Doch die Mehrheit der Rechtspopulisten ist der Meinung, dass man die EU nur von innen heraus verändern und zurückbauen kann. Der Gastgeber in Magdeburg, Landeschef Martin Reichardt, sieht die Wahl deshalb als „Volksabstimmung gegen den Euro-Superstaat“.
Salvini, Orbán und Strache - laut Meuthen „natürliche Verbündete“
Zum Spitzenkandidaten hat die AfD bereits am Freitag Parteichef Jörg Meuthen gewählt. Meuthen sitzt schon im Europaparlament, ist aber derzeit dort der einzige verbliebene AfD-Abgeordnete. Er warb in seiner Rede für ein „Europa der Vaterländer“. Meuthen will die Strippen ziehen zu den anderen rechtspopulistischen Parteien in Europa. Die sind derzeit auf drei Fraktionen verteilt. Nach der Europawahl sollen es nur noch zwei sein oder sogar – das ist hier die Hoffnung – nur eine einzige große. Meuthen nennt die italienische Lega Nord mit Matteo Salvini, die österreichische FPÖ mit Heinz-Christian Strache und den ungarischen Ministerpräsidenten Victor Orbán als „natürliche Verbündete“. Die Organisation einer rechtspopulistischen Fraktion dürfte für die kommenden Monate eine der wichtigsten Aufgaben für die AfD werden. Sie strebt ein Ergebnis über 15 Prozent an.
Versorgungsposten und „Mandatsverlängerer“ - in der AfD unbeliebt
Auf Platz zwei wählte die AfD nach einer Stichwahl den NRWler Guido Reil, der bei der dortigen Landtagswahl leer ausgegangen war, sich aber sehr für die Partei engagiert. Es gibt viele in der AfD, die ihn nicht geeignet für den Job im EU-Parlament halten, weil er gelernter Bergmann ist und wenig Englisch spricht. Auch ist in der AfD die Vergabe von Versorgungsposten nicht beliebt. Reil warb offensiv darum, einen Arbeiter nach Brüssel zu schicken. Der ehemalige Sozialdemokrat versprach, er werde im Wahlkampf zum „Alptraum für die Arbeiterverräter“ von der SPD.
Auf Platz drei landete der Jurist und sächsische AfD-Vize Maximilian Krah, der früher in der CDU war. In seiner Rede befürwortete Krah die Zusammenarbeit mit den sogenannten Visegrad-Staaten Ungarn, Polen, Slowakei und Tschechien. Nach seiner Wahl scharten sich ungewöhnlich viele Delegierte um ihn, um zu gratulieren.
Was die Delegierten in Magdeburg dagegen nicht goutierten: Wenn der Verdacht aufkommt, einer sei ein „Mandatsverlängerer“ – wolle also aus Angst, bei der nächsten Wahl sein Mandat zu verlieren, jetzt nach Brüssel wechseln. Auch das bekamen einige Kandidaten zu spüren.
Ruf nach „Festung Europa“
Auf den vierten Platz gewählt wurde dann der baden-württembergische Landtagsabgeordnete Lars Patrick Berg. Er erklärte, Europa müsse eine Festung der Sicherheit bieten, „die uns beschützt vor menschen- und frauenverachtenden Messerstechern und Vergewaltigern“. Platz fünf sicherte sich Bernhard Zimniok aus München, der vor einer „Islamisierung unserer Heimat“ warnte.
Viele Bewerber um die Listenplätze versuchten, sich mit scharfer Kritik an der EU, an Bürokratie und Überreglementierung in Brüssel zu profilieren. Die rheinland-pfälzische AfD-Politikerin Christiane Christen, gegen die ein Parteiausschlussverfahren läuft, nannte die Union einen „Bürgerausschaltungsapparat“.
Im Januar will die AfD noch einmal einen Europaparteitag abhalten - dabei soll es dann um das Wahlprogramm und noch nicht vergebene Listenplätze gehen. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass es im Grad der Ablehnung der EU durchaus Abstufungen gibt, was zu Konflikten führen könnte. So ist Parteichef Meuthen zwar für einen Rückbau der EU, er wolle sie aber nicht „kaputt machen“, sagte er. Deswegen sei er auch gegen einen „Dexit“, also gegen einen Austritts Deutschland. Meuthen vertrat somit auf der Parteitagsbühne eine moderatere Position im Bezug auf die EU als viele seiner Parteifreunde.
Überschattet wurde der AfD-Parteitag zunächst von der Spendenaffäre, in deren Mittelpunkt Fraktionschefin Alice Weidel stand. Lesen Sie hier alle Hintergründe.