Museum für Islamische Kunst: Das Aleppo-Zimmer erzählt
Wissen wandert über die Grenzen: Wie das Berliner Museum für Islamische Kunst mit „Kulturgeschichten“ um junges Publikum wirbt.
Wer das Museum für Islamische Kunst auf der Museumsinsel besucht, wird selten auf Schulklassen treffen. Die Zahl der Besucher ist zwar im vergangenen Jahr auf 773 000 gestiegen, für Direktor Stefan Weber sind es immer noch zu wenig Jugendliche. Aber wie sollen die Lehrer auch mit dem Thema umgehen, angesichts weit verbreiteter Islamphobie und Klischeevorstellungen über diesen Kulturkreis?
Um neue Impulse zu setzen, hat Weber das Projekt „Kulturgeschichten“ gestartet. Es handelt sich um eine programmatische Arbeit, die weit über das einzelne Museum hinausgeht. Ziel ist es, für Grundschüler der 5. und 6. Klasse Material zu entwickeln, das hilft, spielerisch, aber fundiert einen Zugang zu den Schätzen des Museums zu finden. „In einem ersten Schritt haben wir Lehrer gefragt, was sie brauchen. Nach ihren Bedürfnissen haben wir dann Materialien entwickelt. So fanden zum Beispiel die 70 beteiligten türkischen Lehrer an deutschen Schulen das von uns angebotene Material unbrauchbar. Zu viel Arbeit am PC, wenig Haptisches“, erzählt Weber von den ersten Gehversuchen.
Vor dem zweiten Versuch wurde ein Geschichtenerzähler hinzugezogen, der zu den Themenbereichen „Von Häusern und Händlern“, „Vom Handeln und Tauschen“, „Von der Kunst, Bücher zu machen“, „Wie Wissen wandert“ und „Vom Sammeln und Forschen“ jeweils eine Geschichte erzählt, die auch auf Türkisch erhältlich ist. Weber aber „muss immer wieder erklären, dass wir kein religionsgeschichtliches Museum sind. Wir erzählen kulturübergreifende Geschichten“.
Der traditionelle Name des Museums ist schon ein Problem. Die Begriffe Islam und Kunst definieren nicht ausreichend, was an Zeugnissen von Spanien und Marokko über Nordafrika bis nach Iran und Indien ausgestellt ist. Was ist an den gezeigten Kunstwerken islamisch im religiösen Sinne? Und sind es nur Kunstwerke ihrer selbst willen? Geht es nicht vielmehr auch darum, wozu diese Objekte benutzt wurden, wie sie entstanden sind, welche Moden, Traditionen und Handelsbeziehungen ihre Entstehung beeinflusst haben? Aus Glasfenstern mittelalterlicher Kathedralen lassen sich, allein betrachtet, auch keine Rückschlüsse auf ein katholisches Europa schließen.
Hier wird eine allgemeine Problematik angesprochen, die das Museum im 21. Jahrhundert betrifft – und vor allem in Berlin auch das geplante Humboldt-Forum, das sich mit der Vermittlung außereuropäischer Kulturen beschäftigen soll. Es geht um die Betrachtung eines Kulturraums, der vom 7. bis zum 19. Jahrhundert eine zentrale Rolle gespielt hat und enger mit der europäischen Geschichte verbunden ist, als es die allgemeine Wissenslage heute ahnen lässt: gewaltige Aufgaben für die Museologie und die Neuordnung der Museumslandschaft in Berlin. Der Austausch von Ideen und Waren hat immer stattgefunden.
„Wir geben jungen deutschen Muslimen eine positive Rückbestätigung“
Das lässt sich fabelhaft am Aleppo-Zimmer, einem der Highlights des Museums, zeigen. Die jetzt vom Bürgerkrieg zerrissene syrische Stadt war immer eine Metropole mit vielen Kulturen und Religionen. Juden, Muslime und Christen lebten friedlich zusammen, Aleppo zog Inder, Georgier, Armenier, Venezianer, Holländer, Engländer an. Die wunderbare Wandvertäfelung des Aleppo-Zimmers stammt aus dem Haus eines Christen. Entstanden ist die Holzvertäfelung um 1603, bemalt hat sie vermutlich ein Maler persischer Herkunft, der auf den Tafeln religiöse Themen dargestellt hat, die in allen drei Religionen bekannt sind. Der Stil ist persisch und osmanisch. Doch was ist hier nun islamische Kunst?
Ein anderes Beispiel für den Kulturtransfer ist der Teppich. Phönix und Drache sind gängige Motive in der chinesischen Kunst, die über den Handel auf der Seidenstraße seit dem 13. Jahrhundert Eingang in die islamische Kunst finden. Allerdings haben die Fabelwesen unterschiedliche Bedeutungen in den Kulturen. In China ist der Drache positiv besetzt, in der islamischen Kunst eher ein furchterregendes Wesen. Beide tauchen auf Teppichen auf, die nun aber auch ihren Weg nach Europa finden.
Schon früh wurden in Anatolien Teppiche für den Export an die Höfe Europas geknüpft – ein früher Fall von Globalisierung. Museumsdirektor Weber denkt vor allem auch an die jungen deutschen Muslime, die zum Teil aus bildungsfernen Familien stammen und selten überhaupt ein Museum besuchen. Dabei finden sie in diesem Museum eine Kultur, auf die sie stolz sein können. „Kulturvermittlung läuft in diesen Kreisen oft nur über die Moschee“, sagt Weber. „Wir geben ihnen hier eine positive Rückbestätigung.“
Und er erzählt von einem Schüler, der zum Erstaunen des Lehrers und seiner Mitschüler eine Koransure auf Arabisch an der Gebetsnische von Konya übersetzen konnte. Das hat er in der Koranschule gelernt. „Wünschenswert wäre es nun, wenn diese positive Bildung auch mit einem offenen Kulturbild verbunden würde“, sagt Weber.
Das Ansehen dieses Schülers in der Klasse ist durch diesen Museumsbesuch enorm gestiegen.
Das Unterrichtsmaterial kann für Lehrer kostenlos beim Museum für Islamische Kunst angefordert werden. Info: www.kulturgeschichten.info
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