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Allianz gegen IS: Barack Obama und der lange Kampf gegen den Terror

US-Präsident Barack Obama bereitet die Allianz auf eine lange Auseinandersetzung vor – auch in Syrien. Das erinnert an George W. Bush - und hat weitreichende Konsequenzen.

US-Präsident Barack Obama, der von vielen als zu zögerlich in seinem Vorgehen an den Krisenherden dieser Welt gescholten wurde, hat nun einen Kurswechsel vollzogen. Er hat eine Koalition von Verbündeten im Kampf gegen die Terrormiliz IS geschmiedet und ein hartes Vorgehen gegen die Islamisten angekündigt.

Was hat Obama vor?

Aus dem begrenzten Einsatz der USA, der vor allem aus Luftangriffen im Irak besteht, wird eine großangelegte Militärstrategie gegen den IS – und zwar auf dem ganzen Gebiet, das die Terroristen halten. „Für jemanden, der Amerika bedroht, gibt es keinen sicheren Hafen“, sagte Obama. Auch die IS-Stellungen in Syrien sind deshalb jetzt Ziel von Bombeneinsätzen. Für den Kampf am Boden soll die gemäßigte syrische Opposition aufgerüstet und ausgebildet werden. Auch will Amerika irakische und kurdische Soldaten ausbilden und bewaffnen. Um den Einfluss des IS auf Sunniten im Irak zurückzudrängen, ist geplant, sunnitische Einheiten zum Schutz sunnitischer Gemeinden aufzustellen.

Das Weiße Haus sieht den IS allerdings auch als Bedrohung für die USA selbst, die von ausländischen Kämpfern ausgeht. Bislang habe die US-Regierung noch keine Kenntnis über konkrete Anschlagspläne der Terroristen auf Amerika. „Aber trainiert und kampfgestählt könnten diese Kämpfer in ihre Heimatländer zurückkehren und tödliche Attentate ausführen.“ Zum Kampf gegen den IS gehört deshalb auch eine koordinierte Abwehr der Terrorgefahr. Der US-Präsident will damit den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen befassen. Schließlich kündigte der US-Präsident die Fortsetzung humanitärer Hilfeleistungen in der Region an – für Sunniten wie Schiiten, für Christen und andere religiöse Minderheiten.

Wie sind die Reaktionen in Amerika auf seinen Kurs?

Nach der Rede des Präsidenten wurde sehr schnell klar, dass Obama die Ansprache gehalten hatte, auf die Amerika gewartet hatte. Seit den Bildern der beiden durch IS-Kämpfer hingerichteten US- Journalisten James Foley und Steven Sotloff ist in den Vereinigten Staaten der Druck gewachsen, die Mörder zu jagen. Obamas Rede wirkte wie ein kurzer Moment der Entlastung von diesem Druck. „Er hat endlich gemacht, was er der Nation schuldig war“, sagte der Sprecher des Repräsentantenhaus, John Boehner.

Auch der republikanische Mehrheitsführer Kevin McCarthy sprach sich dafür aus, Obamas Pläne zu unterstützen. Im Senat steht die demokratische Mehrheit hinter ihrem Präsidenten. Während insbesondere auf demokratischer Seite mahnende Stimmen vor einem neuen Krieg warnten, gehen manchen Republikanern Obamas Pläne nicht weit genug. Sie seinen „wahrscheinlich nicht ausreichend, um den IS zu zerstören“, sagte der Senator John McCain.

Wie viel Bush steckt in Obama?

„Indem er eine umfassende Militärkampagne gegen die islamistischen Extremisten in Syrien und im Irak angeordnet hat, hat Präsident Obama dabei vermutlich sichergestellt, dass er seinem Nachfolger einen unberechenbaren und unbeendeten Krieg hinterlässt – ähnlich dem, den sein Vorgänger ihm hinterlassen hat.“ Das schreibt die „New York Times“ am Donnerstag und warnt, dass Obama das Land nun wieder auf einen unberechenbaren Kriegspfad schickt. Selbstverständlich werden Erinnerungen an die Jahre nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wach, als George W. Bush unter dem Eindruck dieses Schocks das Land in zwei verlustreiche Kriege geführt hat.

Wider Willen muss Obama nun etwas tun, das dem Handeln seines Vorgängers sehr ähnelt. Der amtierende Präsident sucht deshalb angestrengt nach Abgrenzung und war am Mittwochabend bemüht, die Sorgen vieler Amerikaner zu zerstreuen. Statt mit Afghanistan und dem Einmarsch im Irak verglich Obama die geplante Kampagne gegen den „Islamischen Staat“ mit Anti-Terroreinsätzen von US-Spezialkräften im Jemen oder in Somalia. „Amerikanische Kräfte haben keinen Kampfauftrag“, betonte Obama, „wir werden nicht in einen neuen Bodenkrieg im Irak verwickelt.“

In der Rhetorik beider Präsidenten allerdings ist von Unterschied kaum eine Spur. „Wo immer sie (die Terroristen) sich verbergen, wo immer sie Pläne schmieden, wir werden die Terroristen treffen“, versprach Bush im November 2001. „Wir werden Terroristen, die unser Land bedrohen, jagen, wo immer sie sind“, wiederholte Obama fast wörtlich am späten Mittwochabend.

