Deutschland und die "Panama Papers": Auf Briefkastenfirmen setzen Sportler, Unternehmer, Agenten
"Süddeutsche Zeitung" und Tagesschau legen nach: Mindestens 28 deutsche Banken sollen in Offshore-Geschäfte verwickelt sein, tausende Deutsche davon profitieren - darunter einige Prominente.
Im Mittelpunkt der weltumspannenden Affäre steht ein Deutscher: Der Jurist Jürgen Mossack, vor 67 Jahren im fränkischen Fürth geboren, ist Gründer der panamaischen Kanzlei Mossack Fonseca. Die Kanzlei erklärte zwar in einer Stellungnahme, sie arbeite „seit 40 Jahren ohne jede Beanstandung“ und sei nie angeklagt oder einer Straftat auch nur beschuldigt worden. Ein Datensatz allerdings, der von Mossack Fonseca vor mehr als zwei Jahren schon einmal an deutsche Behörden ging, hatte zu Durchsuchungen der Büros und Wohnungen von etwa 100 Personen geführt – und der Commerzbank, der HSH Nordbank und der Hypovereinsbank Millionenstrafen für Geschäfte eingetragen, die sie über die Kanzlei in Panama abgewickelt hatten.
Banken gestehen Offshore-Geschäfte ein
Mindestens 28 deutsche Banken haben in den vergangenen Jahren die Dienste der Kanzlei genutzt, wie die "Süddeutsche Zeitung" jetzt berichtete. Die Banken, darunter sechs der sieben größten, gründeten bei Mossack Fonseca mehr als 1200 Briefkastenfirmen oder verwalteten sie für ihre Kunden.
Die Deutsche Bank zeichnete laut SZ bis zum Jahr 2007 für mehr als 400 Offshore-Firmen verantwortlich. Neben ihr waren vor allem die Dresdner Bank, die Commerzbank und die BayernLB aktiv, dazu andere Landesbanken. Die beteiligten Banken betonten, dass sie ihre Geschäftspolitik bereits in den vergangenen Jahren geändert hätten. Mehrere Tausend deutsche Bürger sollen Kunden bei Mossack Fonseca gewesen sein - vermittelt nicht nur von deutschen Banken.
Rennfahrer Rosberg, Fußballer und Puma
Wie die Tagesschau am Montagabend berichtete - die ARD-Sender NDR und WDR sind Teil des Rechercheverbunds zu den Panama-Papieren -, taucht auch der Rennfahrer Nico Rosberg im Zusammenhang mit einer Briefkastenkonstruktion auf den Britischen Jungferninseln in den Dateien auf. In einem Vertrag geht es um seine Beschäftigung als Rennfahrer für Mercedes. Warum er offenbar nicht direkt vom Mercedes-Rennstall angestellt wurde, wollten laut ARD weder Mercedes noch er selbst beantworten. Ein Daimler-Sprecher erklärte, dass man sich zu Verträgen nicht äußere. Rosberg ließ über einen Anwalt ausrichten, dass dies seine Privatangelegenheit sei.
Rosberg ist nicht der einzige Sportler, der mit Offshore-Geschäften in Verbindung gebracht wird. Schon am Sonntag war eine Briefkastenfirma von Lionel Messi bekanntgeworden. Nun berichtet die Tagesschau auch über einen ehemaligen Bundeliga-Trainer. Tayfun Korkut, der in der letzten Saison noch die Übungseinheiten von Hannover 96 leitete, soll in seiner aktiven Zeit als Fußballprofi Zahlungen über eine Briefkastenfirma abgewickelt haben. Der Tagesschau-Bericht bezieht sich auf die Jahre 2000 bis 2003, als der Deutsch-Türke für den spanischen Verein Real Sociedad San Sebastián auflief.
Unter dem Deckmantel eines Lizenzgeschäfts soll Korkut den "Panama Papers" zufolge einen großen Teil seines Gehalts am Fiskus vorbeigeschleust haben. Demnach sei eine 3,4 Millionen D-Mark über die Niederlande und die Bahamas als Lizenzgebühren für Bildrechte an Korkut. Dieser wollte sich nach Tagesschau-Angaben nicht zu den Vorwürfen äußern. Real Sociedad habe indes wissen lassen, dass Offshore-Deals im spanischen Fußball "üblich" gewesen seien. Auch der Argentinier Gabriel Heinze - einst bei Manchester United und Real Madrid - soll sich der Tagesschau zufolge eines Konstruktes mit Bildrechten bedient haben. In seinem Fall ging es jedoch um Einnahmen aus einem Werbevertrag - und zwar mit dem deutschen Sportartikelhersteller Puma.
