Chef der Öko-Bank GLS: "Wer eine Milliarde besitzt, könnte gut die Hälfte verschenken"
Thomas Jorberg, Chef der GLS-Bank, ärgert sich, dass nicht genug in Bildung und Soziales investiert wird. Um das zu ändern, müsse man bei den hohen Vermögen "ansetzen", wie er im Interview erklärt.
Herr Jorberg, Sie vertreten als Banker eine Branche, die seit Jahren in der Kritik steht. Wünschen Sie sich manchmal einen anderen Beruf gewählt zu haben?
Nein, auf keinen Fall. Als Banker hat man es mit allen Lebensabschnitten des Menschen zu tun – vom ersten Konto bis zur Finanzierung des Hauskaufs. Das begleiten zu dürfen, ist eine tolle Aufgabe. Allerdings weiß ich nicht, ob ich Banker geworden wäre, wenn es nicht bei der GLS Bank gewesen wäre.
Wenn man Ihnen morgen anbieten würde, Chef der Deutschen Bank zu werden, würden Sie also ablehnen?
Ich bin froh, dass ich nicht Chef der Deutschen Bank bin. Und da man mir das wohl auch nicht anbieten wird, kann ich das ganz gelassen sehen.
Allerdings verdienen Sie als Chef der GLS Bank deutlich weniger als Vorstände anderer Institute.
Ich bin davon überzeugt, dass man mit der Höhe des Gehalts niemanden motivieren kann. Es kann einen höchstens demotivieren, wenn das Gehalt zu niedrig ausfällt. Aber das ist bei mir nicht der Fall. Wenn ich sehe, dass andere Bankchefs mehr verdienen, dafür aber Leistungen erbringen müssen, die nicht ihrem eigenen Ideal entsprechen, fühle ich mich in einer sehr privilegierten Situation.
Also verdienen Sie lieber weniger, haben dafür aber einen Job, den Sie vertreten können?
Ja, natürlich.
Nun müssen aber auch Ihre Kunden Abstriche machen. Aufs Festgeld bekommt man bei der GLS Bank schon jetzt keine Zinsen mehr. Warum?
Das liegt am allgemeinen Zinsniveau. Volkswirtschaftlich gesehen ist einfach zu viel Geld da. Das ist die Logik des Marktes: Wenn das Angebot größer ist als die Nachfrage, dann sinkt der Preis. Das ist bei Bankprodukten nicht anders als bei anderen Waren. Wenn nun Banken in der derzeitigen Situation noch Zinsen auf Festgeldkonten zahlen, dann tun sie das, um sich Kunden zu erkaufen.
Aber warum sollte ich denn als Kunde noch Geld zur Bank bringen, wenn ich dafür nicht mal mehr Zinsen bekomme?
Das ist eine berechtigte Frage. Allerdings erbringen wir als Bank durchaus eine Leistung: Wir bringen Geld, das Menschen gerade nicht brauchen, in sozial oder ökologisch sinnvolle Projekte. Bezahlt hat das bislang ausschließlich der Kreditnehmer. Wir müssen uns nun jedoch daran gewöhnen, dass einen Teil dieser Leistung auch die Sparer bezahlen.
Legen Sparer trotzdem noch Geld bei Ihnen an?
Ja. Auch bei einem Zins von null Prozent wachsen bei uns die Einlagen stärker als der Kreditbereich.
Ein Zins von null Prozent stellt das Geschäftsmodell der Banken ziemlich auf den Kopf...
Ja, anders geht es aber nicht. Banken verdienen schließlich an der Zinsmarge, also an der Differenz zwischen Einlagen- und Kreditzins. Wenn nun aber die Kreditzinsen immer weiter sinken, während die Einlagenzinsen bereits bei null sind, dann lässt sich das Bankgeschäft auf klassische Weise nun mal immer weniger finanzieren.
Wie kann man das ändern?
Wenn die Zinsmarge so weit zurückgeht, dass Sie als Banker damit keine unabhängige Beratung mehr finanzieren können, gibt es nur zwei Möglichkeiten: Sie können mehr Produkte mit Provisionen verkaufen – was aber für uns nicht in Frage kommt, weil das dann keine unabhängige Beratung mehr ist. Oder Sie müssen das Vergütungsmodell überarbeiten. Darüber denken wir gerade nach. Die Idee ist dabei, dass der Kunde ein bestimmtes Paket für Bankdienstleistungen bucht und dafür unabhängig beraten wird.