Die Rolle der arabischen Staaten und der Türkei

Welche Rolle spielen Saudi-Arabien und die anderen arabischen Staaten?

Die Arabische Liga erklärte diese Woche, IS müsse mit allen politischen und militärischen Mitteln bekämpft werden. Iraks Ex-Premier Nuri al Maliki tönte kürzlich, man werde IS mit Stumpf und Stil ausreißen. Wenn es jedoch darum ging, was von arabischer Seite konkret geschehen soll, schwiegen sich die arabischen Staatenlenker bisher aus. Iraker, Saudis und die Golf-Emirate hätten es am liebsten, wenn die Vereinigten Staaten quasi als Luftwaffe ihrer Nationen agierten und in den kommenden Monaten und vielleicht Jahren die IS-Stellungen permanent unter Feuer nähmen. Washington dagegen möchte den Regionalmächten die militärische Hauptlast geben. Immerhin erklärten sich am Donnerstag zehn arabische Staaten bereit, sich am Kampf gegen die Extremisten zu beteiligen. Neben Saudi-Arabien und dem Irak sagten auch Bahrain, Ägypten, Jordanien, Kuwait, der Libanon, der Oman, Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate unter anderem zu, die Finanzströme der Extremisten und den Zulauf von ausländischen Kämpfern zu stoppen.

Das Auftauchen der IS-Barbaren im Namen Allahs hat die arabisch-islamische Welt nicht nur in ihrem religiösen Selbstverständnis tief erschüttert, sondern gleichzeitig die systematische Schwäche der arabischen Staatsapparate und ihrer Armeen offenbart. Praktisch alle nahöstlichen Staaten sind diesen ideologisch fanatisierten Angreifern militärisch nicht gewachsen, selbst wenn sie sich für Unsummen mit modernem Militärgerät hochgerüstet haben. Saudi-Arabien war im vergangenen Jahr der viertgrößte Waffenkäufer der Welt, doch seine Armee kann nach Einschätzung westlicher Militärbeobachter keinen Offensivkrieg gegen IS führen. Die Golfstaaten haben mit allem Luxus ausgestattete Mini-Armeen. Iraks Heer ist ebenfalls materiell hochgerüstet, gleichzeitig jedoch zermürbt und desorganisiert.

Stärkt Obama jetzt den syrischen Präsidenten Assad?

In Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien strebt die US-Regierung den Aufbau, die Ausbildung und die Ausstattung gemäßigter Rebellengruppen in Syrien an. Die USA hätten, sagte Obama, die militärische Hilfe für die Rebellen, die sowohl gegen die Regierungstruppen von Baschar al Assad als auch den IS stehen, schon hochgefahren. Einer Zusammenarbeit mit Syriens Präsident Assad hat Obama aber eine Absage erteilt. „Auf das Assad-Regime, das seine Menschen terrorisiert, können wir uns nicht stützen“, sagte er. Stattdessen müsse man sich während der Suche nach einer politischen Lösung der syrischen Krise auf die gemäßigte Opposition als Gegengewicht zum IS konzentrieren.

Die Führung in Damaskus hat die USA daraufhin vor Luftangriffen auf Islamisten in Syrien gewarnt. Jede Form einer ausländischen Intervention ohne Genehmigung der syrischen Regierung wäre „eine Aggression gegen Syrien“, sagte der Minister für Nationale Aussöhnung, Ali Haidar, am Donnerstag. Grundsätzlich müsse mit Syrien zusammengearbeitet und solche Handlungen abgesprochen werden, völlig unabhängig davon, ob sie militärischer oder anderer Natur seien. Die staatliche syrische Nachrichtenagentur Sana hatte den USA zuvor bereits fehlende Ernsthaftigkeit im Kampf gegen den Terrorismus vorgeworfen, weil Washington gemäßigte Rebellen im Land aufrüsten will. Das Regime betrachtet diese als Terrororganisationen, die Syrien zerstören wollten.

Welche Rolle spielt die Türkei?

Der einzige Nato-Staat an der Grenze zum Machtbereich der Dschihadisten-Gruppe will sich nicht aktiv an der internationalen Allianz gegen den IS beteiligen. Die Türkei werde eine „passive Aufgabe“ bei der von US-Präsident Obama angekündigten Offensive gegen den IS übernehmen, entschieden Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sowie hohe Militärs und Diplomaten in Ankara, wie die regierungsnahe Zeitung „Yeni Safak“ am Donnerstag meldete. Türkische Geiseln, die sich in der Gewalt des IS befinden, sind einer der Gründe für die Zurückhaltung.

Aus Sicht der USA ist die Rolle des IS-Frontstaates Türkei ganz besonders wichtig. Am Montag besuchte Verteidigungsminister Chuck Hagel den Bündnispartner, an diesem Freitag wird Außenminister John Kerry in Ankara erwartet. Nach Presseberichten ist die Davutoglu- Regierung bereit, den USA und anderen Verbündeten türkische Luftwaffenstützpunkte zur Verfügung zu stellen und den türkischen Luftraum zu öffnen – allerdings nur für humanitäre Einsätze und zur Unterstützung der Logistik für die erwarteten Luftschläge gegen den IS in Syrien, nicht für die Angriffe selbst. Gleichzeitig will die Türkei mehr zur Grenzsicherung tun.

Barbara Junge, Martin Gehlen, Thomas Seibert

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