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Irakische Soldaten bei einem Einsatz gegen die Terrormiliz IS
© reuters

Irak und Saudi-Arabien: Obamas heikle Koalition gegen die IS-Fanatiker

Die USA wollen die IS-Dschihadisten niederringen - und setzen dabei auf die irakische Regierung und den Beitritt Saudi-Arabiens zur internationalen Koalition. Doch diese Strategie birgt einige Risiken.

Kurz vor elf Uhr am Mittwochvormittag saß der amerikanische Präsident an seinem Schreibtisch im Oval Office. Den Telefonhörer mit der linken Hand am linken Ohr haltend, führte Barack Obama eines der wichtigsten Gespräche des Tages. Auf der Couch in der Mitte des Raumes saßen seine Sicherheitsberaterin Susan Rice und Terrorabwehrspezialistin Lisa Monaco. Sie warteten. Am anderen Ende der Leitung war seine Majestät König Abdallah Abd al Aziz von Saudi-Arabien. „Der Präsident und der König waren sich über die Notwendigkeit einig, die gemäßigte syrische Opposition stärker zu schulen und besser auszustatten“, hieß es später aus dem Weißen Haus. Präsident Obama habe die Unterstützung Saudi-Arabiens für dieses Programm begrüßt.

Es klang zuletzt wie ein leeres, vorgeschobenes Mantra: Voraussetzung für einen strategischen Kampf gegen die sich selbst „Islamischer Staat“ nennenden IS-Terroristen sei eine „funktionierende inklusive Regierung in Bagdad“ und eine „breite internationale Koalition“. In dieser Woche dann schienen plötzlich beide Voraussetzungen gegeben. Auch wenn ihr Funktionieren noch zu beweisen sein wird; die neue irakische Regierung ist gebildet und sie spiegelt zumindest den Versuch wider, Kurden und Schiiten einzubinden. In hektischer Reisediplomatie haben zudem US-Außenminister John Kerry und das Sicherheitsteam des US-Präsidenten eine Koalition aufgestellt, die angeblich etwa 40 Staaten umfasst. Zentral war für das Weiße Haus die Kooperation Saudi-Arabiens. Und beide Bedingungen kann man statt als hohle Formeln auch in einem engen Sinnzusammenhang verstehen: Ohne die Einbindung der Sunniten in der Region wäre jeder Einsatz vergeblich.

Kampf gegen IS: „Saudi-Arabien wird sich an der Mission beteiligen“

Im Irak selbst hat die bisherige korrupte, einseitig schiitische Interessen vertretende Regierung in Bagdad den sunnitischen Extremisten erst den Rückhalt gegeben. Ein Einsatz im Dienste einer solchen Regierung würde auf eine Konfrontation zwischen Schiiten (irakische Regierung) und Sunniten (IS-Terroristen) hinauslaufen. Dem IS könnten noch mehr Sunniten anhängen. Neben den schwachen irakisch-sunnitischen Kräften, soll  so das saudische Königshaus als stärkste Vertretung der Sunniten in der Region als sunnitischer Gegenpol zu den Extremisten in der Koalition wirken. Die finanziellen Mittel der Saudis tragen weiter zu ihrer zentralen Rolle in der Anti-IS-Koalition bei.

Die Rebellion gegen Assad liegt im saudischen Interesse

Am Donnerstag bereits wird US-Außenminister Kerry wieder nach Saudi-Arabien reisen. Aber schon am Mittwoch sagte ein hoher Regierungsmitarbeiter: „Saudi-Arabien wird sich an der Mission beteiligen.“ Das Königreich habe seine Bereitschaft erklärt, der gemäßigten syrischen Opposition auf saudischen Territorium eine militärische Ausbildung zu ermöglichen. Genaueres müsse noch besprochen werden. Aber genau dem Zweck diene die Reise John Kerrys. Für Donnerstag hat Saudi-Arabien zudem zu einem Treffen mit den arabischen Staaten des Golfkooperationsrats, weiterhin Ägypten, Jordanien, dem Libanon und der Türkei nach Jiddah geladen, um über die Bedrohung durch den IS zu beraten.

Obamas Rolle in den Geschichtsbüchern hat sich gewandelt

Saudi-Arabien hat wie andere Staaten in der Region ein eigenes Interesse an einer Eindämmung der extremistischen Form des sunnitischen Islam, der auch auf andere Länder übergreifen könnte. Die Herrscher des Königreichs zählen zudem zu den entschiedensten Gegnern des syrischen Diktators Baschar al Assad. Eine international legitimierte Unterstützung der Rebellion ist im saudischen Interesse.

Aber auch wenn der Rahmen einer Koalition jetzt steht und die Voraussetzungen für eine umfassende militärische Kampagne gegen den IS im Irak wie in Syrien erfüllt sind, sieht sich US-Präsident Obama noch größeren Schwierigkeiten gegenüber. Nicht nur, dass von der gemäßigten syrischen Armee nicht mehr viel geblieben ist, was ausgebildet und ausgestattet werden könnte. Auch wie Assad, allen Beschwörungen zum Trotz, von einem Eingreifen der Koalition Vorteil nehmen könnte, ist schwer vorauszuberechnen. Und schließlich droht die Gefahr, dass der Kampf (oder der Krieg wie ihn viele Kommentatoren und US-Politiker hier inzwischen nennen) die Kämpfer aus anderen Staaten wieder in ihre Heimatländer zurücktreibt. Die Gefahr, die Obama mit seiner Strategie eindämmen will, könnte stattdessen größer werden. Die US-Regierung muss sich deshalb damit auseinandersetzen, was von der Sitzung des UN-Sicherheitsrats in zwei Wochen im Rahmen der jährlichen UN-Vollversammlung in New York zu erwarten ist. Obama wird in einem ungewohnten Zug selbst den Vorsitz des Gremiums übernehmen, heißt es. Er will auf ein abgestimmtes Vorgehen gegen die von ausländischen IS-Kämpfern international ausgehende Gefahr dringen. Ob China - oder Russland angesichts der Ukrainekrise - konsensual mit diesem Anliegen umgehen werden, kann bezweifelt werden. Eines hat sich nach dem Mittwochabend aber auf jeden Fall schon gewandelt: Obamas Rolle in den Geschichtsbüchern. Vom Präsidenten, der Amerika nach zwei verlustreichen Kriegen im 21. Jahrhundert außenpolitisch zurückziehen wollte, ist nicht mehr viel übrig. Beschränkung war gestern. „Als Amerikaner heißen wir unsere Verantwortung, zu führen, willkommen“, sagte der US-Präsident am Mittwochabend pathetisch. Vielleicht auch zu sich selbst.

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