"Wir überlegen, in die Crowdfinanzierung einzusteigen"
Nun sind nicht nur die Zinsen im Keller, auch die Regulierung für Banken wird strenger. Wie wirkt sich das bei Ihnen aus?
Bislang müssen wir zum Beispiel einen Kredit den Behörden erst melden, wenn er eine Million Euro überschreitet. In Zukunft sollen wir bereits jeden Kredit ab 25.000 Euro melden. Für Deutschland diskutiert die Finanzaufsicht Bafin sogar eine Meldepflicht für jeden Kredit unabhängig von der Höhe. Das bedeutet einen enormen Mehraufwand für uns. Leisten können wir den nur, wenn wir die Kreditentscheidungen viel stärker automatisieren. Das heißt aber, dass wir für viele Projekte, die wir gerne finanzieren würden, keinen Kredit mehr bereitstellen können.
Finden Sie sich damit ab?
Unser Selbstverständnis ist, Geld dorthin zu bringen, wo es gebraucht wird. Das haben wir bislang hauptsächlich über das klassische Bankgeschäft getan. Nun denken wir darüber nach, wie man Unternehmen alternativ Geld bereitstellen kann. Dazu gehört zum Beispiel die Crowdfinanzierung im Netz, bei der Verbraucher sich zusammenschließen, um bestimmte Projekte zu finanzieren.
Heißt das, Sie wollen in die Crowdfinanzierung einsteigen?
Wir können uns das zumindest vorstellen. So wie wir über die GLS Treuhand bereits Menschen dabei unterstützen, Geld zu verschenken, könnten wir ihnen auch dabei helfen, Firmen über Crowdfinanzierung Geld bereitzustellen.
Wenn mehr Menschen das Crowdfunding nutzen, muss es dann dafür nicht strengere Regeln geben?
Es ist keine Lösung, Crowd-Anbietern ähnlich strenge Regeln aufzuerlegen wie Banken. Damit macht man das Instrument überflüssig. Viele Projekte können nur über Beteiligungsformen wie Crowdfunding finanziert werden, weil Menschen sie unterstützen wollen und dafür bereit sind, Risiken einzugehen. Mit einer zu starken Regulierung wäre das nicht mehr möglich. Gleichzeitig müssen Verbraucher aber umfassend aufgeklärt werden, so dass sie sich der Risiken bewusst sind.
Apropos Risiko. Sie investieren stark in Erneuerbare Energien. Ist das nicht sehr riskant, wenn man zum Beispiel an die Prokon-Pleite denkt?
Nein, unserer Erfahrung nach sind Investitionen in regenerative Energien nicht per se riskanter als andere Anlagen. Wir haben deshalb auch nicht mehr Risiken in unseren Büchern stehen als andere Genossenschaftsbanken. Das Problem bei Prokon war nicht die Branche sondern das waren eklatante Fehler des Managements.
Sie unterstützen nun die neugegründete Prokon-Genossenschaft. Was versprechen Sie sich davon?
Vor der Pleite von Prokon waren wir an der Firma nicht beteiligt und haben unseren Kunden eher abgeraten, dort einzusteigen. Doch was mich im Zuge der Pleite sehr gestört hat, war das Bild, das in der Öffentlichkeit von den 75.000 Prokon-Anlegern entstand: Sie wurden als dumm oder gierig abgestempelt. Dabei wollten die meisten doch mit ihrem Investment nur die Energiewende finanzieren und sind dabei an den Falschen geraten.
Und Sie glauben, dass man das besser machen kann?
Ja, durchaus. An Prokon war schließlich nicht alles schlecht. Die Firma hatte nur die falsche Rechtsform und ein völlig falsches Management. Die neue Genossenschaft hat meiner Ansicht nach gute Chancen, erfolgreich zu werden.
Es gibt mittlerweile eine wachsende Bewegung, die Investoren auffordert, ihr Geld aus Kohle, Öl und Gas abzuziehen. Unterstützen Sie das?
