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Attac-Aktivisten beim Bankenprotest. Einige wollen jetzt ein Gegenmodell realisieren.
© pa/dpa

Geplante "Bank fürs Gemeinwohl": Die Banklehre

In Wien haben ein Attac-Gründer und ein frustrierter Ex-Sparkassenchef denselben Traum: ein Geldhaus, das dem Gemeinwohl dient, nicht den Gewinninteressen einiger weniger. Geht das?

Mit seinem Leben als Banker hatte Robert Moser eigentlich schon abgeschlossen. Ausgerechnet er, der mit nur 31 Jahren Österreichs jüngster Bankvorstand geworden war. Ausgerechnet Robert Moser war also während der zwei Jahrzehnte in der Chefetage der Sparkasse im reichen Kitzbühel der Sinn bei der Arbeit abhandengekommen. „Das Geldgeschäft hat sich immer weiter von der realen Wirtschaft entfernt“, sagt Moser, ein großer, schlanker Mann. Darum studierte er nebenher Psychologie und begann eine Ausbildung zum Therapeuten. Im Juni 2014 hängte er den Bankjob an den Nagel.

Robert Moser hatte also alles gut vorbereitet für sein Leben als Aussteiger. Sein neuer Arbeitsplatz in einem lichten Ladenlokal an der Rechten Wienzeile in Österreichs Hauptstadt sieht denn auch eher wie ein linker Szenetreff aus.

Plakate und Zettel kleben an den Scheiben, das Mobiliar ist schlicht. Nichts erinnert an das Ambiente eines Geldhauses. Und doch betreibt Moser hier im Alter von 57 Jahren mit aller Kraft, was er unbedingt hinter sich lassen wollte: die Gründung einer Bank, deren Chefposten ausgerechnet er übernehmen soll.

„Ja, das ist ein bisschen verrückt“, sagt er, aber das Vorhaben fasziniere ihn eben. Da seien „endlich mal Leute, die nicht sagen, man kann nix machen, sondern selbst ihre Welt gestalten wollen“.

Schuld an Mosers Ausstieg aus dem Ausstieg ist ein Mann, der aus einer ganz anderen Welt kommt: Christian Felber, 42, sportlicher Typ mit kurzen rotblonden Haaren, zählt zu den Attac-Gründern in Österreich, also jenem Netzwerk der Globalisierungskritiker, das gegen die Macht der Großbanken und für die Reform des Finanzsystems streitet. Vermutlich wären sich der gutbürgerliche Banker aus Kitzbühel und der Mann aus der linken Wiener Szene nie begegnet, hätte vor sieben Jahren nicht der große Crash die Finanzwelt erschüttert.

Lieber "good bank" als "bad bank"

In jenem Herbst 2008 forderte der damalige Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann eine von den Staaten und ihren Steuerzahlern getragene „bad bank“, die Europas Geldhäusern deren faule Kredite abnehmen sollte. „Was aber eigentlich fehlte, waren ,good banks‘“, sagte Felber. Und er begann mit seinen Attac-Freunden über Banken nachzudenken, die wie Universitäten oder Wasserwerke der Gesellschaft dienen und nicht den Gewinninteressen ihrer Manager. Das war die Geburtsstunde der „Bank für Gemeinwohl“ – und das Ende von Mosers Ausstiegsplänen.

Christine Tschütscher und Robert Moser.
Christine Tschütscher und Robert Moser.
© privat

Die Idee hat in ganz Österreich inzwischen Tausende in ihren Bann gezogen. Voraussichtlich im Frühjahr 2016 wird Moser mit seinen Kollegen nun eine Bank ins Leben rufen, die ganz anders operieren soll als etablierte Finanzinstitute. Gewiss, auch sie wollen Kundengelder verwalten und Kredite vergeben, so wie es jede Sparkasse tut. Aber Darlehen sollen nur an solche Unternehmen gehen, die nachweislich dem Gemeinwohl und nicht nur den Kapitaleignern dienen, etwa Energiegenossenschaften in Bürgerhand oder Unternehmen im Besitz der Belegschaft. Gewinne sind nicht vorgesehen, Überschüsse sollen für eine günstige Kreditvergabe genutzt werden.

Einleger als politische Akteure

Einleger und Kreditnehmer werden in der „Bank für Gemeinwohl“ auch nicht nur Kunden sein, sondern zugleich politische Akteure. Als Genossenschafter, angeschlossen an ein eigenes elektronisches Netzwerk, sollen sie selbst entscheiden, was mit ihrem Geld geschieht. Mehr noch: Die Alternativbanker werden eine „Volkshochschule für Geld“ betreiben. In der Akademie soll über das Finanzsystem aufgeklärt, Kampagnen zu dessen Reform sollen angeschoben werden. Geplant ist also eine Bank, die nicht wie die anderen Alternativbanken, etwa die deutsche GLS, nur ein Wirtschaftsbetrieb ist, sondern auch eine soziale Bewegung.

Kann das funktionieren?

