Syrische Kulturschätze in Berlin: Sammlung für die Zukunft
Das Berliner Museum für Islamische Kunst zeigt die Zerstörung von Kulturgütern in Syrien. Und es dokumentiert die Arbeit von Helfern für die Nachkriegszeit.
Wenn die Dinge im Museum stehen, wohl sortiert und katalogisiert, geht die Zeit draußen doch weiter. Das Materielle in den Vitrinen ist gerettet und zugleich aus seinem geografisch-geistigen Zusammenhang genommen. Museen können bewahren, was sonst wahrscheinlich verloren wäre. Und um die Lage noch komplizierter zu machen, gilt das manchmal auch für Raubkunst-Stücke.
Aber was heißt sicher? Kostbarste Artefakte aus dem syrischen Kulturraum, die von Max von Oppenheim und seinen Leuten ausgegraben und bis 1929 nach Berlin gelangt waren, wurden im Zweiten Weltkrieg bei Bombenangriffen zerstört. Es dauerte Jahrzehnte, bis sie wiederhergestellt waren. „Die geretteten Götter aus dem Palast vom Tell Halaf“ auf der Museumsinsel waren 2011 eine Sensation.
Alles hängt zusammen
Es war das Jahr, in dem in Syrien ein Krieg begann, der immer noch andauert. Der Millionen Menschen Heimat, Gesundheit, Leben gekostet und unzählige Kulturgüter zerstört oder beschädigt hat. Viele dieser Menschen leben heute in Deutschland. Das Museum für Islamische Kunst und sein Direktor Stefan Weber wollen für Geflüchtete eine Anlaufstelle sein. Dafür wurde das Projekt „Multaka – Treffpunkt Museum“ gegründet.
Krieg, Museum, Flüchtlingspolitik – alles hängt zusammen. Da geht einem vieles durch den Kopf, wenn man jetzt das Museum für Islamische Kunst besucht. In die ständige Sammlung hinein sind Tafeln und Stellwände platziert. Die Ausstellung „Kulturlandschaft Syrien. Bewahren und Archivieren in Zeiten des Krieges“ erinnert daran, woher die Stücke, die in der Regel schon lange in Berlin sind, ursprünglich stammen – und dass dort heute Elend und Zerstörung herrschen, wie es da jetzt aussieht. Die Kapitelle aus Raqqa, dem ehemaligen Zentrum des „Islamischen Staates“, sind dafür ein Beispiel wie auch das Grabrelief aus Palmyra aus dem 2. Jahrhundert n. Chr.
Mehr ein Appell als eine Ausstellung
In der Wüstenstadt mit ihrer einmaligen antiken Architektur hat der IS der Weltöffentlichkeit seine Macht demonstriert und einen großen Tempel gesprengt. Das ist hier auf Fotografien dokumentiert. Palmyra, Raqqa, die „Dead Cities“ – verlassene Siedlungen, die schon immer so hießen –, Aleppo, Bosra, Damaskus: An diese Orte der Weltkultur wird im Saal mit dem Mschatta-Tor erinnert. Auf dem Weg dorthin kommt man am berühmten Aleppo-Zimmer vorbei, mit der bitteren Gewissheit, dass ähnliche Schätze in dieser alten Stadt der kulturellen und religiösen Vielfalt jüngst untergegangen sind.
„Kulturlandschaft Syrien“ ist mehr ein Appell als eine Ausstellung im eigentlichen Sinn. Man kennt die Bilder der Zerstörung vor allem aus Aleppo, die Ruinen der Umayyaden-Moschee und des überdachten Souks, der eine Stadt war für sich. Hier gibt es einen deprimierenden Überblick. Und auch einmal eine beruhigende Nachricht. Das frühbyzantinische Simeonskloster im Nordwesten Syriens hat den Krieg bisher ohne größere Beschädigungen überstanden.
Was hier versucht wird, ist eine andere Art von Provenienzforschung, vielleicht als Permanenzforschung zu bezeichnen: Im Grunde könnte man in fast jedem Museum so vorgehen, da wären vielerorts Hinweise auf Kriege und Bürgerkriege angebracht. Wie sieht es heute in Babylon aus, im Irak, woher das Ischtar-Tor ja stammt? Was ist mit Afghanistan? Syrien aber bleibt am Beginn des 21. Jahrhunderts das schlagendste Beispiel für bedrohtes und zerstörtes Weltkulturerbe.
Das Syrian Heritage Archive Project hat seit 2013 mit syrischen und deutschen Fachleuten über 350 000 Digitalisate erzeugt und Hunderte Gebäude und Orte erfasst. Finanziert vom Auswärtigen Amt, arbeiten in dieser Initiative das Museum für islamische Kunst und das Deutsche Archäologische Institut zusammen. Das Syrian Heritage Archive Project ist eine humane Reaktion auf das Grauen des Krieges.
Die Kuratorin Karin Pütt erklärt es so: „Wo sich über viele Jahrhunderte hinweg eine einzigartige Mischung von Menschen verschiedener Religionen und Ethnien in einem weitgehend friedvollen Zusammenleben entwickelt hat, sollte es nach dem Krieg die Chance geben, dass sich die heute verfeindeten Gruppen miteinander aussöhnen. Im besten Fall kann die Besinnung auf ein gemeinsames kulturelles Erbe zu dieser Versöhnung beitragen. Vielleicht kann man sich seiner Vergangenheit vergewissern, um daraus Kraft für einen Neuanfang zu schöpfen.“
Über dieses Bewahren und Archivieren gibt die Sonderausstellung im Museum für Islamische Kunst Auskunft. Die Arbeit wird getragen von der Hoffnung auf Frieden und Wiederaufbau. Dass die Syrer nach Hause zurückkehren können, dass eines Tages auch wieder Archäologen und Touristen nach Damaskus, Palmyra und Aleppo kommen.
Syrien, das bedeutet aber nicht nur Kultur und Geschichte, sondern auch Assad-Regime, russisches Einflussgebiet, Versagen des Westens. Werden diejenigen, die all das Leid und die Zerstörung zu verantworten haben, zur Rechenschaft gezogen? Das fragt man sich im Schutzraum eines deutschen Museums.
„Kulturlandschaft Syrien“, Museum für Islamische Kunst, bis 26 Mai. Katalog 8 Euro. Weitere Informationen unter https://project.syrian-heritage.org/de/