Das unterstützen wir ausdrücklich. Wir sollten auf jeden Fall mehr darüber nachdenken, wo unser Geld hinfließt. Obwohl derzeit so viel Geld im Markt ist, schaffen wir es nicht, es dorthin zu bringen, wo es gebraucht wird. Dabei denke ich etwa an Bereiche wie Bildung, Infrastruktur, Ökologie oder Soziales. Es ist doch absurd, dass uns in Deutschland – einem der reichsten Länder der Welt – das Geld für die Sanierung von Brücken fehlt.
Was sollte man Ihrer Meinung nach tun?
Man muss bei den hohen Vermögen ansetzen. Es gibt derzeit ein Überangebot an Geld auf dem Markt und das muss sinnvoll eingesetzt werden. Wer zum Beispiel eine Milliarde Euro besitzt, könnte gut die Hälfte seines Vermögens verschenken. Dann hätte er auch viel größere Chancen für den Rest wieder Zinsen zu bekommen, als wenn er die gesamte Summe anlegt. Und keiner der Superreichen würde real geschädigt, wenn man ihr Vermögen kappen würde.
"Wir bieten auch Flüchtlingen Girokonten an"
Nun wird kaum jemand freiwillig die Hälfte seines Vermögens abgeben…
Man kann ein Problem nur lösen, wenn man es als Problem erkennt. Die Erkenntnis, dass wir viel zu viel Kapital auf dem Markt haben und es nicht für gesellschaftlich sinnvolle Zwecke eingesetzt wird, ist aber leider noch nicht weit genug verbreitet.
Ihnen ist Transparenz sehr wichtig, weshalb die GLS Bank auch die Namen aller Unternehmen veröffentlicht, die einen Kredit aufnehmen. Beschweren sich Firmen darüber nicht?
Nein, viele sehen das sogar positiv. Sie bekommen so die Möglichkeit ihr Projekt auf unserer Internetseite vorzustellen und werden dadurch bekannter. Außerdem ist es ja kein Makel, als kreditfähig eingestuft zu werden – im Gegenteil. Allerdings muss man dazu sagen: Wir befriedigen das berechtigte Interesse an Transparenz, nicht Neugierde. So veröffentlichen wir nicht, welcher Privatkunde bei uns einen Immobilienkredit aufnimmt. Im Privatkundengeschäft weisen wir nur die Anzahl der Kreditnehmer und die Gesamtsumme aus.
Würden Sie Griechenland noch Geld leihen?
Bei Griechenland geht es nicht mehr ums leihen. Das Land wird kaum in der Lage sein, das Geld zurückzuzahlen. Deshalb braucht das Land auch langfristig einen kräftigen Schuldenschnitt. Nur mit dem wird das neue Hilfsprogramm tatsächlich zu einer Hilfe für Griechenland.
Derzeit kommen extrem viele Flüchtlinge nach Deutschland. Unter anderem brauchen sie ein Girokonto. Bekommen Sie das bei Ihnen?
Ja, Flüchtlinge können in unseren Filialen Konten eröffnen. Außerdem werden wir in Bochumer Flüchtlingsheimen Beratungstermine zusammen mit Hilfsorganisationen anbieten und sind gespannt auf die Resonanz.
Viele der Flüchtlinge haben keine gültigen Papiere. Klappt das trotzdem?
Die Bafin hat bereits Ausnahmeregelungen eingeführt, mit denen wir arbeiten können. Wichtig ist, dass wir die Identität eindeutig feststellen können. Dann können wir auch auf die Menschen persönlich eingehen und ihnen helfen.
ZUR PERSON: Thomas Jorberg (geboren 1957) ist seit 2003 Vorstandschef der GLS Bank. Mit der Bank ist er seit seiner Ausbildung verbunden: 1977 war er ihr erster Lehrling. Nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften in Bochum und Stuttgart kehrte er 1986 zur GLS Bank zurück, wo er seit 1993 im Vorstand sitzt. Jorberg ist verheiratet und hat zwei Kinder.
DIE BANK: Die GLS Bank (kurz für „Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken“) ist ein Genossenschaftsinstitut mit Hauptsitz in Bochum. Die Bank verspricht, Kundengelder ethisch korrekt anzulegen und investiert ausschließlich in soziale und ökologische Projekte. Hervorgegangen ist sie 1974 aus einer Elterninitiative, die eine Waldorfschule finanzieren wollte. Heute betreut sie deutschlandweit über 180.000 Kunden und hat eine Bilanzsumme von über vier Milliarden Euro.
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