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Der Journalist Georg Mascolo leitet den Rechercheverbund von SZ, WDR und NDR und diskutierte am Sonntagabend das Thema Steueroasen bei "Anne Will".
© imago/Jürgen Heinrich

"Panama Papers": „Meisterstück des investigativen Journalismus“

Weltweit enthüllen Medien die internationalen Geheimgeschäfte von hunderten Politikern und Prominenten. Wer hat die Recherche vorangetrieben?

Alles beginnt mit einer anonymen Nachricht. „Hier spricht John Doe. Interessiert an Daten?“, lautet die Nachricht an Bastian Obermayer von der „Süddeutschen Zeitung“. Der Journalist ist interessiert. Nach einem guten Jahr strenger Geheimhaltung berichten 400 Journalisten von 100 Medien aus 78 Ländern zeitgleich über die „Panama-Papers“ und windige Offshore-Geldgeschäfte in Panama, den Bahamas und auf den  Seychellen. In Deutschland wird die Nachricht in der Hauptausgabe der „Tagesschau“ als gemeinsame Enthüllung des Rechercheverbundes von „Süddeutscher Zeitung“, WDR und NDR  sowie der internationalen Journalistenorganisation ICIJ bekannt gegeben.

Über elf Millionen Dokumente hatte John Doe – so werden  Personen genannt, deren Identität nicht bekannt ist – an die Zeitung weiter gegeben. Profitiert von den Geldgeschäften haben demnach Politiker und Prominente in einer Vielzahl von Ländern. Die Zeitung entschließt sich darum dazu, den  Rechercheverbund International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ) einzubinden. „Kein Journalist, kein Medium, so stark es auch sein mag, könnte diese Story alleine machen. Uns schmiedet zusammen, dass wir einander brauchen“, sagt Marina Walker, die Vize-Chefin von ICIJ. Die Journalisten–Organisation konnte die Echtheit der „Panama-Papiere“ mit den Daten eines zuvor verifizierten Leaks überprüfen.

Wer ist dieser Rechercheverbund?

Hinter dem  Journalisten-Konsortium  steht die US-amerikanische Non-Profit-Organisation Center for Public Integrity (CPI). Sie wurde 1989 vom Journalisten Charles Lewis in der US-Hauptstadt Washington gegründet. Die CPI will „Machtmissbrauch, Korruption und Pflichtverletzung durch mächtige öffentliche und private Institutionen aufdecken“. Die Organisation mit ihren mehreren Dutzend festangestellten Mitarbeitern wird durch Stiftungen wie die Ford Foundation und die John S. and James L. Knight Foundation unterstützt. Der Milliardär George Soros spendete über eine Million Dollar.

Aus der CPI ging 1997 das Journalisten-Konsortium hervor. In den USA deckte es unsaubere Wahlkampfspenden für die US-Präsidenten Bill Clinton und George W. Bush auf. International sorgten die Luxemburg- und Swiss-Leaks für Aufsehen. 2013 werteten ICIJ-Journalisten in dem bis dahin größten internationalen journalistischen Rechercheprojekt 2,5 Millionen Dokumente über die Steuerflucht in Offshore-Finanzplätze auf. Auch daran war der Rechercheverbund von SZ, WDR und NDR beteiligt.

Aus Deutschland gehören dem ICIJ Georg Mascolo als Leiter des Rechercheverbunds von SZ, WDR und NDR, die SZ-Journalisten Bastian Obermayer, Hans Leyendecker und Frederik Obermaier sowie Julia Stein an, die beim NDR als stellvertretende Leiterin im Ressort Investigation tätig ist. International gehören unter anderem Journalisten von „Guardian“ und „Le Monde“ sowie von BBC und ORF zu den  ICIJ-Mitgliedern.

Wie umfangreich ist die Enthüllung?

Nach Einschätzung der „Tagesschau“ handelt es sich bei den „Panama-Papers“ um das „vermutlich größte Datenleck, das Journalisten jemals auswerten konnten“. Vom Umfang her könnte das zutreffen: Edward Snowden hatte während seiner Tätigkeit als IT-Berater für die NSA 1,7 Millionen Dateien auf USB-Stick kopiert. Wikileaks veröffentlichte ab 2012 über zwei Millionen Mail syrischer Politiker sowie von Personen von syrischen Ministerien und Unternehmen. Die „Syria Files“ zeigten, wie internationale Firmen trotz Ächtung des Landes Geschäfte mit dem Regime machten. Die Sammlung der Botschaften-Depeschen zwei Jahre zuvor hatte 250.000 Berichte und Lagebeurteilungen von US-Botschaften enthalten, die diplomatischen Verstimmungen waren indes groß.

„Wenn sich Steuerhinterziehung und Geldwäsche inzwischen die Chancen der Globalisierung zunutze machen, müssen auch Journalisten international kooperieren, wenn sie Licht ins Dunkel bringen wollen“, lobt Frank Überall, Vorsitzender des Deutschen Journalisten-Verbandes, die Enthüllung der Panama-Papiere als „Meisterstück des investigativen Journalismus“, bei dem journalistische Profis über Ländergrenzen hinweg zusammengearbeitet und ein Thema hartnäckig verfolgt haben. Das heiße aber nicht, dass Enthüllungen nur noch von Rechercheverbünden geleistet werden können. „Das Gros der für die Bürger wichtigen Skandale und Affären findet nach wie vor im eigenen Land, in der eigenen Kommune statt.“ Deshalb sei es es wichtig, dass die Journalisten in den Redaktionen genügend Zeit für Recherchen haben.

Vor der digitalen Zeit habe es solche Datenberge nicht gegeben, die nun solche Kooperationsformen wie den internationalen Rechercheverbund nötig gemacht haben, sagt der Dortmunder Medienforscher Horst Röper vom Formatt Institut. Dass dabei öffentlich-rechtliche Rundfunkhäuser wie WDR und NDR mit der privatwirtschaftlichen "Süddeutschen Zeitung" zusammenarbeiten, sei bei solchen besonderen Rechercheleistungen legitim. "Ich hätte allerdings meine Zweifel, wenn dies auch bei der normalen Berichterstattung so laufen würde. Dann würden wir die letzten Reste der Vielfalt gefährden", sagt der Medienforscher.

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