Eierproduzent Pohlmann und ein berühmter Agent
Andere, die in den "Panama Papers" auftauchen, suchen nicht so das Rampenlicht wie die Sportstars. Der einst größte Eierproduzent Europas, Anton Pohlmann, der in Deutschland wegen Tierquälerei mit lebenslangem Berufsverbot belegt ist, gehört etwa dazu. Er beglich den Angaben zufolge seine Schulden im Zusammenhang mit Farmen, die er danach in den USA gründete, über eine Stiftung in Panama und nutzte eine weitere Offshore-Adresse, um sich eine Jacht zu halten.
Der Privatermittler Werner Mauss, eine schillernde Figur der westdeutschen 1970er Jahre, taucht laut Tagesschau als Nutzer eines Dutzend Offshore-Firmen unter mehreren Decknamen in den Papieren auf. Mauss erklärte, einen Teil habe er privat, einen anderen Teil der Firmen aber als Agent genutzt. Bei den Behörden seien alle angemeldet.
Siemens und die Verwicklung der Banken
Zur Verwicklung der Banken in die Offshore-Geschäfte hatte Georg Mascolo, Chef des Recherchepools von Süddeutscher Zeitung, NDR und WDR, bereits in der Talkshow Anne Will am Sonntag gesagt, ihm falle mit Ausnahme der Sparkassen kaum eine deutsche Bank ein, die nicht in den Dokumenten auftauche. Auch von „neuen Spuren zum Siemens-Skandal“ sprach er. Siemens erklärte dazu gegenüber dem Tagesspiegel, man gehe davon aus, dass es sich „um Vorgänge im Zusammenhang mit bekannten Altfällen handelt“. Siemens sei dabei die Geschädigte.
Den jüngsten Veröffentlichungen der SZ zufolge liegt "der Verdacht nahe, dass ehemalige Siemens-Manager einen Teil des Geldes, das sie einst in schwarzen Kassen in Lateinamerika verwaltet haben, nach Bekanntwerden der Affäre im November 2006 nicht an den Konzern zurückgeführt haben". Stattdessen seien offenbar fast drei Millionen Euro auf privaten Konten gelandet, darunter in der Schweiz und auf den Bahamas. Einer der beteiligten Ex-Siemens-Manager bestätigte laut SZ lediglich, dass das Konto auf den Bahamas ihm gehörte. Die Firma Siemens erklärte, sie wisse davon nichts.
Die Deutsche Bank und die private Hamburger Berenberg-Bank bestätigten am Montag bereits Geschäfte mit Offshore-Modellen – Berenberg führt sie über eine Schweizer Tochter –, betonten aber deren Rechtmäßigkeit. Die DZ-Bank erklärte, sie habe Kunden nie aktiv Briefkastenfirmen angeboten. Ihre Kapitalanlagegesellschaften seien „ nachweislich steuerkonform“.
Wessen Name nicht in den Panama-Papieren steht, macht generell bodenständigere Geschäfte. Sparkassen seien regional verankert, sähen sich in „gesamtgesellschaftlicher Verantwortung“ und ihr Geschäft sei „nicht auf die Erzielung maximaler Renditen ausgerichtet“, sagt Stefan Marotzke vom Deutschen Sparkassen- und Giroverband dem Tagesspiegel. „Der klassische Sparkassenkunde macht eher keine Offshore-Geschäfte in Panama.“ Nachdem nun die Beteiligung von Landesbanken bekannt geworden ist, gibt es jedoch zumindest eine mittelbare Verbindung der Sparkassen zum Offshore-Fall.
"Geschäft zu 99,9 Prozent in Deutschland"
Auch von den befragten ethischen und ökologischen Banken kommt auf Anfrage ein klares Nein: „Unser Bankgeschäft findet zu 99,9 Prozent in Deutschland statt“, sagt Christof Lützel, Sprecher der Bochumer GLS-Bank. „Wir schließen das ebenso aus wie die Sparkassen.“ Alfred Krott von der katholischen Pax-Bank sagt: „Geld durchzuschleusen, ist nicht unser Geschäftsmodell. Kunden, die bei uns anlegen, legen auch bei uns an.“ Offshore-Anlagen, so seine Kollegin Franziska Nocke von der Evangelischen Bank, „schließen wir definitiv aus“. Wo die Investitionen der Kunden landen, gehe durch mehrere feine Filter. „Das würde schon im Frühwarnsystem auffallen.“
Ein französischer Kunde von Mossack Fonseca hatte auch Geschäftsverbindungen in den deutschen Fußball: Der verstorbene Milliardär und Ex-Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus, der mehrere Offshore-Firmen unterhielt, schoss dem früheren FC-Bayern-Präsidenten Hoeneß Millionen für seine Spekulationsgeschäfte vor.
Andrea Dernbach, Ingo Salmen