Es begann im Kaffeehaus

Attac-Aktivisten beim Bankenprotest. Einige wollen jetzt ein Gegenmodell realisieren.
Attac-Aktivisten beim Bankenprotest. Einige wollen jetzt ein Gegenmodell realisieren.
© pa/dpa

So ganz genau wissen das auch der Bankveteran Moser und der Aktivist Felber nicht. Aber auf ihrem langen Weg zur guten Bank sei ihnen „ein Spagat zwischen politischem Engagement und betriebswirtschaftlicher Professionalität“ gelungen, der ihn selbst verblüfft habe, sagt Felber. Als er und ein Attac-Kollege im Oktober 2010 zum ersten Treffen für die „Demokratische Bank“ aufriefen und sich mit 100 Interessierten in einem überfüllten Kaffeehaus berieten, ging es ihnen noch um die Keimzelle für ein ganz neues Finanzsystem unter Kontrolle der Bürger. Dieses Ziel rückte jedoch in weite Ferne, als die von den G-20-Regierungen versprochene große Systemreform auf eine bloße Verbesserung der Bankenaufsicht zusammenschrumpfte.

Umso dringender wollten viele Aktivisten dann wenigstens eine Bank, bei der jedermann sein Geld im sicheren Wissen anlegen kann, dass es den zerstörerischen Wettlauf um die höchste Rendite nicht weiter antreibt. Aber einfach eine Bank gründen? Davor stellt das Gesetz hohe Hürden. Für eine Banklizenz müssen mindestens fünf Millionen Euro Kapital, ein geprüftes Geschäftsmodell, qualifizierte Manager und höchste Sicherheit für das Geld der Kunden nachgewiesen werden.

Die Suche nach der passenden Rechtsform

Es dauerte drei Jahre, bis sich die Aktivisten in langen Debatten mit Verbänden und Behörden auf eine passende Rechtsform einigten. Weil die Alternativbanker ihr Geldhaus als Genossenschaft gründen wollten, lag es nahe, bei den österreichischen Raiffeisenbanken anzudocken. Schließlich hatte deren Namensgeber, der preußische Kommunalbeamte Friedrich Wilhelm Raiffeisen, einst ganz ähnliche Ideen verfolgt, als er mit armen Bauern im 19. Jahrhundert die Kreditgenossenschaften ins Leben rief, um sie vor „Zinswucher“ zu schützen. Von der sozialen Ausrichtung sei aber „wenig geblieben“, sagt Felber. Das Raiffeisen-Zentralinstitut agierte wie andere Großbanken auch und musste prompt während der großen Krise mit Steuergeld gerettet werden. Bei den Volksbanken und Sparkassen war es nicht anders.

Deren gemeinsame Einlagensicherung war darum „schon belastet, dafür wollten wir nicht zahlen“, sagt Felber.

Die neue Gemeinwohlbank übertrage die alte Idee in die moderne Zeit, meint Felber, eine Art Raiffeisen 2.0 also. Im April 2014 gründeten die Neubanker daher eine „freie Genossenschaft“, die keinem Verband angehört. Bis Ende 2015 sollen so viele Genossen geworben werden, dass deren Einlagen das benötigte Kapital stellen. Das wird der Gründung einer Bank als Aktiengesellschaft dienen, deren einziger Aktionär die Genossenschaft ist. Diese AG wiederum soll der Einlagensicherung der Privatbanken beitreten.

Unterstützung aus allen Schichten

Trotz der Anlaufschwierigkeiten erhielt das Projekt über die Jahre immer mehr Zulauf. Die Unterstützer kommen aus allen Schichten, sagt Felber, und an freiwilligen Helfern besteht kein Mangel. Andrea Toifl zum Beispiel ist gelernte Betriebswirtin und hat 20 Jahre im Marketing beim Hausgerätehersteller Bosch- Siemens gearbeitet. Aber dort ging es ihr wie dem Aussteiger Moser, auch sie hat irgendwann „den Sinn des Wirtschaftens nicht mehr erkannt“. Mit ihrem Engagement für die Bankeninitiative habe sie das Gefühl der Leere vertreiben können. Bis zu 15 Stunden pro Woche arbeitet sie ehrenamtlich an der Kampagne, die neue Mitglieder und Kapitaleinleger gewinnen soll.

Enthusiasmus der Gründer

Christine Tschütscher und Robert Moser.
Christine Tschütscher und Robert Moser.
© privat

Robert Moser, der Banken-Aussteiger, war zunächst skeptisch. Als ein Freund ihm im Frühjahr 2014 erzählte, da befinde sich eine alternative Bank im Aufbau und habe nun den Chefposten ausgeschrieben, habe er erst mal abgewunken, erzählt Moser. Doch der Freund habe ihn bedrängt, sich das „wenigstens anzugucken“, darum habe er pro forma eine Bewerbung geschickt und sei ohne Erwartungen zum Vorstellungsgespräch gefahren. Bei diesem Treffen mit den Initiatoren habe es ihn dann „gepackt“. Vier Stunden lang habe man sehr intensiv gesprochen. „Die hatten eine Vision, die hatten Spirit“, sagt Robert Moser. Da wollte er dabei sein.

Dem Enthusiasmus der Gründer konnte sich auch Christine Tschütscher nicht entziehen. Bei diesem Unternehmen gehe es zu „wie bei erfolgreichen Start-ups“, sagt sie. Tschütscher, eine Geschäftsfrau in den Fünfzigern, blickt ebenfalls auf eine erfolgreiche Karriere zurück, war unter anderem Chefin der „Corporate Strategy“ bei der Mobilfunkfirma „One“, die später im Orange-Konzern aufging. „Da gab es auch so eine Aufbruchstimmung“, sagt sie. Nun wird Tschütscher den Vorstand der Genossenschaft leiten, deren Bank das Geldgewerbe revolutionieren soll.

Die Kritiker zweifeln

Die Konkurrenz beeindruckt das allerdings wenig. Er könne sich „nicht vorstellen, dass das funktioniert“, meint etwa Gerhard Fabisch, Präsident des österreichischen Sparkassenverbandes. Die alternative Bank werde womöglich zu klein sein, um ihre Kosten zu decken. Und dem Gemeinwohl würden die Sparkassen ohnehin „schon seit 200 Jahren“ dienen, auch wenn zuletzt „da und dort Fehler gemacht wurden“ und „das Image der Banken“ gelitten habe.

Vermutlich deshalb brummt der Betrieb im Laden an der Wienzeile. Der Marathon zur Bankeröffnung geht in die Zielgerade. Derzeit läuft die Testphase für das „Online-Tool“ zur Zeichnung von Genossenschaftsanteilen. Sobald das sicher funktioniert, werden eigens ausgebildete Referenten landesweit ausschwärmen, um weitere Genossen anzuwerben, bis auf Weiteres aber nur in Österreich.

Im Schnitt rechnen sie mit Einlagen von 375 Euro pro Mitglied und wollen bei rund 40 000 Genossen 15 Millionen Euro Kapital einwerben. Aber schon vorher, sobald die gesetzlich vorgeschriebenen fünf Millionen erreicht sind, werden Moser und Tschütscher im Namen der Genossenschaft den Antrag auf eine Banklizenz stellen. Wenn diese vorliegt, soll der Geschäftsbetrieb starten.

Ob das neue Geldhaus tatsächlich florieren wird, mag derzeit nicht mal Bankveteran Moser beschwören. Denn die Zeiten für das Bankgeschäft „sind denkbar schlecht“, sagt er. Zwar gebe es keine Zweifel, dass sich genügend Einleger finden. Wegen der anhaltend niedrigen Zinsen sei mit der Marge zwischen Einlagen- und Kreditzins aber kaum noch Geld zu verdienen, selbst wenn viele Einleger auf Zinsen verzichten.

Dass die alternativen Finanzer dennoch ein plausibles Geschäftsmodell vorlegen können, verdanken sie einem weiteren Profi, der auch dem Aufsichtsrat angehört: Ralf Widtmann, ehedem bei der Unternehmensberatung Roland Berger tätig und seit 2012 selbstständiger Bankberater mit Sitz in Wien. Widtmann hat schon Geldkonzerne wie die italienische Unicredit, die französische BNP Paribas und die Deutsche Bank beraten, kennt also das Geldgeschäft gut und engagiert sich gerade deshalb für eine Alternative.

Start ohne Altlasten

Ja, „das Zinsumfeld“ sei schlecht, gibt er zu. „Aber die Leute wollen eine solche Bank, wie sie Bioprodukte wollen“, sagt Widtmann. Dafür würden sie auch etwas mehr bezahlen. Zudem hätte die Gemeinwohlbank Vorteile. Sie könne online und per Telefon operieren und müsse nur wenige Filialen betreiben. Während „die etablierten Banken mit ihren Altlasten und überhöhten Gehaltsstrukturen kämpfen“, müsse die Gemeinwohlbank nicht mal Geld für Werbung ausgeben. Die Gründungskampagne sei getragen von den ehrenamtlichen Helfern, danach seien „die Kunden selbst“ die besten Werbeträger. Widtmann sieht deshalb gute Überlebenschancen für die neue Bank.

Das größte Risiko seien die hohen Erwartungen, warnt er. Ein Ansturm neuer Kunden könne dazu führen, „dass wir mit Geld geflutet werden“. Aber nichts sei „gefährlicher als zu schnelles Kreditwachstum“, dies habe schon manche Bank ruiniert. In den ersten fünf Jahren soll das Kreditvolumen darum auf höchstens 80 Millionen Euro steigen. Wenn der Andrang der Einleger diese Grenze übersteige, „dann muss man halt mal Stopp sagen“, sagt der Bankexperte.

Fragt sich nur, ob die künftigen Eigentümer widerstehen können, wenn ihnen die Kunden die Türen einrennen. Schließlich soll die Bank auch ein politisches Unternehmen werden, eine Bewegung, die auf Einfluss drängt. „Am Ende entscheiden die Genossen“, sagt Moser, der designierte Vorstandschef. „Aber dieses Risiko gehe ich gerne ein.“

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